Iudex non calculat?

„Bilanzkunde für Juristen“ von Friedrich Graf Kanitz

Oliver Niekiel

lit-oliver-niekiel-bilanzkunde-fur-juristenMit der lateinischen Phrase „Iudex non calculat“ wird üblicherweise beschrieben, dass dem Juristen die Welt der Zahlen weitgehend fremd ist. Auch Friedrich Graf Kanitz, Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, widmet in seinem nunmehr in zweiter Auflage vorliegenden Werk Bilanzkunde für Juristen diesem Lehrsatz fast vier Seiten. Tatsächlich scheuen vielen Juristen die nähere Befassung mit Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen und Buchungssätzen. Dem trägt das vorliegende Buch aus der Reihe NJW Praxis Rechnung, in dem es in einer für Juristen verständlichen Weise zunächst in einem sogenannten „Glossar der Rechnungslegung“ Begriffe wie Eigenkapital, Liquidität und Rechnungsabgrenzung ausführlich definiert und durch immer wieder eingestreute Beispiele veranschaulicht. Sodann werden auf fast 400 Seiten die Gebiete Buchführung und Jahresabschluss, Gewinn- und Verlustrechnung, Lagebericht und Erklärung zur Unternehmensführung, Konzernrechnungslegung, Externe Jahresabschlussanalyse, Rechnungslegung in der Unternehmenskrise, Rechnungslegung in der Liquidation und schließlich  Unternehmensbewertung behandelt. Zahlreiche Beispielsfälle und einige Schaubilder tragen zur Verständlichkeit bei. Hinweise darauf, dass die doppelte Buchführung in der Soziologie bereits mit den Systemen Gallileis und Newtons verglichen wurde, oder dass Luca Pacioli, der die Grundlagen der doppelten Buchführung erstmals umfassend schriftlich darlegte, von seinem Mitbewohner Leonardo da Vinci angeblich als  Maestro bezeichnet wurde, laden zum Schmunzeln ein. Das Werk kann zwar naturgemäß weder einen Kommentar zum HGB noch ein Lehrbuch zur doppelten Buchführung ersetzen. Es bietet dem interessierten Juristen aber einen leichten Einstieg in die ihm oftmals fremde Materie des Bilanzrechts im weitesten Sinne. Aufgrund des umfangreichen Sachregisters kann es als eine Art Lexikon dienen, wenn Unklarheit hinsichtlich einer bestimmten Begrifflichkeit herrscht. Die zahlreichen Auswirkungen der Reformen zum Bilanzrecht (BilMoG) und zum GmbH-Recht (MoMiG) sind vollständig eingearbeitet. Ebenfalls berücksichtigt sind die im Zusammenhang mit der Finanzmarktkrise vorgenommenen Änderungen des insolvenzrechtlichen Überschuldungstatbestandes. Insgesamt kann das Werk, auch dank seines angemessenen Preises, ohne jede Einschränkung empfohlen werden.

Friedrich Graf Kanitz
Bilanzkunde für Juristen
2., vollständig überarbeitete Auflage 2010
Verlag C. H. Beck München
ISBN 978-3-406-58436-7
Ca. 400 Seiten
44,00 Euro

Veröffentlicht von on Jul 5th, 2010 und gespeichert unter BESPRECHUNGEN, LITERATUR. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

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