Wenn Gerechtigkeit gähnt

20-lit-jca-ho-cover-justitias-studiumHeiner Raude Robergs „Justitias Studium“

Jean-Claude Alexandre Ho

 

Welche Hand Justitia sich wohl vor den Mund halten mag, wenn sie gähnt? Der Buchdeckel von „Justitias Studium“ gibt es nicht preis: Auf dem abgebildeten Gemälde von Carl Spitzweg hält sie wie gewöhnlich in der linken Hand die Waage und in der rechten das Schwert.

Mit „Justitia“ ist in „Justitias Studium“ nicht nur die Allegorie gemeint, sondern auch das ganz besonders originelle Akronym einer Gruppe von Jurastudenten: Justus, Timo, Timea und Arne. Zusammen bilden sie eine private Arbeitsgemeinschaft, die brav Vorlesungsstunden nachbereitet. Dies ist auch schon die ganze Rahmenhandlung des etwas großspurig als „Roman über die Entwicklung des Rechts“ untertitelten Machwerks.

Eingebettet in den Wechsel von Vorlesung und Arbeitsgemeinschaft sind virtuelle Exkursionen, die Timo und Arne mit Hilfe eines Computerprogramms namens Justitia – welche Überraschung – in die Rechtsgeschichte unternehmen: Das Holodeck auf der USS Enterprise unter Captain Jean-Luc Picard leuchtet in der Ferne auf. Zählen diese Exkursionen zu einem mittelalterlichen Bauernhof und einen voraufklärerischen Fürstenhof noch zu den Höhepunkten des Buches, werden vor allem an der Rahmenhandlung die Gefahren der sogenannten Narratology deutlich. Bei Narratology handelt es sich um einen Zweig der in Amerika wurzelnden „Law and Literature“-Bewegung, deren Anliegen es ist, rechtliche Sachverhalte pädagogisch zu erzählen.

Der Rechtsgeschichten alleine wegen lohnt sich die Lektüre nicht. Zwar vermag die nacherzählte „Fehde des Sichar“ die private Rechtsdurchsetzung im Mittelalter recht anschaulich vermitteln, doch vor allem bei der am Fürstenhof spielenden Geschichte, die Schillers „Kabale und Liebe“ und Lessings „Emilia Galotti“ zu verschmelzen sucht, lohnt es sich, zu den Originalen zu greifen.

An der durchaus löblichen pädagogischen Ader des Autors kranken aber vor allem die gekünstelten Dialoge in der Rahmenhandlung. Hölzern kommen sie daher, oberlehrerhaft verpackt der Autor darin moralinsaure, wenn nicht gar unsägliche Ratschläge: No sex, no politics – das läßt er etwa den gescheiterten Juristen und Kellner Frank den Jungjuristen Timo und Arne empfehlen, auf dass sie das Staatsexamen mit guten Noten abschließen. Die Charaktere sind zudem holzschnittartig gezeichnet, etwa Schwiegersöhnchen Holger aus einer Studentenverbindung, der später zu der Justitia-AG stößt und den der Autor lang und breit über die Vorzüge von San Pellegrino im Vergleich zu Bonaqua referieren läßt, ohne dass dies ironisch gebrochen wird.

Ob der Autor für die Dialoge in seiner wohl verblassten Studienerinnerung gekramt hat? Es steht zu befürchten: Heiner Raude Roberg ist Pseudonym eines Rechtsanwalts, der für einen Interessenverband der Mietwirtschaft arbeitet und Rechtskunde an der Berufsschule unterrichtet. Es ist zu bezweifeln, dass ein Schüler sich wegen dieses Buches zum Jurastudium motivieren lassen wird. Doch auch für Jurastudenten im ersten und zweiten Semester, an die sich das Buch in erster Linie richtet, ist es als studienbegleitende Lektüre nicht zu empfehlen, auch wenn es sich zugleich als Tutorium versucht und aufzeigen will, wie z.B. Arbeitsgruppen funktionieren sollen.

Der vom Autor verfolgte Ansatz erinnert vage an „Sofies Welt“ von Jostein Gaarder oder „Theos Reise“ von Cathérine Clément, und im Gegensatz zu „Theos Reise“ wird der Leser zumindest nicht überfordert, doch wirkt „Justitias Studium“ so bemüht konstruiert, dass es eher angezeigt ist, die weiterführenden Literaturangaben am Ende dieses Romans ernst zu nehmen und sich von Uwe Wesel „Fast alles, was Recht ist“ sowie Wesels „Geschichte des Rechts“ anzuschaffen. Über die Entwicklung des Rechts lernt man dort mehr und auf kurzweiligere Weise.

 

Heiner Raude Roberg,

Justitias Studium. Roman über die Entwicklung des Rechts,

BoD 2008, 172 Seiten,

€ 9,90,

ISBN 978-3-8334-7641-9

Veröffentlicht von on Apr 27th, 2009 und gespeichert unter LITERATUR, RECHT LITERARISCH. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

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