Der Staatsanwalt

Justament-Klassiker: Pinars Tagebuch, Juni 2008

Liebes Tagebuch,

ich hatte völlig vergessen, dir zu erzählen, was für ein komischer Staatsanwalt bei uns in der Staatsanwaltschaft rumrennt. Das ist der Hammer! Von älteren Referendaren hatte ich ja schon gehört, dass dieser Herr der jungen Damenwelt nicht abgeneigt ist.
Ein guter Freund hatte mir mal erzählt, wie die Zuweisung von Referendaren in der Strafstation früher erfolgt sein soll. Die Staatsanwälte und Staatsanwältinnen, die seinem Bericht zufolge genauso sexistisch gewesen sein sollen, hätten die Referendar- Personalbögen mit Fotos bekommen und die Referendare nach ihrer Optik ausgewählt. Ist das zu glauben? Daher wäre es wohl in den früheren Jahren so gewesen, dass Jungs immer weiblichen Staatsanwälten und Mädchen den männlichen Staatsanwälten zugeteilt worden waren. Im Jahrgang meines Freundes war das noch so, das weiß ich noch. Allerdings weiß ich nicht, ob ich tatsächlich glauben kann, dass die Referendar-Auswahl wie bei einer Fleischbeschauung getroffen wurde… Gutaussehende Referendare wären seinerzeit wohl äußert beliebt und heiß begehrt gewesen. Wer hätte das gedacht, dass es in der spießigen und elitären Juristenwelt vorrangig um das Aussehen gehen soll. Aber die Gerüchteküche nimmt kein Ende. Einige Referendare hätten sich wohl über Annäherungsversuche des anderen Geschlechts beschwert, so dass diese Praxis wieder abgeschafft worden wäre. Dann ist es in meinem Jahrgang vielleicht kein Zufall, dass Mädels nur bei Frauen und umgekehrt Jungs nur bei Herren sind.
Jetzt aber zu dem komischen Staatsanwalt. Das ist so ein richtig unangenehmer Typ, der leider unser Ansprechpartner in der Staatsanwaltschaft ist, weil er unsere Einteilungen für den Sitzungsdienst schreibt. Immer wenn ich oder eine meiner Kolleginnen zu ihm ins Büro müssen, graut uns davor. Er versucht, uns immer so lange wie möglich in seinem Büro zu halten und pausenlos mit uns zu flirten. Unsere männlichen Kollegen sind in maximal fünf Minuten wieder aus seinem Büro heraus, wohingegen es fast keine Frau schafft, dort unter 15 Minuten drinzubleiben. Eine Kollegin hat er sogar mit Namen begrüßt, obwohl sie das erste Mal bei ihm war. Auf erstauntes Nachfragen von ihr habe er gesagt, dass er sie von ihrem Foto aus dem Personalbogen kenne. Die Krönung aber war, als er sie gefragt haben soll, ob sie ihn denn nicht erkenne. Schließlich wären sie sich im Fitnessstudio in der Sauna begegnet. Sie sei daraufhin richtig schockiert gewesen. Dann nannte er ihr wohl noch ihre Adresse, die er auswendig kannte, und hätte ihr mitgeteilt, dass er wüsste, mit welcher Bahn sie jeden Morgen ans Gericht fahre. Auf ihr schockiertes Nachfragen, woher  er das alles wisse, soll er gesagt haben: „Ich bin nicht umsonst Staatsanwalt. Ich weiß, wie man ermittelt“. Ihr wäre es, sagt sie, eiskalt den Rücken herunter gelaufen.
Diese Geschichte hat uns Mädels wirklich mitgenommen…es ist furchtbar, wie manche Vorgesetzte sich aufführen und ihre Macht missbrauchen. Glücklicherweise ist der überwiegende Teil der Ausbilder aber wirklich nicht so.

Deine Pinar

Veröffentlicht von on Jan 7th, 2013 und gespeichert unter LIEBES TAGEBUCH, PINAR. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

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