„Es menschelt häufig sehr“

Im Gespräch mit Rechtsanwalt Florian Wörtz über seine Kanzlei mit Schwerpunkt „Seniorenrecht“

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RA Florian Wörtz bei der Arbeit

Herr Wörtz, Sie haben sich auf Seniorenrecht spezialisiert. Erklären Sie uns bitte erst einmal, was das überhaupt ist!

Seniorenrecht betrifft zum Beispiel Versorgungsfragen im Alter (Renten, Pensionen, Sozialhilfe), Vermögensbetreuung, Haus- und Wohnungsverwaltung, den Abschluss und die Überprüfung von Heim- und Dienstverträgen ambulanter Versorger, vorsorgende Verfügungen und erbrechtliche Fragestellungen. Im Rahmen des Betreuungsrechts bin ich sowohl als gesetzlicher Betreuer als auch rechtsberatend tätig. Ich berate Betroffene und Angehörige in allen Fragen des Betreuungs- und Unterbringungsrechts. Außerdem übernehme ich die Vertretung vor dem Betreuungsgericht als Verfahrenspfleger oder -bevollmächtigter. Schließlich bin ich auch im anwaltlichen Berufsrecht sowie als Gläubigervertreter in Zwangsversteigerungsverfahren tätig.

Und wie kam es, dass Sie sich ausgerechnet diesem eher ungewöhnlichen Rechtsgebiet zugewendet haben?

Ich habe mir zu Beginn der Selbständigkeit überlegt, wie ich als junger Familienvater einen relativ sicheren Grundstock an Umsatz generieren kann. Da bin ich darauf gekommen, mich als Betreuer bei der örtlichen Betreuungsbehörde zu bewerben. Ich habe meinen Spaß daran gefunden und immer mehr Anfragen bekommen. Die Betreuungsbehörde hat an mir geschätzt, dass ich mehrere Fremdsprachen spreche und mehrere Jahre im Ausland war und so wohl auch Empathie für die Situation und Besonderheiten bei Mitbürgern mit Migrationshintergrund habe.

Wie sieht denn so Ihr typischer Kanzleialltag aus?

Den typischen Alltag gibt es nicht. Jeder Fall ist anders, die Rahmenbedingungen sind anders. Beispielsweise habe ich einen ehemaligen Selbständigen, der seinen Handwerksbetrieb an die Wand gefahren hat. Da gibt es viel zu regeln. Ein anderer war ein sogenannter Immobiliensammler, wieder andere sind völlig dement, haben keine Angehörigen, und niemand kann einem Anhaltspunkte liefern für die Ermittlung von Vermögenswerten. Es menschelt häufig sehr. Die älteren, betreuungsbedürftigen Menschen mit viel Vermögen haben regelmäßig immer viele Freunde, die ohne Vermögen haben keine Freunde. Das ist auch so eine Faustregel. Ich muss halt immer die Vermögenslage recherchieren, Anträge stellen, Schulden eintreiben, Forderungen begleichen. Dann die persönlichen Lebensumstände sichern, Sozialdienste beauftragen, einen Heimplatz finden. Im Laufe der Zeit bekommt man auch ein großes Netzwerk, von dem man dann profitieren kann. Mir hilft auch sehr die eigene, effiziente Büroorganisation mit einer sehr zuverlässigen und selbständig arbeitenden Büroassistentin. Es muss viel Arbeit in relativ kurzer Zeit unter viel Zeitdruck erledigt werden können.

Und wie beurteilen Sie die Zukunftsaussichten Ihres Rechtsgebiets?

Aufgrund der demographischen Entwicklung und der Zersplitterung großfamiliärer Strukturen sehe ich da einen weiter steigenden Bedarf. Die Leute werden auch weiter vorbeugen und vielleicht mit Vorsorgevollmachten und Betreuungsvollmachten ihre Zukunft selbstbestimmt gestalten, sodass hier nicht gesetzliche Betreuer, sondern Bevollmächtigte die Rechte von Betroffenen wahrnehmen. Es gibt allerdings auch viele Unsicherheiten oder spektakuläre Missbrauchsfälle. Aber selbst wenn es noch Angehörige gibt, heißt es nicht, dass diese sich um den Betreuungsbedürftigen kümmern können oder wollen. Teilweise gibt es familiäre Spannungen und Misstrauen, teilweise sind sie mit den Anforderungen an die Regelung der persönlichen Angelegenheiten überfordert  – gerade, wenn es Anträge zu stellen gibt oder rechtliche Dinge zu klären sind. Oder sie sind beruflich und familiär so ausgelastet oder leben so weit weg, dass sie sich selbst nicht adäquat drum kümmern könnten.

Was raten Sie jungen Juristen, die vielleicht keine zwei Prädikatsexamen vorweisen können, und ihr Glück als Rechtsanwalt versuchen wollen?

Wenn man es als Glückssache auffasst und als solche angeht, wird es vermutlich in die Hosen gehen. Egal was man beim Berufseinstieg vorweisen kann: Man sollte immer das machen, was am besten zu einem passt und was man mit Leidenschaft machen kann. Es bringt nichts, beispielsweise Baurecht zu machen, wenn man sich nicht auch für diesen Lebensbereich begeistern kann. Rechtsanwalt ist ein freier Beruf, und das ist nicht nur eine Floskel, sondern gerade als junger Mensch kann man sich auf die verändernden Rahmenbedingungen besser einstellen. Außerdem bieten das Leben und der Rechtsmarkt trotz Anwaltsschwemme immer noch Perspektiven und Möglichkeiten. Im Studium findet man vielleicht Strafrecht ganz spannend, aber man sollte sich prüfen, ob man in der Praxis dann auch mit den Klienten umgehen kann oder ob die Auftritte vor Gericht so die eigene Sache sind. M&A klingt für alle Jungjuristen besonders hip und erstrebenswert, weil es nach großer Anwaltswelt, spektakulären Deals und viel Kohle klingt. Aber ist das mein Ding, kann ich nachts ruhig schlafen, wenn es um solche Summen geht, kann ich in einem harten Verdrängungswettbewerb die Ellbogen ausfahren und gewinnen? Man sollte sich überlegen, was man kann und was man besonders gern macht. Was sind meine Hobbys, wo sehen Bekannte meine Stärken? Mut zur Individualität – und authentisch bleiben! Ich habe mitunter das Gefühl, dass viele junge Kollegen in den ersten Berufsjahren einen emotionalen Frontalcrash mit der Wirklichkeit erleben, nachdem man jahrelang in irgendwelchen Unibibliotheken verbracht hat und dann unvorbereitet in die Praxis entlassen wird.

Das Gespräch führte Justament-Redakteur Thomas Claer.

Weitere Informationen: www.kanzlei-woertz.de

Veröffentlicht von on Mrz 10th, 2014 und gespeichert unter DRUM HERUM, KANZLEIREPORT, SONSTIGES. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

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