Neues Schuldrecht 2022

Ein kleiner Überblick über die Literatur

Matthias Wiemers

Politiker reden seit Jahren gerne von der Digitalisierung, wobei man nicht immer weiß, ob sie die für notwendig halten und für regelungsbedürftig, oder ob mehr der Blick für die Chancen überwiegt. Jedenfalls wurden viele hundert Millionen an Fördermitteln ausgegeben, wobei der Staat selbst bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen noch ziemlich hinterherhinkt. Aber was ist mit der Notwendigkeit, die so genannten Datenkraken zurückzudrängen und ihren inzwischen oftmals unberechtigt erlangten Wettbewerbsvorteil zu beschränken? Die Datenschutzgrundverordnung hat hier wohl eher Kollateralschäden für kleine Mittelstandsbetriebe geschaffen und am Wettbewerb nicht viel geändert. Und auf die Bazooka aus dem Kartellrecht warten wir weiterhin. Aber wie wäre es denn erstmal mit dem guten alten BGB-Schulrecht? So mögen sich die Gesetzgeber gedacht haben, und so hatte der deutsche Gesetzgeber zwei EU-Richtlinien bis Mitte vergangenen Jahres in deutsches Recht umzusetzen, und zwar die Warenkaufrichtlinie (WKRL – EU RL 2019/711) und die Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen. Daneben gab es die Modernisierungsrichtlinie, die die Verbraucherrechte-Richtlinie von 2011 aktualisiert. Die Regelungen treten seit 1. 1. 2022 sukzessive in Kraft.
Dies warf die Frage auf, wie denn die juristischen Verlage mit dem seit Jahresbeginn geltenden neuen Schuldrecht umgehen.

Zuerst erreichte mich ein Heft aus der Rubrik „Express“ in dem üblichen Großformat der Skripten des Repetitoriums Alpmann Schmidt aus Münster. Das von Langkamp geschriebene Skript hat 168 Seiten und dient natürlich in erster Linie dazu, geplagten Examenskandidaten – typischerweise jene, die sich auf die mündliche Prüfung vorbereiten – noch schnell auf den neuesten Stand zu bringen.
Langkamp stellt darin zunächst in einem ersten Teil „das neue Kaufrecht“ im Überblick vor, fängt also im Besonderen Schuldrecht an. Dies mag man zunächst als didaktisch geschickt bezeichnen, da das Kaufrecht besonders examensrelevant ist und zudem das Recht der Digitalisierung darin nur einen Teil ausmacht. Man kann sich also noch an hergebrachtem orientieren, wenngleich die Änderungen auch hier gravierend sind. Der Autor arbeitet hier von Anfang an mit zahlreichen Übersichten, worin eben deutlich wird, wie gravierend die Änderungen sind, da zahlreiche Vorschriften neu eingeführt wurden. Zentral ist hier ein neuer Sachmangelbegriff, der die bisherige Literatur hierzu weitgehend gegenstandslos macht. Weiterhin ist das Skript mit sehr vielen Beispielen durchzogen, die die neue Rechtslage anschaulich machen. Die in dem Skript ebenfalls zahlreich über QR-Code verlinkten Videos mit Fällen aus der Rechtsprechung, die freilich das neue Recht noch nicht abbilden können.
Gegliedert ist der erste Teil in die Abschnitte „Änderungen im allgemeinen Kaufrecht“, Änderungen beim Verbrauchsgüterkauf“ und „Dreiteilung des Sachmangelrechts“.
Dann folgt der zweite Teil über den Vertrag über digitale Produkte, der im Allgemeinen Schuldrecht angesiedelt ist und der sich in der Anwendung gegenüber dem Besonderen Schuldrecht durchsetzen kann, wenn ein Vertrag digitale Elemente enthält. Neue Kollisionsregelungen im Kaufrecht, im Schenkungsrecht, im Mietrecht sowie im Dienst- und Werkvertragsrecht sorgen hierfür, was Langkamp übersichtlich dazustellen vermag. Der zweite Teil ist hierbei unterteilt in die beiden Abschnitte „Verbraucherverträge über digitale Produkte“ und „Verträge über digitale Produkte zwischen Unternehmern“.
Fazit: auch für den Praktiker sehr zu empfehlen
Langkamp, Das neue Schuldrecht 2022. Das neue Kaufrecht und der Vertrag über digitale Produkte. Münster 2022, 168 S., 17,90 Euro (ISBN 978-3-86752-813-9)

Speziell an die anwaltliche Praxis wendet sich der Band von Gerhard Ring im Deutschen Anwalt Verlag. Ring baut seinen Band anders auf, und zwar grundsätzlich im Sinne einer Dreiteilung. In § 1 schildert er die Inhalte des Gesetzes über faire Verbraucherträge, in § 2 das Gesetz zur Umsetzung der Modernisierungsrichtlinie, § 3 über das Gesetz zur Umsetzung der Digitale-Inhalte-Richtlinie und in § 4 wird die Umsetzung der Warenkaufrichtlinie im BGB dargestellt. Dabei beruht das erste Gesetz nicht auf europarechtlichen Grundlagen, wie Ring herausstellt. Insgesamt stellt der Autor hier alle vier Materien ziemlich getrennt dar, so dass man jedes Kapitel erst einmal für sich lesen kann. Mehr noch als bei Langkamp werden hier Verweisungen auf weiterführende Literatur und vor allem auch Materialien geliefert. Mit diesem Band kann man sich den neuen Regelungen schrittweise nähern. Für Studierende scheint der Band nur bedingt geeignet, weil nur vereinzelt Lösungsansätze gegeben werden. Es ist ein Werk für den erfahrenen Praktiker.
Gerhard Ring, Schuldrechtsreform 2022. Sachmangelbegriff – digitale Inhalte – Verbraucherverträge, Bonn 20220, 248 S., 39 Euro (ISBN 978-3-8240-1696-9)

Ein bereits sehr gut eingeführtes Werk stellt der Band zum Besonderen Schulrecht von Tonner/Brömmelmeyer aus dem Nomos Verlag dar, der nun in 5. Auflage erschienen ist. An die Seite Klaus Tonners (Rostock) ist nun Christoph Brömmelmeyer (Frankfurt/ Oder) an die Seite getreten. Die Autoren stellen in ihrem Vorwort zunächst einmal klar, worum es eigentlich geht, nämlich- ich verweise auf meine eigene Einleitung vorstehend – um die Öffnung des BGB für die Digitalisierung und das „Internet of Things“. Da es sich um einen Band nur zum Besonderen Schulrecht handelt, konnten die Novellierungen des Allgemeinen Schuldrechts naturgemäß hier nicht behandelt werden. Der mit Fallbeispeilen und Prüfungsanleitungen durchzogene Band enthält aber wenigstens einen kleinen Hinweis auf das „Ineinandergreifen von Schuldrecht AT und BT“ (Rdnr. 6) . Schaut man dann in den Band hinein, was sich hinsichtlich der Darstellung des (geänderten) § 434 BGB zum Sachmängelbegriff anbietet, so sieht man die Änderung mit Bezugnahme zur Gesetzesbegründung durchaus angemessen erklärt. Wer also vom alten Schulrecht nichts wußte, bekommt bei Gelegenheit des Studiums des neuen zugleich das alte angedeutet. Nd soweit es die Darstellung des Besonderen Schuldrechts erfordert, gehen die Autoren auch auf das neue Allgemeine Schuldrecht ein (Bsp. § 12 Verbrauchsgüterkauf).
Dieser Band ist besonders wegen seiner anschaulichen Fallbeispiele zu empfehlen, und natürlich wurden auch diese Fälle an das neue Recht angepasst. Schließlich gibt die Einleitung einen guten Überblick über das Verhältnis des europäischen zum nationalen Recht und zeigt auch, wie man überhaupt schuldrechtliche Fälle löst.
Klaus Tonner/ Christoph Brömmelmeyer, Schuldrecht Besonderer Teil. Vertragliche Schuldverhältnisse, 5. Aufl., Baden Baden 2022, 410 S., 25, 90 Euro (ISBN 978-3-8487-3866-3)

Wechseln wir nun zum Verlag Vahlen, der wie Nomos zum Beck Verlag gehört (Vahlen gar nur noch als Marke). Hier liegt nun ein bereits in 14. Auflage erschienener Band zum „Schuldrecht BT“ vor, der seinerzeit von Rainer Wörlen begründet wurde und zwischenzeitlich von Karin Metzler-Müller fortgeführt wurde, liegt nun bei Axel Kokemoor (Fulda) und Kristina Balleis (Aschafffenburg). Der Band ist in der Reihe „Lernen im Dialog“, die sich dadurch auszeichnet, dass die Bände eher knapp gefasst sind, aber ein hohes Maß an Eigenarbeit der Studierenden verlangen, indem sie diese immer wieder mit Fragen konfrontieren und zur Lektüre der Gesetze anhalten (Wer selbst unterrichtet weiß, wie schwierig letzteres bei Studierenden zu erreichen ist).
Hier wird im Vorwort nur kurz auf die Gesetze zur Umsetzung der Modernisierungsrichtlinie und das Gesetz für faire Verbraucherverträge hingewiesen. Auch hier lohnt ein Blick auf die Darstellung des Sachmängelbegriffs, dessen Novellierung eindeutig dargestellt wird (Rdnr. 14 ff.).
Für diesen Band kann man sich gleichermaßen entscheiden. Er verlang dem Leser etwas mehr ab, macht ihn mehr noch zum Nutzer, der ständig dazu angehalten wird, Unterstreichungen und Verweisungen im Gesetzestext vorzunehmen und somit den Umgang mit dem Gesetz durch diese Art Lehrbuch am besten angehalten wird. Die eingestreuten Übungsfälle können ebenfalls überzeugen.
Wörlen, Axel/ Metzler-Müller, Karin/ Kokemoor, Axel, Schuldrecht BT. Lernbuch – Strukturen – Übersichten, 14. Aufl., München 2022, 298 S., 22, 90 Euro (ISBN 978-3-8006-65-46-4).

Bleiben wir bei „Vahlen“ und wechseln zum Schuldrecht. Besonderer Teil von Dirk Looschelders, das bereits in 17. Auflage vorliegt. Der Band aus der Reihe Academia Iuris hat mich zuletzt erreicht.
Hier wird im Vorwort auf die Umsetzung der schon eingangs erwähnten Richtlinien hingewiesen. Schauen wir sodann wieder auf die Darstellung des Sachmangels, so stellt Looschelders hier zunächst die alte Rechtslage dar und geht dann auf die neue Rechtslage ein. Der Band ist mit gut 650 eng bedruckten Seiten eine der umfangreichsten Darstellungen des Besonderen Schulrechts überhaupt. Zum Lernen dürfte es zu umfangreich sein; als Nachschlagewerk zur Vertiefung ist es als ziemlich preiswert zu bezeichnen. Nicht umsonst ist der Band seit 2007 jetzt 17 mal erschienen.
Dirk Looschelders. Schulrecht. Besonderer Teil, 17. Auflage, München 2022, 680 S., 28, 90 Euro (ISBN 978-3-8006-6737-6).

Kommen wir zu einem Fazit: Das Phänomen des „Internet of Things“ sollte eigentlich weitgehend verboten werden, da es Menschen entmündigt, abhängig vom Internet macht, Ressourcen vergeudet und zudem die Gesellschaften in Abhängigkeit versetzt, die in Krisenfällen deren Wirkungen weiter steigern kann. Die neuen Technologien rechtlich einzuhegen, ist jedenfalls Aufgabe des Gesetzgebers, der sich nun allmählich auf den Weg macht.
Zu erinnern ist daran, dass den deutschen Staat (nicht die EU!) eine Schutzpflicht treffen kann, um Bürger dieses Landes vor Katastrophen zu bewahren. Angesichts des herrschenden Ukraine-Krieges scheint sich auch die Bundesregierung insoweit auf einem Weg zu befinden.

Veröffentlicht von on Apr 18th, 2022 und gespeichert unter BESPRECHUNGEN, LITERATUR. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

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