Oliver Niekiel
Am 1. März 2012 ist das ESUG (= Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen) in Kraft getreten. Wesentliche Neuerung: Bereits unmittelbar nach dem Eingang des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann ein vorläufiger Gläubigerausschuss eingerichtet werden. Dessen Befugnisse sind insbesondere in § 56a InsO geregelt: Vor der Bestellung des Verwalters ist dem Ausschuss Gelegenheit zu geben, sich zu den Anforderungen, die an den Verwalter zu stellen sind, und zur Person des Verwalters zu äußern, soweit dies nicht offensichtlich zu einer nachteiligen Veränderung der Vermögenslage des Schuldners führt. Das Gericht darf von einem einstimmigen Vorschlag des Ausschusses zur Person des Verwalters nur abweichen, wenn die vorgeschlagene Person für die Übernahme des Amtes nicht geeignet ist. Das Gericht hat bei der Auswahl des Verwalters die vom Ausschuss beschlossenen Anforderungen an die Person des Verwalters zugrunde zu legen. Hat das Gericht mit Rücksicht auf eine nachteilige Veränderung der Vermögenslage des Schuldners von einer Anhörung abgesehen, so kann der Ausschuss in seiner ersten Sitzung einstimmig eine andere als die bestellte Person zum Insolvenzverwalter wählen.
Daneben ist dem vorläufigen Gläubigerausschuss vor der Entscheidung über einen Antrag auf Eigenverwaltung Gelegenheit zur Äußerung zu geben (§ 270 Abs. 3 S. 1 InsO). Einen Antrag des Schuldners auf Eigenverwaltung darf das Gericht ablehnen, wenn ihm Umstände bekannt sind, die befürchten lassen, dass die Anordnung der Eigenverwaltung zu Nachteilen für die Gläubiger führt. Wird jedoch der Antrag von einem einstimmigen Beschluss des vorläufigen Gläubigerausschusses unterstützt, gilt die Anordnung als nicht nachteilig für die Gläubiger (§ 270 Abs. 2, 3 InsO).
Voraussetzung für die Einrichtung des vorläufigen Gläubigerausschusses ist nach § 22a Abs. 1 InsO, dass im Geschäftsjahr vor Antragstellung mindestens zwei der folgenden Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: Eine Bilanzsumme von mindestens 4,84 Mio. € nach Abzug eines auf der Aktivseite der Bilanz ausgewiesenen Fehlbetrags gemäß § 268 Abs. 3 HGB, Umsatzerlöse von mindestens 9,68 Mio. €, Jahresdurchschnittlich mindestens 50 Arbeitnehmer. Werden diese Werte nicht erreicht, so kann ein vorläufiger Gläubigerausschuss eingerichtet werden, wenn der Schuldner, ein Gläubiger oder der vorläufige Sachwalter einen entsprechenden Antrag stellt, Personen benannt werden, die als Mitglieder in Frage kommen und eine Einverständniserklärung dieser Personen vorliegt (§ 22a Abs. 2 InsO).
Durch das ESUG wird ferner die Anordnung einer Eigenverwaltung erleichtert. Eine Ausprägung der vorläufigen Eigenverwaltung ist das sogenannte Schutzschirmverfahren, das in § 270b InsO seinen Niederschlag gefunden hat. Auf einen entsprechenden Gerichtsbeschluss hin erhält der Schuldner die Gelegenheit, unter Aufsicht eines vorläufigen Sachwalters für die Dauer von bis zu drei Monaten frei von Vollstreckungsmaßnahmen in eigener Verantwortung einen Sanierungsplan auf die Beine zu stellen, der Grundlage eines späteren Insolvenzplans ist. Voraussetzung: Der Schuldner hat mit dem Antrag eine mit Gründen versehene Bescheinigung eines in Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers oder Rechtsanwalts oder einer Person mit vergleichbarer Qualifikation vorzulegen, aus der sich ergibt, dass drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, aber keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt und die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist (§ 270b Abs. 1 S. 3 InsO). Durch das sogenannte Schutzschirmverfahren wird dem Schuldner zugleich die Möglichkeit eröffnet, selbst Masseverbindlichkeiten zu begründen (Anordnung des Gerichts erforderlich, vgl. § 270b Abs. 3 InsO). Erwähnenswert ist ferner die Regelung des § 225a InsO. Die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der am Schuldner beteiligten Personen bleiben danach vom Insolvenzplan unberührt, es sei denn, dass der Plan etwas anderes bestimmt.
Der Schuldner hat neuerdings auch die Möglichkeit, im Plan vorzusehen, für bestimmte Gläubiger Mittel für den Fall vorzusehen, dass diese ihre Schlechterstellung nachweisen. Außerhalb des eigentlichen Insolvenzverfahrens ist dann zu klären, ob die Beteiligten einen Ausgleich aus diesen Mitteln erhalten (§ 251 Abs. 3 InsO). Nach neuer Rechtslage sind außerdem Rechtsmittel gegen den Plan nur noch dann zulässig, wenn dem Plan spätestens im Abstimmungstermin in schriftlicher Form widersprochen, gegen den Plan gestimmt und glaubhaft gemacht wurde, dass der Widersprechende durch den Plan wesentlich schlechter gestellt wird. Außerdem muss glaubhaft gemacht werden, dass dieser Nachteil nicht durch Zahlung der „Sondermittel“ ausgeglichen werden kann. Insgesamt hat das Insolvenzrecht durch das ESUG somit umfangreiche Neuerungen erfahren. Es bleibt abzuwarten, ob diese in der Praxis zu den gewünschten Ergebnissen führen.
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