Alle Änderungen seit dem 1.1.2015
Oliver Niekiel
Jahrelang fristete die strafbefreiende Selbstanzeige ein eher ruhiges Dasein. Sie war zwar immer wieder Gegenstand der medialen Berichterstattung, wenn eine Daten-CD aus der Schweiz gekauft wurde oder die Steuerunehrlichkeit eines Prominenten durchsickerte. Inhaltlich aber blieb die maßgebliche Bestimmung des § 371 AO weitgehend unverändert.
So waren insbesondere lange Zeit sogenannte Teilselbstanzeigen möglich. Steuerhinterzieher konnten ihre Selbstanzeige auf einen Teil der unterlassenen oder unrichtigen Angaben beschränken und insoweit straffrei bleiben. Dem hatte zunächst die Rechtsprechung und mit etwas zeitlicher Verzögerung auch der Gesetzgeber (§ 371 Abs. 1 AO) einen Riegel vorgeschoben. Nach der insoweit grundlegenden Entscheidung des BGH vom 20. Mai 2010 (Az.: 1 StR 577/09) war „eine Rückkehr zur Steuerehrlichkeit dann gegeben, wenn der Täter nunmehr vollständige und richtige Angaben – mithin reinen Tisch – macht”. Die in diesem Bereich seither fortschreitende Entwicklung hat ihren vorläufigen Abschluss im Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung gefunden. Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2015 gelten neue Regeln zur strafbefreienden Selbstanzeige.
So ist es nunmehr erforderlich, dass Angaben zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre gemacht werden. Die Verjährungsfrist für die Nachzahlung der hinterzogenen Steuern lag auch vorher schon bei zehn Jahren. Strafrechtlich allerdings lag sie bei fünf Jahren und nur in besonders schweren Fällen bei zehn Jahren. Dies hatte zur Folge, dass für eine wirksame Selbstanzeige lediglich fünf Jahre offengelegt werden mussten, um Straffreiheit zu erlangen. Für die in der Regel weiteren fünf Jahre musste das Finanzamt daher schätzen, wenn der Steuerpflichtige nicht von sich aus auch für diesen Zeitraum seine Zahlen offenlegte. Eine Sonderregelung beinhaltet in diesem Zusammenhang § 170 Abs. 6 AO. Danach beträgt die steuerliche Anlaufhemmung für nicht deklarierte Kapitalerträge aus Staaten, die nicht am automatischen Datenaustausch teilnehmen zehn Jahre. Theoretisch könnte das Finanzamt daher auf die Erträge der letzten zwanzig Jahre zugreifen (zehn Jahre Anlaufhemmung plus zehn Jahre Verjährungsfrist). In der Praxis wird diese Regelung kaum Bedeutung erlangen, weil die nicht am automatischen Datenaustausch teilnehmenden Staaten nicht zu den beliebten Anlagestätten für Kapital liegen.
Erweitert wurde der Katalog der Sperrgründe. Straffreiheit tritt nach der Neufassung des § 370 Abs. 2 AO nicht ein, wenn
– dem an der Tat Beteiligten, seinem Vertreter, dem Begünstigten oder dessen Vertreter eine Prüfungsanordnung bekannt gegeben worden ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der angekündigten Außenprüfung, oder
– dem an der Tat Beteiligten oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist oder
– ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung erschienen ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der Außenprüfung, oder
– ein Amtsträger zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist oder
– ein Amtsträger der Finanzbehörde zu einer Umsatzsteuer-Nachschau nach § 27b UStG, einer Lohnsteuer-Nachschau nach § 42g EStG oder einer Nachschau nach anderen steuerrechtlichen Vorschriften erschienen ist und sich ausgewiesen hat oder
– eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste,
– die nach § 370 Abs. 1 AO verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 25.000,00 € je Tat übersteigt, oder
– ein in § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 bis 5 AO genannter besonders schwerer Fall vorliegt.
Besondere Beachtung verdient der Sperrgrund der Hinterziehung von mehr als 25.000,00 € pro Tat. Diese Regelung bedeutet nicht, dass ab einer entsprechenden Größenordnung keine Straffreiheit mehr erlangt werden kann. Vielmehr gilt hier § 398a AO, der die Zahlung eines Zuschlags vorsieht, damit die Selbstanzeige wirksam wird. Bislang kam dieser Zuschlag ab einem Hinterziehungsbetrag von 50.000,00 € zur Anwendung und betrug 5%. Nunmehr beträgt er bei einer hinterzogenen Steuer zwischen 25.000,00 € und 100.000,00 € 10%, ab 100.000,00 € 15% und am 1 Mio. € sogar 20%. Zugleich ist gesetzlich klargestellt, dass eine unwirksame Selbstanzeige auch durch Zahlung des Zuschlages nach § 398a AO nicht zur Straffreiheit führt. Vielmehr kann das Verfahren durch die Ermittlungsbehörde dann neu aufgenommen werden, wenn sich die Unwirksamkeit später herausstellt.
Weitere Neuerung: Die Sperrwirkung nach § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO wird bei der Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung über den Steuerpflichtigen hinaus auch auf Tatbeteiligte, d. h. also auch auf Anstifter und Gehilfen ausgedehnt, losgelöst ob sie von der Prüfungsanordnung Kenntnis haben oder nicht. Aber: Die Sperrwirkung wird beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der angekündigten Prüfung.
In § 371 Abs. 2 Nr. 1e AO wurde ein neuer Sperrgrund geschaffen. Danach ist eine Selbstanzeige bei einer Umsatzsteuer- oder Lohnsteuernachschau oder einer sonstigen steuerlichen Nachschau mit dem Ausweisen des Prüfers nicht mehr strafbefreiend möglich. Eine wirksame Teilselbstanzeige ist indes durch die Neuregelung wieder im Rahmen von Umsatzsteuer- und Lohnsteuervoranmeldungen möglich. Wird eine Umsatzsteuer- oder Lohnsteuervoranmeldung korrigiert oder verspätet abgegeben, führt sie nun wieder für den nacherklärten Umfang als Selbstanzeige zur Straffreiheit und sperrt nicht – wie nach vorheriger Rechtslage – eine weitere Selbstanzeige für denselben Zeitraum.
Ebenfalls neu: Der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 4 AO bei Vorliegen eines besonders schweren Falles der Steuerhinterziehung im Sinne von § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 bis 5 AO. Damit sind Fälle der bandenmäßigen Steuerhinterziehung mit Hinterziehungsbeträgen ab 50.000,00 € pro Steuerart und Veranlagungszeitraum gemeint.
Eine weitere Voraussetzung für die Erlangung der Straffreiheit ist neuerdings die Zahlung der Hinterziehungszinsen. Bislang war lediglich die Zahlung der hinterzogenen Steuer Tatbestandsmerkmal einer wirksamen Selbstanzeige. Es müssen nunmehr die Hinterziehungszinsen einschließlich der Nachzahlungszinsen, die auf Hinterziehungszinsen angerechnet werden, fristgerecht nachgezahlt werden.
Die Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige ist seit dem 1. Januar 2015 demnach schwieriger und deutlich teurer als bislang. Es bleibt abzuwarten, wie sich das Selbstanzeigeaufkommen künftig entwickelt.