Neuauflage: Band VII/1 des Handbuchs der Grundrechte in Deutschland über die Grundrechte in Österreich
Matthias Wiemers
„Das Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa“, ein wenig nach dem Vorbild – und jedenfalls in gleichem Format und Ausstattung – wie der „Isensee/Kirchhof im Verlag C. F. Mülller erscheinend, erlebt nun erstmals die Neuauflage eines Bandes.
Die Neuauflage über „Die Grundrechte in Österreich“ (Bd. VII/1) ist eine vollständige Überarbeitung und wesentliche Erweiterung der Erstauflage aus dem Jahre 2009, und weil der Umfang gestiegen ist, haben sich die Herausgeber der Reihe dazu entschieden, die bislang für die gesamte Reihe durchgängige Zählung der Paragraphen aufzugeben und die Zählung in jedem Band neu zu beginnen. Aus 16 Kapiteln wurden so 22. Da damit kein Verlust an Genauigkeit der Zuordnung verbunden ist, ist dagegen nichts einzuwenden. Zudem weist der Klappentext, der einen Überblick über die Gesamtzahl der Bände enthält, erstmals den Hinweis darauf aus, dass es einen weiteren Band geben wird, der bislang nicht vorgesehen war, nämlich einen solchen über „Grundrechte in deutschen Landesverfassungen“, der als Bd. VIII erscheinen soll. Klaus Stern, der sich im Herausgeberbeirat befindet, hatte in seinem „Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland“ vor Jahren den Plan eines solchen Bandes aufgegeben. Hat er den Band jetzt angeregt?
Grund für die Neuauflage des Österreich-Bandes ist eine jüngst erfolgte Veränderung und Erweiterung des öffentlich-rechtlichen Rechtsschutzes in der Alpenrepublik, so dass neue Autoren und neue Themen den Umfang des Bandes wesentlich erweitern ließen.
Der frühere Mitherausgeber des Bandes, der noch vor Erscheinen der Erstauflage verstorbene Heinz Schäffer, liefert zu Beginn einen Beitrag über „Die Entwicklung der Grundrechte“ (§ 1), der für die Neuauflage aktualisiert wurde. Hier erfährt der Leser etwas über die in der Tat bemerkenswerte Entwicklung der letzten Jahre, die über die bloße Anpassung an den erweiterten europäischen Grundrechtsschutz hinausgeht.
Christoph Grabenwarter, in den letzten Jahren mit Beiträgen zum europäischen Grundrechtsschutz vielfach hervorgetreten, liefert sodann einen Überblick über „Verfassungsrecht, Völkerrecht und Unionsrecht als Grundrechtsquellen“ (§ 2), bevor die neue Mitherausgeberin des Bandes, Gabriele Kucsko-Stadlmayer, den ersten, eher geschichtlichen Teil des Abschnitts „Allgemeine Lehren“ (I.) mit einem Beitrag über die allgemeinen Strukturen der Grundrechte“ beschließt (§ 3). Der zweite Teil behandelt „Grundrechtsträger, Grundrechtsgeltung und Grundrechtskonflikte“ und schließt die Allgemeinen Grundrechtslehren ab.
Die Besonderen Grundrechtslehren wurden in zwei Abschnitte unterteilt: „Freiheit, Gleichheit und justizielle Garantien“ (II.) und „Politische Rechte, soziale Rechte, Minderheitenschutz“ (III.), bevor in einem nur aus einem Paragraphen bestehenden Schlussabschnitt noch einmal gesondert die „Durchsetzbarkeit der Grundrechte“. Dieser letzte Abschnitt ergänzt nicht nur den in Abschnitt II. enthaltenen Beitrag über „Grundrechtliche Organisations- Und Verfahrensgarantien (§ 18 von Reinhard Klaushofer), sondern der Autor Dietmar Jahnel zieht hier abschließend gewissermaßen nochmal alle Register, wenn er letztlich der Frage nachgeht, welche Einrichtungen im Verfassungsleben Österreichs – wenn wir es einmal so nennen wollen – dem Schutz und der Durchsetzung von Grundrechten gewidmet sind – beginnend mit der Frage, unter welchen beschränkenden Bedingungen überhaupt Änderungen der Grundrechtsverbürgungen in der Verfassung möglich sind und endend mit dem auch in Deutschland immer wieder thematisierten „Verhältnis zwischen den Grundrechtsgewährleistungen auf europäischer und nationaler Ebene“ (D.). Der Band schließt mit einem Dokumententeil, der mit dem Staatsgrundgesetz von 1867 beginnt und mit dem Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern vom 15. Februar 2011 endet. Wie wir wissen, kennt das österreichische Verfassungsgesetz nicht das Verbot der Verfassungsdurchbrechung wie das Grundgesetz. Deswegen kann dem Verfassungsgesetz nicht immer gleich angesehen werden, welche Verfassungsnormen gelten. Umso mehr ist es zu begrüßen, dass die Herausgeber die deutlichen Veränderungen der letzten Jahre zu einer Neuauflage ihres „Österreich-Bandes“ veranlasst haben. Die „Grundrechte in Österreich“ bilden sicherlich das wichtigste Referenzmodell zur deutschen Rechtslage.
Wer das Gesamtwerk vollständig beschaffen will, sollte die Neubearbeitung nicht missen.
Detlef Merten/ Hans-Jürgen Papier (Hrsg.)
Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Band VII/1, Grundrechte in Österreich
2. Auflage, Verlag C. F. Müller, Heidelberg, und Manz, Wien 2014
949 S., 198 Euro
ISBN 978-3-8114-4424-9