Zwei Lehrbücher, ein Arbeitsbuch, ein Praxishandbuch und ein Handkommentar im Test
Matthias Wiemers
Ein Klassiker des Arbeitsrechts ist das ursprünglich vom Altmeister der juristischen Lehrbücher überhaupt konzipierte „Arbeitsrecht“, das nunmehr unter den Verfasserangaben Brox/Rüthers/Hensler in 20. Auflage erschienen – ein Werk, das allmählich vom akademischem Großvater vom Sohn auf den Enkel übergegangen ist (Martin Henssler ist freilich auch schon 68).
Der Band umfasst das gesamte Arbeitsrecht in 15 Kapiteln, einschließlich Anleitungen zur Anfertigung arbeitsrechtlicher Prüfungsarbeiten im Schlusskapitel. Nach einem Überblick im Eingangskapitel werden das Arbeitsverhältnis (Kap. 2), seine rechtlichen Grundlagen (Kap. 3) und die Begründung des Arbeitsverhältnisses (3) behandelt. Die Pflichten von Arbeitnehmer (4) und Arbeitgeber (5) sowie die Folgen unverschuldeter Arbeitsausfälle (6) bilden weitere Kapitel. Mit einem ausführlichen Kapitel über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses (7) endet der individualrechtliche Teil des Bands – ohne dass hier eine eindeutige Zäsur markiert würde. Im kollektivrechtlichen Teil finden sich Kapitel über das Koalitionsrecht (8), das Tarifvertragsrecht (9), das Arbeitskampfrecht (10) und die betriebliche Mitbestimmung (11) und Unternehmensmitbestimmung (12). Besonders hervorzuheben ist Kapitel 13 über die Digitalisierung der Arbeitswelt, worin besondere Erwerbsforen („Crowdwork“) und die Entgrenzung von Arbeitszeit und Arbeitsort behandelt werden. Das vorletzte Kapitel behandelt die Arbeitsgerichtsbarkeit (14).
Der Band ist mit kleinen Fällen durchzogen, weist aber kein besonders übersichtliches Schriftbild auf. Das Arbeitsrecht wird auf der anderen Seite allerdings vollständig behandelt. Wer damit zurechtkommt, braucht keinen zweiten Band zu beschaffen.
Hans Brox/ Martin Henssler, Arbeitsrecht, 20. Auflage, W. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2020, 458 S., 28 Euro (ISBN 978-3-17-035533-0)
Als ungewöhnlich erscheint die Titelgebung des Lehrbuchs des Ehepaars Kai-Thorsten und Kathrin Zwecker, die beide an der Hochschule Neu-Ulm tätig sind: „Wirtschaftsrecht an Hochschulen“. Der Untertitel lautet „ein vorlesungsbegleitendes Arbeitsbuch“. Zu diesem bereits 2017 erschienenen Band lässt sich sagen, dass es vollständig einen sinnvollen Inhalt einer Vorlesung im Wirtschaftsrecht widergibt, die man inhaltlich durchaus als zutreffend gewichtet bezeichnen kann. Die mittlerweile unzähligen Lehrangebote zum Wirtschaftsrecht an den öffentlichen und privaten Fachhochschulen können nicht immer auf ein passendes begleitendes Lehrbuch zurückgreifen. Oft wird das rechte Maß dessen, was überhaupt im Rahmen einer Vorlesung überhaupt vermittelt werden kann, beachtet. Andererseits zeigt die Erfahrung, dass im allgemeinen die Neigung, Bücher selbst zu beschaffen, schon bei Universitätsstudenten deutlich abgenommen hat (mit Ausnahme natürlich der Leser von „justament“). Zwecker/Zwecker, die im Arbeitsrecht noch von einer Anwältin als Autorin unterstützt werden, bringen das, was man unbedingt wissen sollte – weswegen eine gelegentlich Neuauflage wünschenswert wäre. Besonders hinzuweisen ist hier auf den zehnten und letzten Teil des Bandes, der eine Lernkontrolle bietet, anhand derer sich der Nutzer überprüfen kann und wo er auf die entsprechenden Stellen im Buch verweisen wird, worin er die Lösungen zu den aufgeworfenen Fragen findet.
Kai-Thorsen Zwecker/ Kathrin Zwecker, Wirtschaftsrecht an Hochschulen. Ein vorlesungsbegleitendes Arbeitsbuch, Verlag W. Kohlhammer, 294 S., 29 Euro (ISBN 978-3-17-032133-5)
Ein Blick vom Wirtschaftsrecht zum Arztstrafrecht führt zur zweiten Auflage des Lehrbuchs „Arztstrafrecht“ von Erik Kraatz aus dem Jahre 2018. Der Autor deutet bereits im Vorwort an, was inzwischen erfolgt ist, nämlich dass die vor wenigen Jahren erfolgte Neufassung des § 2017 die Diskussionen um diese Vorschrift nicht beenden würde.
Der Band ist in Teile und Paragraphen unterteilt. Die Einführung enthält dabei Abschnitte über „Begriff, Bedeutung und Rechtsquellen des Arztstrafrechts“ (§ 1) und über die „Rechtsverhältnisse eines Arztes“ (§ 2). Dabei ist § 2 wörtlich zu verstehen, der Leser wird also erst einmal in sämtliche Rechtsverhältnisse eingeführt, in denen ein Arzt steht, nicht nur in die strafrechtlichen. „Die einzelnen Teilbereiche des Arztstrafrechts“ sind vielmehr dem zweiten Teil vorbehalten. Als Themen werden hier behandelt: Heileingriffe als vorsätzliche (§ 3) und fahrlässige (§ 4) Körperverletzung bzw. fahrlässige Tötung (§ 4), Behandlungsverweigerung (§ 5), Sterbehilfe (§ 6), „Strafbare Organ- und Gewebetransplantation“ (§ 7), „Schutz des ungeborenen Lebens“ (§ 8), „Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht“ (§ 9), „Ausstellung Gebrauchen unrichtiger Gesundheitszeugnisse“ (§ 10). Beim „Abrechnungsbetrug“ (§ 11) denkt man vielleicht an die Corona-Pandemie, die viele Akteure im Gesundheitswesen in Bedrängnis gebracht hat, während die „Korruption im Gesundheitswesen“ (§ 12) ein derartiges Dauerthema in der gesundheitspolitischen Debatte, dass es hier in der 18. Wahlperiode des Bundestages zu einer Rechtsänderung gekommen ist, die Kraatz bereits eingearbeitet hat. Teil zwei schließt mit einem Abschnitt über „nebenstrafrechtliche Bereiche“ (§ 13), worin einige Vorschriften des Nebenstrafrechts aus dem Gesundheitsrecht präsentiert werden. Der dritte Teil beinhaltet die Darstellung von „Sanktionen“, wobei „strafrechtliche Sanktionen“ (§ 14) von „außerstrafrechtlichen Sanktionen“ (§ 15) geschieden sind. Insgesamt lebt der Band davon, dass er sich nicht auf das Strafrecht beschränkt, sondern dieses sinnvoll ergänzt.
Das Buch könnte gewiss in absehbarer Zeit wieder einmal neu aufgelegt werden, ist aber ein Unikat und deshalb für (angehende) Arztrechtler unverzichtbar.
Erik Kraatz, Arztstrafrecht, 2. überarbeitete Auflage, W. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2018, 294 S., 32 Euro (ISBN 978-3-17-032894-5)
Hier ist bereits 2018 im Heidelberger medhochzwei Verlag das „Praxishandbuch Pflegerecht“ erschienen, das ebenfalls ein Unikat darstellt. Autoren sind hier der Diplom Pflegewirt Thorsten Müller und der Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Jan Schabbeck, also gewissermaßen ein „Dreamteam“, um ein solches Thema zu bewältigen.
Im ersten Kapitel erhalten wir eine kompakte Darstellung des für das praktisch tätige Pflegefachpersonal anzuwendende Arbeitsrecht, angereichert mit Beispielen auf 150 Seiten.
Im zweiten Kapitel geht es um „Haftung“. Hierbei wird, nachdem die Unterscheide zwischen Zivilrecht und Strafrecht dargestellt wurden, das zivilrechtliche Haftungsrecht und das Strafrecht im Grundsatz dargestellt, einschließlich der einzubeziehenden Akteure. Dieses Kapitel erscheint insgesamt als zu knapp, zumal im darauffolgenden Kapitel dann „die einzelnen Straftatbestände“ noch einmal gesondert dargestellt werden. Hier hätte es sich angeboten, allgemein von einer „Verantwortung in der Pflege“ zu sprechen und dann Zivil- und Strafrecht sauber zu trennen. Dies gilt auch für das Kapitel III, wo dann wiederum Strafrecht und Datenschutzrecht miteinander vermischt werden.
Im Kapitel IV geht es um das Medizinproduktegesetz, das in angemessenem Umfang abgehandelt wird; gleiches gilt für die „Arzneimittel“ im Kapitel V.
„Abrechnung im Gesundheitswesen“ ist der globale Titel des Kapitels VII, das in häusliche Pflege und stationäre geschieden ist und durch Abschnitte über die Pflegebuchführungsverordnung und „Abrechnungen im Krankenhaus“ sowie die Darstellung weiterer Abrechnungssysteme ergänzt wird.
Stark praxisorientiert ist das siebte Kapitel über „Kooperationen“, worin es vor allem um die verschiedenen Formen des Entlassmanagements von Patienten geht.
Schön ist das knappe Kapitel über „Pflegekammern“ (VIII). Denn wenn sich dieses Organsiationsmodell weiter durchsetzen soll, gehört es unbedingt in einschlägige Darstellungen zum Pflegerecht hinein. In diesem Kapitel wird auch das Pflegeberufegesetz dargestellt, das bekanntlich erst im vergangenen Jahr in Kraft getreten ist.
Im neunten Kapitel sprechen die Autoren „Ein Wort zu Versicherungen“ (IX), was zur Praxis in der Pflege unbedingt dazugehört. Die Krönung, weil das größte Entwicklungspotential für Pflegeberufe aufweisend, präsentieren die Autoren im letzten Kapitel: „Delegation ärztlicher Leistungen – Einleitung“. Zwar versteht man nicht unbedingt, in was hier eingeleitet werden soll, denn die Autoren geben hier einen ganz guten Überblick üb der das Thema, dessen sich der jüngste Reformgesetzgeber des Jahres 2021 erneut angenommen hat.
Fazit: Dieses Praxishandbuch ist genau der richtige Ansatz, allerdings bedarf es der weiteren Systematisierung und Ergänzung. Wenn es bei Neuauflagen dennoch von Umfang und Preis „überschaubar“ bleibt, steht ihm ein riesiges Marktpotential offen.
Thorsten Müller/ Jan P. Schabbeck, Praxishandbuch Pflegerecht, medhochzwei Verlag, Heidelberg 2018, 446 S., 59,99 Euro (ISBN 978-3-86216-461-5)
Schließlich wollen wir unsere Betrachtungen mit einem Thema beenden, an dem namentlich im Sozial- und Gesundheitswesen niemand mehr vorbeikommt: dem Datenschutz.
Unter der Herausgabe von Utz Krahmer ist im Jahr 2020 erstmals im Nomos Verlag die nunmehr schon vierte Auflage eines Kommentars zum Sozialdatenschutzrecht erschienen. Der Untertitel des Bandes lautet „Persönlichkeitsschutz nach SGB I/ SGB X / DS-GVO.
Krahmer, Professor an der FH Düsseldorf, wird von insgesamt zehn Hochschullehrern und Praktikern bei seiner Kommentierung unterstützt. Diese Kommentierung ist dadurch gekennzeichnet, dass zunächst das Sozialgeheimnis nach § 35 SGB I kommentiert wird und sodann alle Vorschriften der §§ 67 ff. SGB X. Die thematisch einschlägigen Vorschriften der prinzipiell vorrangigen Datenschutz-Grundverordnung werden an den richtigen Stellen der Kommentierung des SGB X mit abgedruckt und sodann wird „vor Ort“ diskutiert, welchen Einfluss sie auf die Auslegung des Sozialgesetzbuchs haben. Da die DSGVO knapp 100 „Öffnungsklauseln“ für einzelstaatliche Regelungen enthält wird, wie die Autoren schon in der Einführung im Ergebnis andeuten, das Verhältnis beider Regelungsebenen noch weiter umstritten bleiben. Hat der Kommentar, der zur Zeit einmalig auf dem Markt ist, nun schon dreimal den Verlag gewechselt, so lässt sich hoffen, dass er nunmehr bei Nomos seinen „Bestimmungshafen“ gefunden hat. Die Praxis braucht so ein handliches Erläuterungswerk, weil sich gerade im Datenschutz nicht jede Vorschrift aus sich heraus erschließt.
Utz Krahmer (Hrsg.), Sozialdatenschutzrecht. Handkommentar, 4. Aufl., Nomos Verlag, Baden Baden 2020, 488 S., 79 Euro (ISBN 978-3-8487-3056-8)