Der Bikini. Eine Urlaubsgeschichte

Geheime Aufzeichnungen eines Volljuristen

Liebes Tagebuch,

nach einem erfrischenden Bad in der Ostsee hatte meine Frau ihren noch nassen Bikini in unser Handtuch eingewickelt, damit die anderen Sachen in meinem Rucksack nicht nass werden sollten. Dann fuhren wir mit dem Bus zurück zu unserer Urlaubs-Unterkunft und stiegen die vielen Treppen hinauf bis zu unserer Wohnung im obersten Geschoss. Dort bat mich meine Frau sogleich darum, das Handtuch auf dem Balkon kräftig auszuschütteln, um so den Sand vom Strand loszuwerden. Das tat ich dann und hatte leider nicht an den im Handtuch eingewickelten Bikini gedacht, sodass ich mit dem Sand aus dem Handtuch zugleich auch den Bikini meiner Frau schwungvoll herausschüttelte. Zumindest hatte ich etwas aus dem Handtuch herausrutschen und in die Tiefe fallen sehen. Ich beugte mich also über die Balkonbrüstung und hielt Ausschau nach den beiden abgestürzten Bikini-Teilen. In den Baumkronen hingen sie schon mal nicht, auch nicht in den großen Büschen unten im Innenhof. Auf den Brüstungen unter und schräg unter unserem Balkon konnte ich ebenfalls nichts entdecken. Als ich meiner Frau den Verlust beichtete, machte sie mir bittere Vorwürfe. Das sei ihr Lieblins-Bikini gewesen, und ich solle sofort nach unten gehen und ihn suchen. Das tat ich dann, doch leider ohne Erfolg. Ich kämpfte mich durch dicht stehende Büsche, hielt Ausschau auf den umliegenden Rasenflächen, blickte hinauf zu den infrage kommenden Balkonbrüstungen. Aber nirgendwo erspähte ich den Bikini. Nachdem ich dies meiner Frau berichtet hatte, stieg sie selbst noch einmal die vielen Treppenstufen hinab in den Innenhof und durchsuchte dort eigenhändig alles gründlich – ebenfalls ohne Erfolg.

Die Bikiniteile konnten sich doch nicht in Luft aufgelöst haben! Sie mussten also – unsichtbar für uns – auf einem Balkon gelandet sein, vielleicht ja auch auf zwei verschiedenen. Ich schlug daher vor, in allen Wohnungen unter und schräg unter unserer zu klingeln und dort nach den Bikini-Teilen zu fragen. Wir hätten also an bis zu 12 Türen klingeln müssen. Meiner Frau war das peinlich. Sie wollte das nicht mitmachen. Ich sollte lieber alleine überall klingeln, da ich ja schließlich auch die alleinige Schuld am Verlust ihres geliebten Bikinis trüge. Doch das wäre dann wiederum mir ausgesprochen peinlich gewesen, denn dann hätte ich ja womöglich auf unsere Nachbarn wie ein Unterwäsche-Fetischist gewirkt. Also entschlossen wir uns notgedrungen, auf die Klingel-Aktion zu verzichten. Auch meine Idee, unten im Haus einen Zettel ans Schwarze Brett zu hängen, fand meine Frau nicht gut. Ich sollte ihr dann doch lieber einen neuen Bikini kaufen. Oje, dachte ich, auch das noch! Was das wohl wieder kostet?! Hastig tippte ich auf der KI-Seite in meinem Laptop die Frage ein, wo es denn hier in Rostock kostengünstige Bikinis zu kaufen gäbe. Der erste Treffer war: bei KiK. Aber dahin wollte meine Frau auf keinen Fall. Wenn schon, dann sollte es ein besonders schöner Bikini sein, nicht irgend so ein Billig-Teil. Ich hegte schon die schlimmsten preislichen Befürchtungen… Und schließlich besaß sie doch bereits mehrere weitere Bikinis. Aber die lagen alle zu Hause in Berlin, und hier in Rostock hatte sie nach dem besagten Verlust nun leider keinen mehr.

Um am nächsten Tag wieder baden gehen zu können, musste also schnellstmöglich ein neuer Bikini her. Wir stiegen daher ein weiteres Mal die Treppen hinab, um die nächste Straßenbahn in die Innenstadt zu nehmen. Doch welche Überraschung: Auf der Treppe lag… leider nicht der ganze Bikini, aber doch immerhin das Unterteil von ihm. Das hatte offenbar der Nachbar dort abgelegt, auf dessen Balkon es gelandet war. Aber wo war dann das Oberteil abgeblieben?! Sollten wir nicht doch noch etwas warten, ob es sich vielleicht wieder anfinden würde? Und könnte meine Frau denn nicht eventuell… ausnahmsweise… wenigstens vorübergehend… oben ohne ins Wasser gehen? Nein, nichts da. Sie wollte sofort einen neuen Bikini. Der Laden in der Kröpeliner Straße, wo es außer bei KiK auch noch günstige Bikinis geben sollte, hatte leider schon geschlossen. Gegenüber sahen wir einen „TK Maxx“, der hatte noch geöffnet. Da gingen wir dann rein und sahen dort gleich vorne die Bikinis hängen. Als erstes hatte ich einen in der Hand, der farblich sehr an den verlorenen meiner Frau erinnerte. Oh, der ist aber schön, sagte meine Frau sogleich. Und von Tommy Hilfiger! Tolle Marke, aber bestimmt sehr teuer! Doch was war das? Es war ja nur ein Oberteil ohne Unterteil. Und dann sahen wir das Preisschild, schon mindestens viermal überklebt. Da stand: Sonderpreis 2,50 Euro. Auch die Größe stimmte. Das war nun also das Happy End unserer Bikini-Geschichte. Das verlorene Oberteil ist auch später nicht mehr aufgetaucht, aber wir hatten ja nun erstklassigen Ersatz und konnten uns wieder unbeschwert in die Fluten stürzen.

Dein Johannes

Veröffentlicht von on Juli 21st, 2025 und gespeichert unter JOHANNES, LIEBES TAGEBUCH. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

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