Feucht-fröhlicher Radaubruder

Scheiben Spezial: Zum Tod des großen Folkpunk-Pioniers Shane MacGowan

Thomas Claer

Es lag ja damals, Mitte der Achtziger, ja schon seit längerem in der Luft, dass auch einmal so etwas wie Folk-Punk entstehen könnte. Beinahe seit es Rockmusik gab, gab es auch schon folkloristischen Rock. Doch dass es dabei lauter, härter und schräger zur Sache ging, das blieb zunächst die Ausnahme, etwa hierzulande auf Achim Reichels rockigen Seemannslied-Platten “Dat Shanty Alb`m” (1976) und “Klabautermann” (1977). Erst knapp ein Jahrzehnt später vollzog sich dann die längst überfällige Fusion aus anarchischem (Post-)Punk und traditioneller Folklore, als der laute, harte und schräge Folkrock auch noch schnell wurde und von wilden Pogotänzen seiner Fans begleitet wurde. Der Prototyp dieser Richtung war die irische Sauf-Combo “The Pogues” mit ihrem charismatischen Sänger und Songwriter Shane MacGowan (1957-2023). Ihre ersten beiden Platten “Red Roses for me” (1984) und “Rum, Sodomy and the Lash” (1985) galten in der aufgewühlten Londoner Indie-Szene zunächst noch als Geheimtipps. Der kommerzielle Durchbruch gelang ihnen dann erst mit dem ebenso famosen dritten Album “If I Should Fall from Grace with God” (1988). Bemerkenswerterweise finden sich darauf nicht mehr nur Volksweisen und Eigenkompositionen irischer Provenienz, sondern mit “Fiesta” auch ein spanische Folklore adaptierendes Lied und noch dazu sogar ein orientalisch anmutender “Turkish Song of the Damned”. Natürlich war das alles ganz großartig. Man kann wohl sagen, dass es keinen besseren und überzeugenderen Folkpunk in der Welt gibt als auf diesen drei frühen Platten der Pogues.

Doch so ungestüm und unbeschwert konnte es natürlich nicht weitergehen. Mit zunehmendem Ruhm der Band wurden ihre weiteren Platten zusehends schwächer und der Alkoholismus insbesondere ihres Frontmanns Shane MacGowan immer virulenter. Schließlich ging es bei ihm nicht mehr – und ihre letzten beiden Platten “Waiting for Herb” (1993) und Pogue Mahone” (1995) machte die Band dann notgedrungen ohne ihn. Bald darauf fielen die Pogues auseinander. Doch nur, um 2001 mit einem triumphalen Wiedervereinigungskonzert mitsamt dem vorläufig genesenen Shane MacGowan am Mikrophon wieder aufzuerstehen. Fortan tourten sie mit dem grandiosen Repertoire ihrer frühen Jahre munter um die Welt und unterließen es klugerweise, noch weitere Tonträger mit etwaigem neuem Material zu veröffentlichen. Erst 2014 war dann endgültig Schluss, als mehrere Bandmitglieder gesundheitlich nicht mehr zur Fortsetzung ihrer Musikerkarrieren in der Lage waren. Shane MacGowan war dann auch noch einige Jahre lang drogensüchtig, was ausgerechnet seine Nachbarin und Musikerkollegin Sinead O’Connor (1966-2023) publik gemacht hatte, die ihm in einer Art Hassliebe bis zu ihrem Lebensende eng verbunden geblieben ist. Nur wenige Monate nach seiner suizidalen Freundfeindin hat am letzten Novembertag dieses Jahres nun auch Shane MacGowan das Zeitliche gesegnet. Er wurde 65 Jahre alt, was gemessen an seinem Lebensstil als durchaus beachtlich angesehen werden kann.

Veröffentlicht von on Dez 11th, 2023 und gespeichert unter SCHEIBEN VOR GERICHT. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

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