Das Lehr- und Praktikerbuch „Immobilienmärkte und Immobilienbewertung“ in 2. Auflage
Thomas Claer
Der Trend geht ganz klar zur Immobilie. Zwar nicht gerade zu Omas klein‘ Häuschen auf dem Lande, das von Jahr zu Jahr immer unverkäuflicher wird, aber doch jedenfalls zur gediegenen Altbau- oder luxuriösen Neubauwohnung in den gefragten Innenstadtlagen unserer Großstädte. Und je deutlicher sich angesichts von Schuldenkrise und Geldflutungen der Notenbanken für die nächsten Jahre ein inflationäres Szenario abzeichnet, desto emsiger greifen diejenigen zu, die ihre Ersparnisse noch schnell in den vermeintlich sicheren Hafen des Betongoldes steuern wollen – und sei es auf Pump, denn die Inflation frisst ja auch die Schulden. Doch was darf oder sollte eine Wohnung kosten? Wann ist sie ein gutes Investment? Ein Sammelband mit 14 Aufsätzen ausgewiesener akademischer Immobilien-Spezialisten nähert sich dem Thema von verschiedenen Seiten. Und der interessierte Laie, sofern er sich von den komplizierten Ausführungen zum „Discounted Cashflow-Verfahren“, den „Hedonischen Modellen“ und zur „bilanziellen Behandlung von Immobilienvermögen nach HGB und IFRS/IAS“ nicht abschrecken lässt, gewinnt schnell einen vielschichtigen Einblick in die Welt der Immobilienbewertung. Vor allem aber findet er Informationen, die so manchem intuitiven Freund der „sicheren“ Immobilien-Anlage zu denken geben dürften. So wird etwa die populäre Annahme, dass Immobilienanlagen gegenüber Aktien vergleichsweise risikoarm seien, als „kollektiver Irrtum“ entlarvt: „Tatsächlich werden die kurz- und mittelfristigen Preisschwankungen der Immobilie nur deshalb nicht bemerkt, weil keine Markttransaktionen stattfinden.“ (S.404) Auch lässt die Rentabilität des Betongoldes nur allzu oft zu wünschen übrig. So erreichten die von institutionellen Anlegern in Deutschland gehaltenen Immobilien in den letzten 12 Jahren eine Durchschnittsrendite von gerade einmal 3,4 Prozent p.a., wobei der Mietrendite von 5,5 Prozent ein jährlicher Wertverlust durch Abnutzung der Gebäude von 2 Prozent gegenüberstand. So ist man fast geneigt, Vermieter für Idealisten zu halten, denn manches Tagesgeldkonto warf und wirft ähnlich viel bzw. wenig ab. Doch lagen in den meisten anderen europäischen Ländern wie auch in den USA, Australien und vielen Regionen Asiens die Renditen direkter Immobilienanlagen in der Vergangenheit weitaus höher, was vor allem auf beträchtliche Wertsteigerungen, aber auch auf eine kontinuierlichen Steigerung der Mieterträge zurückzuführen ist. In dem Kapitel über Preisblasen auf Wohnimmobilienmärkten kommen die Verfasser u.a. zur Schlussfolgerung, dass in der Schweiz, Deutschland und Japan – folgt man bestimmten Bewertungsmodellen – vermutlich eine „negative Preisblase“, also eine extreme Unterbewertung vorliegt (S.193).
Was ist also zu tun? Wer eine Immobilie zur Eigennutzung erwerben will, weil er die Miete sparen und gleichzeitig sein Geld vor der Inflation schützen möchte, der handelt durchaus rational, sofern er drei Dinge beachtet: Er sollte erstens über genügend Eigenkapital verfügen, denn trotz historisch niedriger Zinsen lohnt sich ein Darlehen ab einer bestimmten Kredithöhe in der Regel nicht mehr (ganz zu schweigen vom damit einhergehenden Risiko). Zweitens sollte er nur in aussichtsreichen Lagen kaufen, da alles andere einer Kapitalvernichtung gleichkäme. Und drittens sollte der Preis nach den üblichen Bewertungsmodellen (v.a. der Peis-/Mietrelation) noch nicht die Bodenhaftung verloren haben. Wer aber eine Immobilie als reine Geldanlage ganz oder überwiegend auf Pump erwirbt, wird voraussichtlich negative Renditen erzielen. Und wer mit indirekten Immobilienanlagen, etwa Fonds liebäugelt, sollte es lieber bleiben lassen, denn hier drohen nur allzu oft kapitale Verluste.
Hans-Hermann Francke / Heinz Rehkugler (Hrsg.)
Immobilienmärkte und Immobilienbewertung
2. Auflage Verlag Franz Vahlen München 2011
483 Seiten, EUR 49,80
ISBN: 978-3-8006-3808-6