Das Bundesverfassungsgericht zeigt oft nur die Zähne

„Die Staatstheorie des Bundesverfassungsgerichts und Europa“ von Robert van Ooyen in 4.Auflage

Matthias Wiemers

lit-van-ooyen-coverRobert van Ooyen ist ein Integrationist. Diese rechtspolitische Einschätzung vorausgeschickt, soll auf ein vorzüglichs Buch zur Analyse der Rechtsprechung des BVerfG zur Integration Deutschlands in die Europäische Gemeinschaft bzw. Europäische Union hingewiesen werden. Inzwischen in vierter Auflage erschienen, bietet der Band eine Analyse der wohl wichtigsten Entscheidungen des BVerfG mit Europabezug: „Solange“ I und II, „Maastricht“, „Görgülü“, „EU-Haftbefehl“, „Lissabon“ sowie „Vorratsdatenspeicherung“und „Mangold/Honeywell“.

Daneben gibt es diverse Einschübe: Es wird die Entscheidung zum Ausländerwahlrecht (1990) analysiert wie auch das berühmte Hermann Heller-Zitat im Maastricht-Urteil, wo nach Meinung vieler – auch van Ooyens (S. 37) – zwar Heller zitiert, aber Carl Schmitt gemeint war.

Ein dritter Einschub schließlich betrifft „das Staats- und Europaverständnis ausgewählter Verfassungsrichter“, worunter der Autor auf Ernst-Wolfgang Böckenförde und Paul Kirchhof eingeht. Insgesamt werden wichtige Entwicklungslinien der Rechtsprechung erörtert, die ihre letzte Wendung in den Entscheidungen zur Vorratsdatenspeicherung und „Mangold/Honeywell“ genommen hat, mit denen das BVerfG offensichtlich wieder etwas von seiner Positionsbestimmung im Lissabon-Urteil abgerückt ist. Die zitierten und weitere Entscheidungen werden schließlich in einem Anhang in Auszügen präsentiert.

Man muss nicht der anfangs zitierten Grundposition des Autors anhängen. Die Analyse der Rechtsprechungsentwicklung zeigt – neben sicherlich noch ergänzbaren Erkenntnissen zu den europarechtlichen Grundauffassungen der maßgeblichen Richter – vor allem die Position des Bundesverfassungsgerichts im politischen Prozess: In grundlegenden Fragen der europäischen Integration ist das Gericht fast zwangsläufig auf das von van Ooyen so genannte „Ja, aber“ (S. 109) angewiesen. Es kann kaum mehr als Zähne integrationspolitischer Grenzen zeigen – zubeißen kann es nicht. Fazit: Lesenswert.

Robert Chr. van Ooyen
Die Staatstheorie des Bundesverfassungsgerichts und Europa
4. Aufl., Nomos Verlag, Baden Baden 2011
236 S., 29 Euro
ISBN 9783832968816

Veröffentlicht von on Jun 18th, 2012 und gespeichert unter BESPRECHUNGEN, LITERATUR. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

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