Die „graue Eminenz“ feiert Jubiläum

Der Palandt wird 75

Patrick Mensel

PalandtImmer, wenn sich ein Jubiläum in der Fachbücherwelt ereignet, blicken Autorenschaft, Verlagsmitarbeiter und wohl auch die meiste Leserschaft stolz und interessiert in die Vergangenheit. Dabei ist es gerade beim Palandt äußerst aufschlussreich, seine lange und wendevolle Geschichte zu betrachten. Im Jahr 1939 erschien die erste Auflage. Fünf weitere folgten bis ins Jahr 1944. Die Nachkriegswirren führten zu einer Pause, die 1949 durch die siebte Auflage durchbrochen wurde. Die Reihe „Becksche Kurz Kommentare“, in der der Palandt erschien, wurde von Baumbach begründet und avancierte in der jungen Bundesrepublik zur erfolgreichen Kommentar-Art. Dass der Palandt eine Institution in der Zivilrechtskommentierung darstellt, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass in über 75 Jahren nur 19 Autoren für den Palandt tätig wurden – einige darunter über 40 Auflagen hinweg.

Man stelle sich den anwaltlichen oder richterlichen Alltag ohne diesen unumstrittenen Standardkommentar vor. Wissenschaftliche Streitstände werden präzise, aber knapp behandelt, so dass eine problemorientierte Kommentierung schnelles Fortkommen garantiert. Ohnehin sind Randprobleme oder abseitigere Konstellationen besser in den Literaturverweisen verortet. Wer im Palandt einen „reinen“ BGB-Kommentar sieht, der irrt. Relevante Nebengesetze wie das Wohnungseigentumsgesetz, das Produkthaftungsgesetz, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz oder das Unterlassungsklagengesetz finden selbstredend ebenfalls Beachtung.
Zudem sei immer wieder darauf hingewiesen, dass der Palandt für das zweite Staatsexamen als Hilfsmittel zugelassen ist. Wer erst an diesem Zeitpunkt auf die vielzitierte Abkürzungssprache trifft, dem wird die Eingewöhnung deutlich schwerer fallen als den Referendaren, die bereits in der Studienzeit im Rahmen ihrer ersten Zivilrechtshausarbeit Bekanntschaft mit dem Palandt gemacht haben. Wer schon oft mit ihm gearbeitet hat, wird die Sprache der Kommentierung sogar zu schätzen lernen.

Besondere Aufmerksamkeit sollte auch noch der Festschrift widerfahren, die der 75. Auflage aus Jubiläumsanlass beigelegt ist. In ihr sind Aufsätze von Palandt-Lesern,
-autoren und Mitarbeitern des C.H. Beck Verlages veröffentlicht. Die Aufsätze enthalten Anekdoten und viel Erhellendes. Sei es Erklärungen um die Erstellung des Werkes oder das Problem mit der Arbeit, die Termine zu den jährlichen Auflagen auch immer zu erfüllen: Der Leser wird viel Neues erfahren, was ihm sonst nie zu Ohren gekommen wäre. Besonders der Beitrag Karsten Schmidts „Ein Leben mit dem Palandt?“ wird für viel Lachen sorgen. Wer sich für den Druck des Palandts interessiert, dem sei der Beitrag des Verlagsmitarbeiters Erich Seitz ans Herz gelegt. Ausgehend vom Bleisatz über das Monotype-System, das aus dem Jahr 1920 stammt, bis hin zur digitalisierten Welt mit den Annehmlichkeiten eines Überarbeitungsmodus in der Textbearbeitungssoftware sollten Druckinteressierte ausführliche Antworten auf ihre Fragen erhalten. Auch Spraus „Palandt A-Z. Aus dem Wörterbuch eines Palandt-Autors und /oder: Was sie schon immer über den Palandt wissen wollten, aber nicht fragen konnten“ sei nachdrücklich empfohlen. Dabei werden unter anderem sowohl die berühmte Abkürzungssprache des Palandts als auch eine im Raum stehende Online-Ausgabe thematisiert. Gerade letzteres Thema ist natürlich für alle Bücher unserer Zeit relevant. Aber gerade auch Fachbücher können sich nur schlecht einer „drohenden“ Digitalisierung erwehren. Die Palandt-Konferenz steht einer Online-Ausgabe kritisch gegenüber. Maßgebender Faktor ist die eben erwähnte Abkürzungssprache. Sie ist gerade deshalb gewählt worden, um den Palandt schlank zu halten; ein einbändiger Kommentar muss natürlich penibel auf seinen Umfang achten. In Kombination mit den prägnant kurzen, aber dennoch ausführlichen Kommentierungen fürchten die Autoren, dass eine Online-Ausgabe den Charakterzug des Palandts auf Dauer beenden wird. Wozu die Abkürzungen, wenn der digitale Speicherplatz „kein“ Ende kennt? Warum sollten viele Kommentierungen nicht auch länger ausfallen? All das ist online leicht umsetzbar, nur würde es die Buchform auf kurz oder lang für immer verdrängen. Zwei verschiedene Versionen eines Kommentares anzufertigen (digital und analog) wird wohl nur äußerst schwer zu bewerkstelligen sein.

Otto Palandt
Bürgerliches Gesetzbuch: BGB
C.H.BECK
2016, 75. Auflage, München, 3212 Seiten, 109,00 €
ISBN 978-3-406-68000-7

Veröffentlicht von on Apr. 18th, 2016 und gespeichert unter BESPRECHUNGEN, LITERATUR. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

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