Zwischen Coup und Preiswunder

Der Beck-Verlag bringt erstmals ein „Besonderes Verwaltungsrecht“ heraus

Matthias Wiemers

Das hier vorzustellende Werk ist das erste „Große Lehrbuch, das der Beck-Verlag zum Besonderen Verwaltungsrecht herausbringt, und wenn man die Namen der handelnden Akteure liest, reibt man sich die Augen: da war doch was. Und richtig, Friedrich Schoch, Ordinarius in Freiburg, hatte im Jahre 2013 im de Gruyter Verlag erstmals das dortige Besondere Verwaltungsrecht in 15. Auflage allein herausgegeben, das zuvor unter der (Mit-)Herausgeberschaft von Eberhard Schmidt-Aßmann gestanden hatte und das eigentlich im Ursprung einmal unter der Herausgeberschaft Ingo von Münchs im Bad Homburger Verlag Gehlen erschienen war. Das als Papierausgabe vergriffene Werk soll bei de Gruyter heute noch als ebook für 49,95 Euro erhältlich sein; die beiden Printversionen, die freilich zugleich eine Online-Version und den Online-Zugang zu 6500 Entscheidungen enthielten, waren aber deutlich teurer.
Von den Autoren des Jahres 2013 haben den Verlagswechsel neben Schoch noch Martin Eifert (HU Berlin), Peter Michael Huber (LMU München), Hans Christian Röhl (Konstanz) und Schmidt-Aßmann „überstanden“. An ihre Seite treten mit Peter Axer (Heidelberg), Jens Kersten (LMU) und Sebastian Unger (Bochum) drei neue Autoren.
Anders als in früheren Ausgaben der 1970er und 80er-Jahre ist das Lehrbuch seit einiger Zeit auf heute sechs Kernthemen des Besonderen Verwaltungsrechts zusammengeschrumpft, wobei Schmidt-Aßmann auch diesmal wieder eine kleine Einleitung unter dem Titel „Besonderes Verwaltungsrecht. Zusammenwirken und Lerneffekte“ verfasst hat. Dieser Abschnitt trägt besonders zum Verständnis von Strukturen des Verwaltungsrechts bei, um die zu verdeutlichen Schmidt-Aßmann sich seit mehreren Jahrzehnten besonders engagiert hat.
Das erste Kapitel zum „Polizei- und Ordnungsrecht“ wird sodann von dem Herausgeber vorgetragen, der mit exakt 290 Seiten nicht nur das umfangreichste Kapitel, sondern ein vollständiges Lehrbuch bietet, das auch alle aktuellen Entwicklungen wie den Informationsaustausch zwischen Nachrichtendiensten und Polizei, den Datenschutz, das private Sicherheitsgewerbe sowie die „Europäisierung und Internationalisierung der Gefahrenabwehr“ (Abschnitt A. V.) einbezieht.
Hier wird bereits deutlich, dass es dem Herausgeber gelungen ist, die einzelnen Kapitel des Bandes miteinander zu verzahnen, weil das Polizei- und Ordnungsrecht in besonderer Weise etwa mit dem Kommunalrecht verbunden ist (s. etwa Rdnr. 801). Es werden aber auch rechtspolitische Debatten angesprochen, die nur zum Teil schon zu gesetzlichen Regelungen geführt haben, etwa die „Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte“ (Abschnitt B. IV).
Mit 125 Seiten fällt das Kommunalrecht von Röhl dann schon wesentlich knapper aus. Hier wird man zugeben müssen, dass einerseits das Kommunalrecht in seiner Bedeutung hinter dem Polizeirecht zurückbleibt und zum anderen die Unterschiede in den Landesrechten noch größer sind, so dass eine Konzentration auf Wesentliches angezeigt war.
Jens Kersten bringt es mit seinem „Baurecht“ als drittem Kapitel dann wieder auf genau 200 Seiten. Wir wissen, dass im Planungsrecht weitgehend Bundesrecht gilt und im Ordnungsrecht – ähnlich wie im Polizeirecht – mit der Musterbauordnung ein Mustergesetz existiert, an dem sich die einzelnen Länder weitgehend orientieren.
Bundesverfassungsrichter Peter-Michael Huber, der einst das Kapitel „Öffentliches Wirtschaftsrecht“ von seinem Lehrer Peter Badura übernommen hatte, teilt dies nun mit seinem Schüler Sebastian Unger. Das Kapitel (rund 130 S.) zeigt zu Beginn zwei Entwicklungsstränge auf, nämlich die politische Entwicklung von Wirtschaftsordnungsmodellen und die historischen Grundlagen des Öffentlichen Wirtschaftsrechts, um dann ins geltende Recht einzusteigen, beginnend mit den verfassungsrechtlichen „Maßgaben und Anforderungen“. Im Abschnitt über Wirtschaftsverwaltungsrecht fällt auf, dass nicht nur das Kammerrecht recht ausführlich dargestellt wird, sondern auch auf die Klausurrelevanz verwaltungsrechtlicher Streitigkeiten innerhalb der Kammern hingewiesen wird (Rdnr. 218). Der Beitrag kann die ganze Bandbreite des Wirtschaftsverwaltungsrechts nicht abbilden, gibt aber einen fundierten Überblick und wahrt dabei auch die tatsächliche Bedeutung der Einzelmaterien, wie dies leider in anderen Darstellungen nicht immer der Fall ist.
Martin Eifert stellt auf rund 115 Seiten das Umweltschutzrecht dar. Hier ist hervorzuheben die Darstellung des Umweltrechts als „Mehrebenensystem“, womit gerade in jüngster Zeit die deutsche Öffentlichkeit – Stichwort „Dieselskandal“ – wieder reale Bekanntschaft machen konnte.
Peter Axer, der mit dem öffentlichen Sachenrecht schon im Rahmen seiner Dissertation Bekanntschaft machen konnte, beschließt den Band auf knapp 60 Seiten mit dem „Straßenrecht“, das erfahrungsgemäß einen relativ hohen Stellenwert in beiden juristischen Staatsprüfungen hat und schon deshalb zu recht seinen Platz in diesem Großen Lehrbuch findet.
Am Ende unseres kleinen Überblicks bleibt nur die Frage, ob nun künftig auch noch der zuletzt von Ehlers und Pünder im Jahre 2015 herausgegebene Schwesterband zum Allgemeinen Verwaltungsrecht von de Gruyter zu Beck wandert. Beck müsste dann hierfür allerdings den bisher von dem legendären „Lehrbuch des Verwaltungsrechts. Band 1 Allgemeiner Teil“ aus der Feder Ernst Forsthoffs (10. Auflage 1973) besetzten Platz freigeben. Wir dürfen gespannt sein, ob dies erfolgen wird. Hatte doch der Verlag seinerzeit über viele Jahre den Platz des Besonderen Verwaltungsrechts explizit für Forsthoff freigehalten. Doch dieser schrieb mühsam und wenig und lieferte am Schluss nicht, wie sich etwa dem Briefwechsel Forsthoffs mit seinem Lehrer Carl Schmitt entnehmen läßt.

Besonderes Verwaltungsrecht, herausgegeben von Friedrich Schoch, Verlag C. H. Beck, 954 S., geb., 59 Euro (ISBN 978-3-406-72053-6)

Veröffentlicht von on Feb 25th, 2019 und gespeichert unter BESPRECHUNGEN, LITERATUR. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

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