Das im 16. Jahrhundert erstmals urkundlich erwähnte „Hotel Elephant“ in Weimar war auch ein Treffpunkt für Gespräche zwischen SED-Funktionären und Vertretern der katholischen Kirche – bei denen die DDR-Staatssicherheit fleißig mithörte
Benedikt Vallendar
Mag sein, dass Joachim Kardinal Meisner im persönlichen Umgang nicht immer zugänglich war, wie Zeitzeugen später behaupteten. Doch wenn es um die katholische Sache, um seine Gläubigen, Priester und Ordensleute ging, hat sich der 2017 verstorbene Kölner Erzbischof als Hirte kompromisslos für seine Herde eingesetzt und keine Scheu vor irdischen Mächten gehabt. Das wusste zu DDR-Zeiten auch die SED, die an Meisner als damaligem Chef der Berliner Bischofskonferenz nicht vorbeikam, zumal in Ostdeutschland zeitweilig knapp eine Million Katholiken lebten, als deren Oberhaupt der Kardinal fungierte. Ein beliebter Treffpunkt für seine inoffiziellen Gespräche mit SED-Vertretern, so verriet Meisner nach der Wende, war das berühmte „Hotel Elephant“ in Weimar, wo er sich gern in vermeintlich vertrauter Runde mit Funktionären, darunter dem für Kirchenfragen zuständigen Staatssekretär Klaus Gysi traf, dessen Sohn Gregor heute für die Linkspartei im Bundestag sitzt. Die Berliner Bischofskonferenz, der Meisner seit 1980 vorstand, war bis 1990 die Versammlung der römisch-katholischen Bischöfe der DDR und auf Druck der SED, die auch beim Vatikan um Anerkennung des ostdeutschen Teilstaates buhlte, entstanden. Der Berliner Bischof war zudem Mitglied der Deutschen Bischofskonferenz, wo er sich durch seinen West-Berliner Generalvikar vertreten ließ.
Das Hotel Elephant sei eine „Oase der Ruhe“ gewesen, sagte Meisner später, ohne damals zu ahnen, dass die DDR-Staatssicherheit in dem Haus eine rund um die Uhr arbeitende Abhöranlage installiert hatte, die nach der Friedlichen Revolution entdeckt wurde. 2018 erlebte das Hotel nach längerer Renovierungsphase seine Wiedereröffnung, wobei in jedem Zimmer rund 60.000 Euro Investitionskosten stecken. Im Jahr darauf war das Edelquartier Treffpunkt von Architekten, Künstlern und Kuratoren, die sich dort anlässlich des hundertsten Jahrestages der Bauhausgründung 1919 zum Diskutieren und Fachsimpeln versammelt hatten. „Auch jetzt finden hier regelmäßig Veranstaltungen zur Bauhaus-Geschichte statt“, sagt eine Dame an der Rezeption. Wer sich über die bahnbrechende Epoche der Architekturgeschichte informieren möchte, kann dies im nahe gelegenen Lesesaal tun, wo Bücher zum Thema frei zugänglich sind.
Kontakte nach Rom
Apropos Bücher. Weimar war dem kulturbeflissenen und aus Breslau stammenden Kardinal Meisner auch deshalb eine Herzenssache, weil sich von dort aus leicht Termine im bis heute bestehenden Erfurter Priesterseminar wahrnehmen ließen. Meisner führte, anders als andere Kirchenvertreter seines Ranges, gerne persönliche Gespräche mit den Priesteramtskandidaten seines Bistums. Das persönliche Sich-Kümmern um den Seelsorger-Nachwuchs war ihm immer ein wichtiges Anliegen, das der Kardinal höchst ungern delegierte.
Kein Anbiedern an die SED
Die Arbeitsteilung mit dem Kollegen in West-Berlin führte dazu, dass Meisner und sein Stab die Gespräche mit der SED führten und dabei wiederholt offen ihre Ablehnung gegenüber dem politischen System der DDR zum Ausdruck brachten, was nicht nur Akten der Staatssicherheit belegen. 2005 erinnerte sich in einem Gespräch mit dem „Rheinischen Merkur“ auch Günther Schabowski, ehemals SED-Politbüromitglied und SED-Bezirkschef von Berlin an diverse Treffen mit Meisner im Weimarer Elephanten. Dabei habe der Kardinal, so Schabowski im Nachhinein anerkennend, unerbittlich für die Rechte der Katholiken in der DDR gestritten und auch Menschenrechtsverletzungen zur Sprache gebracht. Dass Katholiken in der DDR weitaus weniger diskriminiert waren als Protestanten, in deren Gemeinden es traditionell auch immer um politische Themen ging und geht, ist ein wichtiges, historisches Verdienst Meisners und seiner Amtsvorgänger. Meisner habe sich, im Gegensatz zu manchem seiner protestantischen Amtsbrüder, die für ihren vorauseilenden Gehorsam gegenüber der Parteiobrigkeit bekannt waren, nie zu fragwürdigen Absprachen mit der SED-Diktatur hinreißen lassen, urteilte der Marburger Historiker Christian Stöber. Die Gespräche im „Hotel Elephant“, das seit 1955 zur Gruppe der noblen DDR-Interhotels gehörte, fanden daher in stets „distanzierter und kühler Atmosphäre“ statt, erinnerte sich später auch ein Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit, auf dessen Schreibtisch in Berlin-Lichtenberg regelmäßig die Bänder mit den in Weimar aufgezeichneten Gesprächen landeten. Der Hauptabteilung XX/4 seines Ministeriums war es gelungen, mit dem 2006 verstorbenen Prälaten Paul Dissemond einen Gesprächspartner zu finden, der sein von Meisner übertragenes „Mandat äußerst großzügig ausgelegt“ habe, wie es der FAZ-Publizist Daniel Deckers später in einem Buch formulierte. Auch Dissemond fuhr wiederholt nach Weimar zu Treffen mit der DDR-Staatssicherheit, die ihn – nach eigenen Angaben ohne sein Wissen – als inoffiziellen Mitarbeiter (IM) führte.
Die Suite und ein Roman
Auch schon vor Gründung der DDR konnte das Hotel Elephant auf eine lange, bewegte Geschichte zurückblicken. Sein Markenzeichen sind von jeher die fehlenden Sterne, da die Qualität des weltberühmten Hotels für sich spreche, wie eine Mitarbeiterin der Geschäftsleitung nicht ohne Stolz anmerkt. Zudem wolle man „für Geschäftsreisende interessant“ bleiben, denen die Buchung von offiziell Fünf-Sterne-Hotels meist untersagt sei. 1937 in heutigem Zuschnitt errichtet war das Hotel Elephant angeblich Adolf Hitlers Lieblingsquartier, wovon der früher nach Richard Wagner benannte und heute schlicht „Lichtsaal“ heißende Raum im Untergeschoss zeugt. Es gibt auch eine „Thomas Mann Suite“, in Erinnerung an den Besuch des Literaturnobelpreisträgers 1955 in Weimar. Ob Mann, der der Stadt mit seinem Roman „Lotte in Weimar“ ein literarisches Denkmal gesetzt hatte, jedoch in der nach ihm benannten Suite auch tatsächlich genächtigt hat, ist unklar. Prominente aus dem In- und Ausland haben mit ihrem Besuch zum weltweiten Ruf des Hotels im Herzen Weimars beigetragen. 2006 logierte dort der russische Präsident Wladimir Putin, der im Elephanten gleich eine ganze Etage angemietet hatte. Vor ihm waren dort Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich von Schiller, Johann Sebastian Bach, Clara Schumann, Leo Tolstoi und regelmäßig die Schlagersängerin Ute Freudenberg zu Gast. Mit ihren Hits „Auf den Dächern von Berlin“ und „Jugendliebe“ wurde die gebürtige Weimarerin im deutschsprachigen Raum bekannt. Dass Popmusik jedoch nicht zum Marketingkonzept des Elephanten gehört, ist daran erkennbar, dass es die frühere Udo-Lindenberg – Suite dort seit der Neueröffnung vor zwei Jahren nicht mehr gibt.