Der Gewinn des Kürzertretens: Weniger Arbeit, weniger Geld, mehr Lebensqualität

„Das gute Leben – Wie Sie trotz Ihres öden Jobs glücklich sein können“ von Robert Wringham

Ines Duhanic

Nach dem Spiegel-Bestseller „Ich bin raus“ nun also das neue Buch von Robert Wringham: „Das gute Leben – Wie Sie trotz Ihres öden Jobs glücklich sein können“. Die Frage nach dem guten Leben, die der im mittleren England geborene Autor zu beantworten sucht, ist eine uralte Menschheitsfrage und bedeutet für jeden etwas anderes. Der Komiker und Buchautor Robert Wringham erkennt darin den Appell gegen den Exzess des Konsumierens und der Vollzeit-Lohnsklaverei. Dafür mehr Entschleunigung, Genügsamkeit und mehr Genuss und Zeit für die schlichten Freuden des Diesseits, ganz im Sinne der Epikureischen Lehre – nicht zu verwechseln allerdings mit dem sorglosen Sinnesgenuss, sondern kluges Abwägen: Statt Schuldenfalle, großem Haus und teurem Auto lieber eine kleine Wohnung, Teilzeit- statt Vollzeitarbeit, Home Office statt physischer Anwesenheitspflicht im Großraumbüro und fehlender Privatsphäre sogar auf der Büro-Toilette, Sabbatjahr und Karrierebruch statt Stagnation und Selbstabsorption. Wringham zeigt uns, wie wir das Alltagsgrau und den Jobfrust durch Sofortmaßnahmen zur Selbstmotivation leicht überwinden können, einschließlich lustiger Anleitungen im Büro-Alltag beim Umgang mit schwierigen Kollegen und cleveren Ideen zum Blaumachen.
Dem Autor, selbst erklärter Eskapismus- und Minimalismus-Anhänger, ist die Fallhöhe seines Unterfangens bewusst. Das Job-Hamsterrad und den Alltagstrott für mehr Zeit, Freiheit und Mobilität einzutauschen klingt schön, verkommt für viele, gerade für solche, die Kinder haben, in die Schuldenfalle geraten sind, oder mit einer schlimmen Krankheit zu kämpfen haben, auf dem harten Boden der Realität zu einem bloßen Tagtraum. So kokettiert er selbst bereits im Vorwort mit der Schwierigkeit ihm nachzueifern: „[…] nachdem ich aller Welt lauthals erklärt habe, wie leicht es wäre, es mir gleichzutun, […] geriet ich selbst in derartige Umstände […] und musste nach sieben Jahren des guten Lebens zurück in die Lohnsklaverei.“ Und so stellt er die entscheidende Frage: „Wie kann man ein gutes Leben führen, während man gleichzeitig in einem normalen Job gefangen ist?“ Die Leser können sich sodann an den Antworten auf diese und andere Fragen in den folgenden acht Kapiteln auf mehr als 378 Seiten ergötzen.
Stellenweise entsteht der Eindruck, dass der hochgehaltene Müßiggang, das direkt empfohlene „Faulenzen“, in einen stumpfen Aufruf zum sinnlosen Herumhängen mündet. Vereinzelt verlieren des Autors gut gemeinte Ideen an Spannkraft, ist es doch bereits aus psychologischer Sicht ratsam, freie Zeit aktiv zu nutzen, um nicht – ganz im Sinne des allbekannten Sprichworts „Müßiggang ist aller Laster Anfang“ – in die Bored-Out-Falle zu tappen. Doch Wringham bekommt im Laufe seiner Erzählung noch die Kurve, indem es ihm immer wieder gelingt, den Leser darauf aufmerksam zu machen, Entspannung bloß nicht mit „Hirntot“ oder dem Verweilen vor dem Fernseher zu verwechseln.
Die Sprache ist einfach, reduziert. Daneben gelingen dem Autor immer wieder außergewöhnliche Bilder philosophischen Tiefgangs. Die proklamierte heitere Beschaulichkeit durch mehr ausgeglichene Ruhe des Geistes und der Mäßigung gerade im Lebensbereich der Arbeit verführt durch realistische Beispiele aus dem eigenen Erfahrungsschatz des Autors und lustige Anekdoten aus seiner Zeit als Angestellter in seiner „Betoninsel“ und witzige Vergleiche vieler Arbeitgeber mit einem Bewährungshelfer zum Nachdenken und Überdenken überkommender Denkmuster in einer Arbeitswelt, die längst schon in der New Work Ära angekommen ist.
Das Buch bleibt bis zum Schluss jedoch eine Provokation und ist sicherlich nicht eine Jedermanns-Lektüre für die breite Masse. Das Wringhamsche Prinzip des guten Lebens funktioniert überall dort nicht, wo man es, um es in den Worten des Autors zu sagen, gut findet, „Geld zu verdienen und zu konsumieren, und der Klimawandel interessiert mich auch nicht besonders, du blöder Hipster-Arsch!“ Für alle anderen ist Wringhams „Das gute Leben“ ein herrlich geschriebener Ratgeber mit viel trockenem Humor.

Robert Wringham
„Das gute Leben – Wie Sie trotz Ihres öden Jobs glücklich sein können“
Heyne Verlag 2020
384 Seiten; 16,00 Euro
ISBN-10: 3453271955

Veröffentlicht von on Jun 1st, 2020 und gespeichert unter BESPRECHUNGEN, LITERATUR. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

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