Kalkutta an der Spree

Geheime Aufzeichnungen eines Volljuristen

Liebes Tagebuch,

in vielen Ländern und Städten sind wir schon gewesen, aber vermüllte Straßen und Wege und dass sich die Leute nichts dabei denken, ihre Abfälle aus dem Fenster direkt auf die Straße zu werfen, oder nach dem Picknick im Park dort einfach alles liegenlassen – so etwas kannten wir bisher nur aus Berlin. Doch Reisen bildet, und manches, was man unterwegs erlebt, relativiert dann doch eine Menge. Vor kurzem ist meine Frau mit ihrer buddhistischen Gruppe durch Indien gepilgert – und fühlte sich, wie sie sagt, dort oftmals sehr an Berlin erinnert. In Indien liegen auch vielerorts die Straßen und Wege voller Verpackungsmüll, besonders in ärmeren Gegenden auf dem Lande. Auch schmeißen die Inder ihre hochwertigen Terracotta-Becher, aus denen sie ihren Tee trinken, nach einmaliger Benutzung einfach weg (und in der Regel achtlos auf die Straße). Das ist also sogar noch schlimmer als das, was hierzulande mit den Pappbechern geschieht! Und auch ansonsten lässt einen vieles in Indien an Berlin denken. Auf dem Flughafen in Delhi wird man – wie manchmal in Berliner Ämtern – erst hierhin geschickt, dann dorthin. Man muss ewig warten, bis man endlich an der Reihe ist und mal eine Auskunft bekommt. Schließlich erfährt man, dass man dahin zurückgehen soll, woher man ursprünglich gekommen ist. Und dann sagen sie einem, dass man den Anschlussflug in einigen Minuten leider nicht mehr erreichen wird, so kurz vorher dürften sie nämlich niemanden mehr ins Flugzeug lassen. Man hätte sich ja mehr beeilen können. Der nächste Flug geht erst in 24 Stunden, den müsse man dann aber teuer bezahlen. Nein, da können sie nichts machen. So eine Unverschämtheit!! So etwas erlebt man ja nicht einmal auf dem BER. Dem indischen Flughafenpersonal ist es offenbar völlig egal, ob man als Passagier ans Ziel kommt oder nicht. Also dann den Bus nehmen, der acht Stunden bis zum Ankunftsort braucht… Aber Bürokratie, das können sie in Indien gut. Bei den Zollbestimmungen, da passen sie genau auf. Und wenn man gerade mit jemandem redet, dann kommt ein anderer dazu und quatscht einfach dazwischen – ohne auch nur einen Moment zu warten oder sich zu entschuldigen. Na gut, dafür hat Indien natürlich auch sehr schöne, bezaubernde und aufregende Seiten. Aber so ist es mit Berlin ja schließlich auch. Kurz nachdem meine Frau mir ihre Erlebnisse in Indien berichtet hat, sehe ich in der “heute show” einen Bericht über verschiedene Missstände in Berlin, und in der Abmoderation bemerkt Oliver Welke dazu: “Ja, so ist das in unserem Kalkutta an der Spree.” Wirklich sehr treffend. Wie recht er damit hat!

Dein Johannes

Veröffentlicht von on Mrz 20th, 2023 und gespeichert unter JOHANNES, LIEBES TAGEBUCH. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

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