Tu felix Austria?

Die „Österreichische Verwaltungslehre“ wurde neu aufgelegt.

Matthias Wiemers

„Lass die anderen Länder Kriege führen, Du, glückliches Österreich („tu felix austria“), heirate!“, ist ein jahrhundertealter Ausspruch, aber gegenwärtig denkt man etwa an ein glückliches Österreich, wenn man an die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung denkt.

Hat doch die Republik Österreich genau wie die Bundesrepublik Deutschland Bundesländer, die mit ähnlichen Kompetenzen ausgestattet sind – nur mit dem großen Unterschied, dass es in Österreich viele Länder der Größe Bremens und des Saarlandes gibt. Aber es funktioniert.

Warum die Frage nach den Funktionsbedingungen Österreichs gerade jetzt aufkommt, erklärt sich aus dem seit vielen Jahren beklagten Rückstand Deutschlands bei der Digitalisierung seiner Verwaltung – ja man hat gar den Eindruck, die Österreicher seien etwa 20 Jahre voraus.

Will man, um dies zu verstehen, sich einen Überblick über die österreichische Verwaltung verschaffen, so liegt seit Jahrzehnten ein jetzt neu aufgelegtes Lehrbuch vor.

Es wurde nun unter der Ägide dreier neuer Herausgeber gänzlich neu aufgelegt, darunter die aus Deutschland stammende Katharina Pabel, Professorin für Öffentliches Recht an der Wirtschaftsuniversität Wien, sowie Barbara Leitl-Staudinger von der Johannes-Kepler-Universität Linz und Wolfgang Steiner, dem Landtagsdirektor und Leiter der Direktion Verfassungsdienst der Landesregierung Oberösterreichs und Honorarprofessor (JKU Linz).
Katharina Pabel beginnt sogleich mit dem zentralen Kapitel über „Verwaltungslehre“ (1.), das ein wenig historisch bei Maria Theresia beginnt, und diskutiert dann die unterschiedlichen erst kategorialen und dann inhaltlichen Begriffe der Verwaltungslehre. In den Fußnoten wird dem Leser indirekt bewusst gemacht, dass seit Werner Thiemes „Einführung in die Verwaltungslehre“ im Jahre 1995 und den späteren Auflagen des Werks von Püttner der Begriff sozusagen diesseits der Alpen ungebräuchlich geworden ist und wir vielmehr ganz allgemein von „Verwaltungswissenschaft“ sprechen. Auch diese Begrifflichkeit – wie die Frage nach dem Singular oder Plural der Verwaltungswissenschaften wird bei Pabel diskutiert. Entwicklungen und Reformen, Verwaltung und Öffentlichkeit sowie Verwaltung und Bürger sind Themen, die von Pabel noch diskutiert und referiert werden, während „Verwaltung und Politik“ bereits von Anna Gamper behandelt werden. Mathis Fister und Albert Posch handeln von der „Europäisierung der Verwaltung“ (3.). Besonders im Kapitel über die „Organisation der Verwaltung“ (4.) von Stefan Leo Frank lernen wir etwas über den eigentlichen Aufbau der Verwaltung in Österreich und können vielleicht die Ausgangspunkte für das – vor der Folie der Lage in Deutschland – österreichische Digitalisierungswunder erahnen. Nachdem Claudia Fuchs in aller Kürze „Verwaltungsaufgaben“ (5.) und – ebenfalls recht knapp – Johanna Weilguni das „Verwaltungshandeln“ (6.) präsentiert haben, folgt dann ein recht umfangreiches Kapitel über die „Digitalisierung in der Verwaltung“ (7.) von Wolfgang Steiner und Viktoria Sturm-Aichhorn. Hierin wird etwa von bereits Mitte der 1990er Jahre einsetzenden Initiativen für E-Government-Projekte in der österreichischen Verwaltung berichtet (Kap 7, Rdnr. 25 ff.). Es mag sein, dass damit schon der entscheidende Startvorteil erarbeitet wurde, der sich in Deutschland erst allmählich nach dem Regierungswechsel 1998 abzeichnete. Man sieht hier jedenfalls sehr schnell, dass das Thema Digitalisierung in Österreich (bis) heute „Chefsache“ ist und sich die Bundesregierung jetzt schon dem Thema der Künstlichen Intelligenz zuwendet. Auf das Buch geblickt, bedeutet dies natürlich, dass hierin nicht zuletzt die aktuelle Entwicklung in der Verwaltung in Österreich nachgezeichnet wird. Insofern war es sicher auch sinnvoll, es nach zehn Jahren wieder neu aufzulegen. Klaus Hartmann betrachtet „Das Personal der Verwaltung“ (8.), Wolfgang Steiner referiert über die „Haushaltsverwaltung“ (9.), und Barbara Leitl-Staudinger schließt mit der „Kontrolle der Verwaltung“ (10.).

Warum also läuft wohl manches in Österreich besser? Liegt es etwa daran, dass die Gewaltenteilung nur eingeschränkt gilt – wenn man auf die Funktionen des Mitherausgebers Steiner sieht? Dies wäre wohl übertrieben. Eher scheint mir naheliegend ein Faktor des Kleinen, wo die Bevölkerung und insbesondere der Führungskräftenachwuchs von vorneherein darauf angewiesen ist, sich international „aufzustellen“, weil in Österreich niemand auf die Idee kommt, man könne auch allein existieren. Und dies bedingt vielleicht, dass ein solches Land etwa in der Softwareentwicklung immer den internationalen Austausch pflegt. Aber dies mögen Experten gerne als reine Spekulation zurückweisen.

Barbara Leitl-Staudinger / Katharina Pabel / Wolfgang Steiner (Hrsg.)
Österreichische Verwaltungslehre
Verlag Österreich, 4. Auflage 2024
481 Seiten; 47,66 Euro
ISBN: 978-3-7046-8321-2

Veröffentlicht von on Sep 16th, 2024 und gespeichert unter BESPRECHUNGEN, LITERATUR. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

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