Rousseaus Erben

Wohin wird uns das Internet führen? Ein US-amerikanischer Journalist wirft einen Blick in die Zukunft

Benedikt Vallendar

makers-internet-coverMünchen / Berkeley-Kalifornien – Wer das Buch gelesen hat, wird ins Grübeln geraten. Ist das Internet tatsächlich mehr als ein bloßes Kommunikationsmedium? Schafft es eine „neue Gesellschaft“, in der jeder sein eigener Unternehmer ist? Und wird das Internet langfristig tatsächlich alles Bisherige in Technik, Verkehr und Industrie auf den Kopf stellen?  Chris Andersen, Physiker und Autor des renommierten US-Wissenschaftsmagazins Nature and Science, schwelgt streckenweise in einer kindisch anmutenden Begeisterung für das WWW, die an Thomas Morus` berühmten Roman „Utopia“ von 1515  erinnert. Anderson beschreibt in  „Makers“, wie das Internet einen neuen Pioniergeist in der Menschheit geweckt und, unbeschränkten Zugriff vorausgesetzt, für Waffengleichheit beim Kampf um die Gunst von Publikum und Konsumenten gesorgt hat. Das Internet habe aus Menschen und Usern potentielle Macher, „Makers“ gemacht, so Anderson, da heute niemand mehr als einsamer Tüftler vor sich hin wuseln müsse, sondern alles, was ihn bewegt und inspiriert, mit anderen teilen könne. Aus Werkstätten sind längst digitale Ateliers geworden, dir rund um den Globus aktiv sind, so Anderson. War es früher nur wenigen, etwa Verlagen und TV-Anstalten,  vergönnt, ihre Ideen, Gedanken und Projekte an die breite Öffentlichkeit zu bringen, kann das heute praktisch jeder. Und zwar jederzeit von nahezu jedem Punkt der Erde aus. Das Internet hat damit, auch Dank Google und Co, eine neue Form der Gleichheit unter den Menschen herbeigeführt, wie sie, zugespitzt, zuletzt Jean-Jacques Rousseau (1712-1778), Aufklärer und geistiger Vater der Französischen Revolution in seinem berühmten Werk „Der Gesellschaftsvertrag“ (contrat social) herausgestellt hat. Beim Lesen wird die Faszination des Autors für das Internet und unsere bevorstehende, „dritte industrielle Revolution“ deutlich. Gleichwohl gleichen seine Ausführungen zuweilen substanzlosen Phantasiegebilden, etwa wenn er behauptet, dass dank so genannter 3-D-Drucktechnik, bald alles online konzipiert und maßgeschneidert hergestellt werden könne, von der Computerplatine bis zum Unterkiefer. Bezeichnend ist, dass Anderson bislang keine Antwort auf die Frage hat, wie mittelfristig eine Pizza, statt im Backofen auf dem Bildschirm vor sich hin garen soll…

Chris Andersen Makers
Das Internet der Dinge: die nächste industrielle Revolution.
Hanser Verlag München 2013.
274 Seiten, 22,90 Euro

Veröffentlicht von on Sep 23rd, 2013 und gespeichert unter BESPRECHUNGEN, LITERATUR. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

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