Die schrecklichen Studies der Jetztzeit

Sehr witzig: Die Generationenkomödie „Wir sind die Neuen“ – Recht cineastisch, Teil 18

Thomas Claer

wir-sind-die-neuenWenn man neu in ein Mietshaus einzieht und dort ausgerechnet eine Studenten-WG über einem wohnt, denkt man vielleicht an ständiges Halli Galli und ausufernde Lärmbelästigung. Eine solche Erwartung haben in Ralf Westhoffs neuer Filmkomödie „Wir sind die Neuen“ jedenfalls Anne (Gisela Schneeberger), Eddi (Heiner Lauterbach) und Johannes (Michael Wittenborn), drei nicht mehr oder nur noch sporadisch berufstätige Münchener, die sich mit Anfang 60 nach 35 Jahren noch einmal zu einer Neuauflage ihrer eigenen früheren Studenten-WG zusammengefunden haben. (Letzteres ist natürlich nicht ganz freiwillig geschehen: Die Biologin Anne muss raus aus ihrer Wohnung und kann sich im teuren München keine Wohnung nur für sich allein mehr leisten. Doch auch der idealistisch-altlinke Anwalt Johannes, der vornehmlich klamme Bürgerbewegungen und sozial Schwache vertritt, und der ewige Schwerenöter Eddi sind finanziell nicht auf Rosen gebettet und lassen sich bereitwillig auf Annes verrückte Idee mit der Senioren-WG ein.) Als die drei also ihre Möbel nach oben tragen, sagt Anne noch mit Blick auf die jungen Leute: „Hoffentlich kiffen die nicht die ganze Zeit, das hab ich ja nun wirklich hinter mir.“ Doch weit gefehlt: Die jungen Leute sind so völlig anders, als es sich die drei Alt-68er vorgestellt haben. In der Studie-WG herrscht Ordnung, absolute Ruhe und disziplinierter Lerneifer. Schon beim Antrittsbesuch der neuen Mieter stellen die Studenten klar: „Um gar nicht erst falsche Erwartungen zu wecken: Wir können euch nicht helfen. Dafür haben wir keine Kapazitäten mehr.“ Katharina (Claudia Eisinger) und Thorsten (Patrick Güldenberg) stehen vor ihrem ersten juristischen Staatsexamen, Barbara (Karoline Schuch) schreibt gerade ihre Magisterarbeit in Kunstwissenschaft. „Wenn ihr damals etwas flotter studiert hättet, dann hätten wir heute nicht solche Probleme mit der Regelstudienzeit“, ergänzt Barbara noch. Während sich die Senioren sodann mit lauter Rockmusik und geräuschvollen Diskussionen in ihrem neuen Zuhause einrichten, kommen von den Studenten ständige Beschwerden wegen Ruhestörung und wird so manche unverschämte Bemerkung auf die neuen Nachbarn losgelassen. Mit der Zeit verhärten sich die Fronten immer weiter. Erst als die jungen Leute in diverse Nöte geraten und die rüstigen Nachbarn ihnen hilfsbereit unter die Arme greifen, kommt es zur überraschenden Annäherung.
Der Film erinnert etwas an „Männer“ von Doris Dörrie (1985), der auch auf heitere und bissige Weise das Leben in einer WG thematisiert, ebenfalls mit (dem damals noch ziemlich jungen) Heiner Lauterbach in einer der  Hauptrollen. Doch ist „Wir sind die Neuen“, das lässt sich ohne Übertreibung sagen, sogar noch eine Spur witziger. Der Film kommt völlig ohne Längen oder auch nur kleinere Hänger aus. Die Handlung ist von vorne bis hinten genau durchdacht. Ganz entscheidend lebt diese Komödie aber von ihren brillanten Dialogen. Kostprobe: Die drei Senioren befinden sich anfangs auf Wohnungssuche und nehmen an der Gruppenbesichtigung einer hübschen Altbauwohnung teil. Eine junge Frau fragt Eddi (Heiner Lauterbach): „Sind Sie der Vermieter?“ Darauf Eddi: „Nein, sehe ich aus wie ein Vermieter?“ Die junge Frau: „Ich dachte nur wegen des Alters und weil sie so … angezogen sind. Als Vermieter hat man es ja nicht so nötig…“ Der nachlässig gekleidete Eddi lächelnd: „Ich bin ein Konkurrent von Ihnen.“ Die Frau, ihn genau musternd: „Nein, das sind Sie nicht.“ Nur durch persönliche Beziehungen (eine frühere Geliebte von Eddi sitzt in einer Wohnungsverwaltung) kommen die Drei überhaupt an eine Wohnung in München.
Laut Wikipedia hat ein Kritiker dem Film Oberflächlichkeit vorgeworfen, weil er sich nicht tiefgehender mit dem Generationenkonflikt auseinandersetze. Mir scheint eher, dass sich der Film der Problematik sehr wohl bewusst ist, sich aber klugerweise auf deren diskrete Andeutung beschränkt. Abschließend noch ein herausragend komischer Spruch von Eddi: Als er die prall gefüllte Plastiktüte mit den leeren Weinflaschen seiner feierfreudigen Alten-WG zum Glascontainer bringt, trifft er auf die Studentin Barbara mit zwei Weinflaschen in der Hand und fragt sie: „Die sind wohl noch vom letzten Silvester, oder?“

Wir sind die Neuen
Deutschland 2014
Regie: Ralf Westhoff
Drehbuch: Ralf Westhoff
91 Minuten, FSK: 0
Darsteller: Gisela Schneeberger, Heiner Lauterbach, Michael Wittenborn, Claudia Eisinger u.v.a.

Veröffentlicht von on Jul 28th, 2014 und gespeichert unter DRUM HERUM, RECHT CINEASTISCH. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

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