Carl Schmitt und sein Schüler Ernst-Rudolf Huber
Matthias Wiemers
Carl Schmitt hatte eine Reihe von Schülern, wobei sich die beiden wohl bedeutendsten – Ernst Forsthoff und Ernst-Rudolf Huber – zwar nicht bei ihm habilitiert haben, aber ihm doch zuzurechnen sind. (Beide wurden von ihm in Bonn promoviert, aber da Schmitt von Bonn aus an die Handelshochschule Berlin wechselte, die über kein Habilitationsrecht verfügte, habilitierten sich beide nicht bei ihm.) Nachdem vor einigen Jahren der Briefwechsel Schmitts mit Ernst Forsthoff veröffentlicht wurde, hat kürzlich Schmitts Hauptverlag Duncker & Humblot den sich von 1926 bis 1981 erstreckenden Briefwechsel mit Ernst-Rudolf Huber als Buch herausgebracht. Als Herausgeber fungierte der Politikwissenschaftler Ewald Grothe. Mit Huber verband Schmitt eine intensive Zusammenarbeit am Ende der Weimarer Republik, als sie gemeinsam als Berater der Reichsregierungen Papen und Schleicher tätig waren.
Worin kann das Interesse an der Lektüre dieses Briefwechsels bestehen? Ausgangspunkt muss die Erkenntnis sein, dass sich beide Staatsrechtslehrer während des Dritten Reichs unzweifelhaft nicht im Widerstand gegen das Regime befunden haben. Schmitt, der oftmals als „Kronjurist“ des NS Staates charakterisiert wird, erhielt nach dem Zusammenbruch 1945 nie wieder einen Lehrstuhl und wurde auch nicht wieder Mitglied der Staatsrechtslehrervereinigung. Aber auch Huber, u. a. mit dem Titel „Verfassungsrecht des Großdeutschen Reichs“ (1939) hervorgetreten, brauchte jedenfalls einige Jahre, bis er wieder ein Ordinariat erhielt und auch wieder offizielles Mitglied der Zunft wurde. Dies brachte es mit sich, dass sich beide zumindest für einige Jahre in einer vergleichbaren Situation befanden. Beide wurden sehr alt: Schmitt fast 97, Huber 87 Jahre, wobei Schmitt 15 Jahre älter war. Interessant ist in solchen Fällen schon, wie sich die Briefpartner über die Zeit anredeten. Durch die während der langen Zeit, in der beide Staatsrechtslehrer brieflich kommunizierten, erfolgten mehrfachen politischen Systemwechsel war es schon generell interessant zu sehen, wie sich beide zu diesen Systemwechseln brieflich verhalten würden. Hinzu kommt, dass das Dritte Reich und die unmittelbare Zeit nach Ende des Zweiten Weltkriegs die Briefpartner dazu veranlassen konnte, schon aus äußeren Gründen vorsichtig mit den geäußerten Gedanken zu sein.
Im Rahmen der Abfolge der Briefe kann man – in Verbindung mit den mitgelieferten Dokumenten zum Verhältnis beider seit Beginn der Zwanziger Jahre – durchaus von einer allmählichen Abkühlung des Verhältnisses sprechen, aber spürbar wird auch, dass sich beide Briefpartner offenbar zunehmend als gleichrangig ansahen: Nach Schmitts Verlust des Titels eines Preußischen Staatsrats mit Ende des Dritten Reichs ist Schmitt für Huber anredemäßig „Herr Schmitt“.
Die Wiedergabe der Briefe wird durch eine vorzügliche kleine Einführung durch den Herausgeber sowie einige weitere Dokumente ergänzt, die Aussagen über das Verhältnis der beiden Briefpartner treffen lassen. Der etwa 200 Seiten umfassende Anhang enthält zunächst Dokumente die Promotion Hubers bei Schmitt betreffend (I.), sodann Rezensionen Hubers von Schriften Schmitts – teilweise unter Pseudonym – (II.), Briefe Dritter (III.), (rechtfertigende) Stellungnahmen Hubers nach dem Zweiten Weltkrieg (IV.), „Autobiographisches“ von Huber (V.), gegenseitige Widmungen beider Briefpartner (VI.) und eine Bibliographie der Veröffentlichungen Hubers seit 1973 (VIII.). Letzteres erklärt sich daraus, dass eine Bibliographie bis dato in der Festschrift zu Hubers 70. Geburtstag enthalten ist.
Schließlich gibt es ein Verzeichnis der nicht erhaltenen Briefe aus dem Briefwechsel, für die es aber Hinweise gibt (VII.), ein Quellen- und Literaturverzeichnis und neben einem Abbildungsnachweis je ein Personen- und Ortsregister.
Wenn man berücksichtigt, dass zu Schmitt bereits mehrere auch ausführlichere Biographien vorliegen (ultimativ: Reinhard Mehring – Carl Schmitt: Aufstieg und Fall, 2009), zu Huber aber nur kleinere Arbeiten, so erschien es nachvollziehbar, dass Herausgeber Grothe hier den Schwerpunkt ergänzender Untersuchungen und Dokumentationen eindeutig auf Huber gelegt hat. Er wäre prädestiniert, Huber nun eine umfangreiche Biographie zu widmen.
Carl Schmitt – Ernst Rudolf Huber: Briefwechsel 1926-1981
Mit ergänzenden Materialien.
Duncker & Humblot 2014
617 Seiten, 79,90 EUR
ISBN-10: 3428141709