Begegnung auf Augenhöhe

„50 Jahre deutsch-israelische Beziehungen“ bildeten das Schwerpunktthema der diesjährigen Leipziger Buchmesse

Benedikt Vallendar

Foto: BV

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Leipzig – Vor 50 Jahren waren sie ein zartes Pflänzchen. Heute ist daraus ein üppiger Strauß geworden, der als Bindeglied zwischen Orient und Okzident fungiert. Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und der Bundesrepublik im Jahre 1965 bildete das Schwerpunktthema der diesjährigen Leipziger Buchmesse vom 11. bis 16. März 2015, die sich traditionell über das gesamte Stadtgebiet erstreckt. Der Austausch von Botschaftern zwischen der Bundesrepublik und Israel stand am Ende einer turbulenten Vorgeschichte, die im Luxemburger Abkommen von 1952 ihren Ausgang genommen hatte. Damals verpflichtete sich Westdeutschland zu Entschädigungszahlungen an den jüdischen Staat, der, wie die Bonner Republik, erst knapp vier Jahre zuvor gegründet worden war. Dank Konrad Adenauer und seines damaligen, israelischen Amtskollegen Ben Gurion war es überhaupt zu einer Annäherung zwischen beiden Ländern gekommen. Schwieriger gestaltete sich seinerzeit das Verhältnis zur DDR, die in ihrem Selbstverständnis als „antifaschistischer Staat“ bis Dezember 1989 jede Verantwortung für die Verbrechen der NS-Zeit kategorisch abgelehnt hatte.

Literarische Highlights aus Israel

Für Gesprächsstoff sorgten beim diesjährigen Literaturtreff in Leipzig die „Geschichten vom Überleben“ aus der Feder von Irit Amiel, die in beklemmender Manier vom Grauen der polnischen Ghettos berichtet, denen sie, seit 1947 in Palästina lebend, selbst nur knapp entkommen war. Mit elf Jahren wurde Amiel bei einer Razzia von ihren Eltern, die sie danach nie wieder gesehen hat, getrennt.

Die gebürtige Polin gehörte in Leipzig zur deutsch-israelischen Autorengruppe, deren Mitglieder sich auf Augenhöhe und von gegenseitigem Wohlwollen getragen, begegneten. Auch wenn der Schmerz über den Holocaust wohl nie ganz verblassen wird. Vor allem dann nicht, wenn es um Familientragödien und den Versuch einer literarischen Verarbeitung geht. Wie etwa beim deutsch-jüdischen Schauspieler Michael Degen, der mit seinem Roman „Der traurige Prinz. Roman einer wahren Begegnung“ für Aufmerksam sorgte. Degen überlebte den Krieg im Berliner Untergrund nur durch Zufall und ist später durch seine jahrzehntelange Fernsehpräsenz bekannt geworden. Seine Autobiographie „Nicht alle waren Mörder“ aus dem Jahre 2007 wurde ein Bestseller.

Über dem Who is Who der deutsch-israelischen Autorenschaft schwebte in Leipzig der Name Martin Buber, dessen Todestag sich in diesem Jahr, parallel zu den deutsch-israelischen Beziehungen, ebenfalls zum fünfzigsten Mal jährt. Und der 1953 mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels für seine Bemühungen um den jüdisch-deutschen Dialog geehrt worden ist. Buber, Professor für Allgemeine Religionswissenschaft in Frankfurt am Main, war 1938 nach Palästina ausgewandert und hatte sich dort schon früh für die Errichtung eines jüdischen Staates eingesetzt. Er gilt als Nestor und Angelpunkt für deutsche Autoren, die sich mit Israel beschäftigen und mit ihren Titeln ein breites Publikum suchen.

Büchermarkt Nr. 1

Von jeher versteht sich die Leipziger Buchmesse als „Publikumsmesse“, wie Geschäftsführer Oliver Zille betonte. Im Gegensatz zur großen Schwester in Frankfurt am Main, wo eher nur „Geschäfte“ gemacht würden. Leipzig hat sich, was sein Lesepublikum angeht, breit aufgestellt. Was schon damit anfängt, dass es auf dem Messegelände auch einen Wickel- und Stillraum sowie Rückzugsmöglichkeiten zum Spielen und Schmökern gibt. Wer im Frühjahr nach Leipzig kommt, der sollte „Appetit aufs Lesen mitbringen“, sagte eine Mitarbeiterin aus der Pressestelle. Diese Abteilung der Buchmesse dürfte wohl die mit Abstand meist beschäftigte sein, gemessen an der großen Schar in- und ausländischer Journalisten und Fotografen, die alljährlich den Weg nach Leipzig finden. Was wohl auch am ökonomischen Stellenwert des deutschen Buchmarktes liegt. Denn inzwischen ist die Bundesrepublik mit jährlich rund 95.000 Neuerscheinungen und einem Umsatz von knapp acht Milliarden Euro der mit Abstand wichtigste Literaturmarkt der Welt; auch wenn der Printbereich etwas rückläufig ist, was vor allem den digitalen Medien geschuldet ist. Dennoch sehen Fachleute den Printbereich gut aufgestellt. „Das gedruckte Buch wird immer ein Teil der Alltagskultur bleiben“, sagte Messeleiter Oliver Zille. Er mache sich da keine Sorgen.

Ein wenig in Vergessenheit geraten ist, dass die Anfänge der Leipziger Buchmesse bis ins 17. Jahrhundert zurückreichen, dass die SED die Buchmesse gerne nutzte, um die „intellektuelle Weltläufigkeit des Sozialismus“ unter Beweis zu stellen, und dass Bücher in der Handelsmetropole Leipzig von jeher einen hohen Stellenwert genießen. Fast unbemerkt hat sich die sächsische Metropole, wo im Herbst 1989 das Ende der DDR seinen Anfang nahm, im Schatten von Berlin, Tübingen und Heidelberg zum internationalen Drehkreuz für alle, die sich mit Literatur beschäftigen, entwickelt. Den passenden Rahmen dafür schafft von jeher das Forum „Leipzig liest“, das alljährlich aus Anlass der Buchmesse stattfindet. Die Messeleitung hatte „Leipzig liest“ wieder auf verschiedene, vor allem historisch bedeutsame Standorte im Leipziger Stadtgebiet verteilt, so dass für die meisten der rund 220.000 Besucherinnen und Besucher etwas thematisch Passendes dabei gewesen sein dürfte.

Veröffentlicht von on Mrz. 16th, 2015 und gespeichert unter DRUM HERUM, SONSTIGES. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

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