Deutsche Juristenbiographien, Teil 7: Richard von Kühlmann (1873-1948)
Matthias Wiemers
Richard von Kühlmann wird am 3. Mai 1873 in Konstantinopel geboren, wo sein Vater, der Jurist Otto von Kühlmann, Generaldirektor der Anatolischen Eisenbahn ist. Die Nobilitierung der Familie erfolgt, beginnend mit dem Vater Otto, im Jahre 1892 durch Kaiser Wilhelm II. Im Alter von etwa sechs Jahren übersiedelt der gebürtige Franke mit seiner Mutter nach München, während der Vater im Osmanischen Reich bleibt. Allmählich vollzieht sich in dieser Zeit eine Hinwendung der adeligen Familien Frankens in die bayerische Hauptstadt München.
Ein Kennzeichen schon der frühen Entwicklung Kühlmanns ist – dem Wunsch des Vaters entsprechend – das Erlernen von Fremdsprachen. Er bleibt nicht in München, sondern besucht schon kurz nach der Rückkehr nach Deutschland ein Internat in Augsburg. Schon bald zu den besten Schülern zählend, unterzieht sich Richard der Abiturprüfung bereits nach Unterprima und tritt als Einjährig-Freiwilliger in das Erste Ulanenregiment in Bamberg ein.
Nach dem Militärjahr beginnt Kühlmann im Wintersemester 1892 ein Rechtsstudium in Leipzig, wo er besonders von dem Zivil- und Kirchenrechtler Rudolph Sohm beeindruckt ist. Bereits zu Studienbeginn bedient sich Kühlmann eines Repetitors. Nach zwei Semestern Leipzig folgt der Wechsel an die Universität Berlin, wo ebenfalls nebenher Repetitorien und Übungen besucht werden. Nach (vermutlich) zwei Semestern Berlin wechselt Kühlmann an die Universität München, also in seine bayerische Heimat, wo er bei seiner Mutter wohnt und – wie auch schon in Leipzig und mehr noch in Berlin – am gesellschaftlichen Leben teilnimmt. Bereits kurze Zeit nach dem Ersten Examen erfolgt 1896 die Doktorprüfung an der damals zu Bayern gehörigen Universität Heidelberg – im Pandektenrecht (Prädikat „insigni cum laude“).
Es folgt die praktische Juristenausbildung in Bayern, die im Amtsgericht in der Au beginnt. Der damals so genannte Rechtspraktikant absolviert den verwaltungstechnischen Teil der Ausbildung am Bezirksamt Berchtesgaden sowie am Bezirksamt München II und besucht nebenher wieder Repetitorien. Daneben beschäftigt er sich viel mit Geschichte und lernt weiter Sprachen, darunter das Russische. Es reift der Entschluss, sich außenpolitisch zu betätigen, und Kühlmann ist nebenher auch journalistisch tätig, vor allem als Rezensent. Das Zweite Staatsexamen, damals in Bayern als „Staatskonkurs“ bezeichnet, bestand aus schriftlichen Aufgaben, die innerhalb von etwa acht Tagen zu je acht Stunden zu lösen waren. Mit einem sehr guten Examen unter den zwölf Besten seines Jahrgangs, steht Kühlmann in Bayern jeder Karriereweg offen, doch er entscheidet sich – als nunmehr „geprüfter Rechtspraktikant“, was einem preußischen Assessor entspricht – für den diplomatischen Dienst in Berlin. Ohne wirkliche Beziehungen in der Reichshauptstadt, ist es eher Zufall, dass mit dem Fürsten Chlodwig Hohenlohe zu Schillingsfürst gerade ein Franke Reichskanzler ist, der – einem einige Jahre zuvor dem Vater Kühlmanns gegebenem Versprechen gemäß – den jungen Richard 1899 in den Auswärtigen Dienst aufnimmt. Nach einer Einführungszeit muss er eine historische Hausarbeit schreiben, um auf Dauer im Auswärtigen Dienst bleiben zu können.
Die erste Verwendung im Ausland wird die eines außerplanmäßigen Legationssekretärs in St. Petersburg, dem eine Berufung auf eine etatmäßige Sekretärsstelle in Teheran folgt. Ende 1903 erfolgt die Berufung auf eine kommissarische Wahrnehmung einer Stelle des Zweiten Sekretärs an der Botschaft in London, der seinerzeit bedeutensten Mission im Ausland.
Bereits nach wenigen Monaten erfolgt 1904 die Berufung an die deutsche Gesandtschaft in Tanger, Marokko, wo er die so genannte Marokkokrise hautnah erlebt.
Nach der Heirat mit Marguerite von Stumm im Jahre 1906 folgt ein kurzer Aufenthalt als (einziger) Legationssekretär an der deutschen Botschaft in Washington, die bereits im Herbst 1906 von einer Verwendung als Gesandtschaftsrat in Den Haag abgelöst wird. Grund für die rasche Rückkehr nach Europa ist der schwache Gesundheitsszustand der Ehefrau, die das Washingtoner Klima nicht verträgt und bereits 1917 verstirbt. 1908 erfolgt die erneute Versetzung an die deutsche Botschaft in London, diesmal als Botschaftsrat, also stellvertretender Botschafter. Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs kehrt Kühlmann nach Deutschland zurück und ist sodann zu Sondermissionen in Stockholm eingesetzt und danach Botschafter in Konstantinopel. Von August 1916 bis Juli 1917 ist von Kühlmann Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, was einem heutigen Außenminister entspricht. An dem Separatfrieden mit Russland von Brest-Litowsk ist er maßgeblich beteiligt. Er kann sich unter dem Eindruck innenpolitischer Schwankungen, die von häufigen Kanzlerwechseln gekennzeichnet ist, allerdings nur ein Jahr halten.
In der Zeit danach heiratet von Kühlmann erneut und ist in der Wirtschaft tätig. Hierüber unterrichten seine sehr lesenswerten Memoiren freilich nicht mehr, die er während des Zweiten Weltkriegs verfasst hat und die 1948 erscheinen, kurz nach dem plötzlichen Tod dieses bedeutenden Karrierediplomaten in einer bewegten Zeit.
Ein Sohn aus erster Ehe war der FDP-Politiker Knut von Kühlmann-Stumm.
Quelle:
Richard von Kühlmann, Erinnerungen, Heidelberg 1948