Clever verhandeln nach dem Harvard-Konzept

Auch Streithähne können sich einigen. (Foto: privat)

Auch Streithähne können sich einigen. (Foto: privat)

Der amerikanische Rechtsgelehrte Roger Fisher entwickelte in den Achtzigerjahren seine ergebnisorientierte Verhandlungsmethode

Florian Wörtz

 
Unter einer guten Verhandlungsführung mag gerade ein erfahrener Prozessanwalt, der so manche Schlacht im Gerichtssaal geschlagen hat, Begriffe wie täuschen, drohen oder tricksen verstehen. An der Uni hat er das geballte theoretische Fachwissen unzähliger Meinungsstreitigkeiten mitbekommen, das heldenmutig in den mit Schachtelsätzen übersäten Fachchinesisch-Schriftsätzen gegossen wird, um dem Mandanten zu signalisieren: „Jawohl, so wie Deine Anwaltslieblinge bei Barbara Salesch kann ich auch auftreten!“.
Harvard-Konzept als ergebnisorientierte Methode des Verhandelns
Der amerikanische Rechtsgelehrte Roger Fisher entwickelte in den Achtzigerjahren das Prinzip des sachgerechten und interessengeleiteten Verhandelns, bei welcher neben der sachlichen Übereinkunft auch die persönliche Beziehung gewahrt bleiben soll. Es steht der größtmögliche beiderseitige Nutzen im Vordergrund und somit eine klassische Win-Win-Strategie.
Unterscheidung zwischen Sachinhalt und Verhandlungsführung
Nach dem Harvard-Konzept wird bewusst zwischen der Kommunikationsebene des Sachinhalts sowie der Verhandlungsführung unterschieden. Bei Verhandlungen nach dem Harvard-Prinzip gilt es, vier wesentliche Grundsätze zu beherzigen:

1.) Die Trennung von Sache und Beziehung. Beziehungsprobleme müssen erkannt und von den Sachproblemen getrennt behandelt werden. Die Beziehung zum Verhandlungspartner muss auf wechselseitiges Vertrauen, Akzeptanz und funktionierende Kommunikation überprüft werden.

2.) Das konkrete Interesse. Die Verhandlungsparteien sollen sich nicht auf ihre Positionen konzentrieren, sondern auf das hinter den jeweiligen Positionen stehenden Interesse. So sollen die eigenen Interessen offen dargelegt werden, ohne bereits Position zu beziehen. Die Position der Gegenseite soll auf die dahinterliegenden Interessen hinterfragt werden.

3.) Die Suche nach gemeinsamen Lösungsmöglichkeiten. Es bedarf eines gehörigen Maßes an Kreativität, um Entscheidungsoptionen zu finden, die im Idealfall beiden Seiten den größtmöglichen Nutzen bringen. Es empfiehlt sich dabei, zunächst möglichst viele Optionen zu entwickeln. Eine Entscheidung über die jeweiligen Vorschläge muss nicht sofort erfolgen.

4.) Objektive Beurteilungskriterien. Interessenkonflikte werden am Besten durch das Hinzuziehen objektiver Kriterien gelöst. Gibt es allgemeingültige Normen, Werte und Rechtsgrundsätze, die als objektive Entscheidungskriterien verwendet werden können? Das Ergebnis soll auf objektiven Entscheidungsprinzipien aufbauen und sowohl den Zeitaspekt als auch die Kostenfrage beinhalten.
Prüfung der bestmöglichen Verhandlungsübereinkunft
Die Harvard-Methode rät von schlechten Verhandlungsübereinkünften ab. Eine Partei sollte daher prüfen, ob die andere Seite zu einer vorgeschlagenen Verhandlungslösung keine bessere Alternative hat und ob es Alternativen zur bestmöglichen Verhandlungsübereinkunft gibt. Einer Verhandlungslösung sollte nur dann zugestimmt werden, wenn diese besser als die Alternative ist.
Hart in der Sache – Sanft im Umgang
Das Harvard-Konzept lässt sich insgesamt zusammenfassen mit der Umschreibung „Hart in der Sache – Sanft im Umgang“ und stellt einen dritten Weg zwischen dem harten Weg des Verhandelns und des verbreiteten Prinzips der Kompromisse dar. In hitzigen Verhandlungssituationen ist es nicht einfach, kühlen Kopf zu bewahren und wohlüberlegt zu handeln. Ein konzilianter, verbindlicher Umgang, der in der Sache nicht zu einem weichen Nachgeben führt, kann zu für beide Seiten optimalen und nachhaltigen Lösungen führen. Im Bereich des Kommunikationstrainings und Verhandlungsmanagements hat sich das Harvard-Konzept mittlerweile als elementarer Baustein etabliert.

Literatur:
· Roger Fisher, William Ury, Bruce Patton: Das Harvard Konzept. Der Klassiker der Verhandlungstechnik, Frankfurt, 2004. – ISBN 3-593-37440-4 – 22. Auflage, 1. Auflage 1984

oder in der englischen Originalversion:
· Roger Fisher, William Ury, Bruce Patton: Getting to yes: Negotiating Agreement without giving in. Houghton Mifflin Harcourt, 2nd edition (1992) ISBN-10: 0395631246 ISBN-13: 978-0395631249

Veröffentlicht von on Sep 14th, 2009 und gespeichert unter UND DANACH. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

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