Thomas Claer empfiehlt Spezial: Anmerkungen zur Peter Handke-Debatte
Da hatte die Akademie wohl etwas gutzumachen. „Solange John Updike und Philip Roth den Literatur-Nobelpreis nicht bekommen haben, kann ich diesen Preis nicht ernstnehmen“, meinte vor langen Jahren Marcel Reich-Ranicki (1920-2013). Immer wieder hatte sich Deutschlands bedeutendster Literaturkritiker darüber mokiert, dass die Schwedische Akademie ihre weltweit höchste Auszeichnung auf dem Gebiet der Literatur offenbar ausschließlich an politisch engagierte Autorinnen und Autoren mit tadelloser Gesinnung vergab. Nicht, dass er etwas gegen gesellschaftlich engagierte Autoren gehabt hätte, aber dass deshalb den in seinen Augen weltweit besten lebenden Literaten dieser Preis vorenthalten wurde, das ging dem „Literatur-Papst“ dann doch völlig gegen den Strich. Nun hat sich die in den letzten Jahren von diversen MeToo-Skandalen erschütterte Akademie also endlich einmal anders entschieden, überraschend anders. Für die von Ranicki favorisierten großen Erotomanen der amerikanischen Literatur, John Updike und Philip Roth, war es allerdings zu spät. Updike ist bereits 2009 gestorben und Roth 2018. (Der Preis wird ja grundsätzlich nur an noch lebende Autoren verliehen.)
Nun hat es also Peter Handke getroffen, und an ihm scheiden sich die Geister. Darf jemand den Literaturnobelpreis bekommen, der angesichts der Greuel der jugoslawischen Bürgerkriege allen Ernstes „Gerechtigkeit für Serbien“, also für die mächtigste und rücksichtsloseste der Kriegsparteien, gefordert, der Verständnis für Karadzic und Milosevic gezeigt hatte? Darüber wird nun heftig gestritten. Doch was hätte wohl Marcel Reich-Ranicki dazu gesagt? Für ihn war Peter Handke spätestens seit seinem „Jahr in der Niemandsbucht“ (1994) ein „auf den metaphysischen Hund gekommener“ Autor, so wie er dessen Kollegen Botho Strauß in selbiger Sendung des „Literarischen Quartetts“ als „auf den ideologischen Hund gekommen“ bezeichnet hatte. Doch sei er, Reich-Ranicki, gerne dazu bereit, beiden „auf den Hund gekommenen Autoren“ alles zu verzeihen, „wenn sie nur besser schreiben würden“…
Aufschlussreich für Juristen dürfte auch noch sein, wie sich der heutige Nobelpreisträger über seine abgebrochene Juristenausbildung geäußert hat, nachzulesen im 30 Jahre alten „Versuch über die Müdigkeit“. Er schreibt darüber, soviel sei an dieser Stelle verraten, nicht viel Gutes. Im übrigen findet sich in diesem kleinen Text wohl schon beinahe alles, was den späten Peter Handke ausmacht: reichlich verschwurbelter Schreibstil, aber doch irgendwie tiefgründig. Zweifellos hat auch solche Art von Literatur ihre Daseinsberechtigung.