Der Altmeister

Deutsche Juristen-Biographien, Teil 32: Theodor Mommsen (1817-1903) bildet die Wurzel einer der bekanntesten Gelehrtenfamilien Deutschlands

Matthias Wiemers

Auf Theodor Mommsen muss man heute im Jurastudium nicht mehr stoßen, aber möglicherweise hat man den Namen irgendwo schon einmal zu Schulzeiten gehört. Denn er war ein Studienfreund des Dichters Theodor Storm, der im gleichen Jahr geboren wurde und mit dem er zeitgleich an der Universität Kiel ein Jurastudium absolvierte.
Theodor Mommsen wird am 30. November 1817 als Sohn eines Pfarrers in Garding im Herzogtum Schleswig geboren. Theodor wächst mit fünf jüngeren Geschwistern in Oldesloe auf, wo der Vater inzwischen eine Pfarrstelle innehat. Der Vater, Sohn eines verarmten Bauern, hatte zunächst mit einem Medizinstudium begonnen, musste dann aber dann auf das Brotstudium eines evangelischen Theologen wechseln, für das es in der Familie seiner Mutter schon Vorbilder gab.
Zumindest gegenüber seinen drei Söhnen, von denen zwei Lehrer wurden, zeigt sich der Vater Jens Mommsen stets offen gegenüber deren Bildungsinteressen. Der Vater schrieb Gedichte, und den Kindern standen die Gedanken der Zeit offen. Bereits 1837 ist Theodor zu einem Atheisten geworden, auch wenn er sich am Ende seines Lebens eher wieder dem protestantischen Christentum zugewendet haben mag.
Der Vater vermittelt die Überzeugung einer Chance auf Aufstieg durch Bildung und erteilt zunächst Privatunterricht. Ab 1834 besucht Theodor das Christeaneum in Altona und beginnt sodann im Mai 1838 sein Jurastudium in Kiel. Hier tritt er der liberalen Burschenschaft Albertina bei, die sich für die Unabhängigkeit Schleswigs und Holsteins von Dänemark einsetzt.
Bereits 1843 promoviert Mommsen mit einer römisch-rechtlichen Arbeit bei Georg Christian Burchardi, einem Schüler Savignys.
Die Geschichte war seinerzeit noch kein eigenes Lehrfach, und so wurden historische Vorlesungen nicht zuletzt für Juristen gehalten. Und so hörte Mommsen etwa bei Friedrich Christoph Dahlmann, der später einer der „Göttinger Sieben“ werden sollte, und bei dem Verfassungshistoriker Georg Waitz. Über das Studium des Römischen Rechts gelangt Mommsen zur Alten Geschichte. Das Einschlagen einer wissenschaftlichen Laufbahn gelingt aber nur über den Umweg einer kurzen Tätigkeit als Hilfslehrer an zwei Mädchenpensionaten. Danach erhält Mommsen Reisestipendien der dänischen Krone, mit der Schleswig seinerzeit verbunden ist, und besucht und forscht in Frankreich und Italien.
Nach Rückkehr nach Deutschland im Jahre 1847 muss Mommsen wiederum als Lehrer arbeiten sein, bevor er im Revolutionsjahr 1848 in Rendsburg als Journalist tätig wird und seine liberalen Ideen vertritt.
Im Herbst 1848 erfolgt der Ruf als außerordentlicher Professor für Rechtswissenschaft an die Universität Leipzig. Auch in Sachsen gibt es Revolution, und wegen Beteiligung am sächsischen Maiaufstand 1849 wird Mommsen verurteilt und 1851 aus dem Hochschuldienst entlassen.
Wie auch anderen 48ern öffnet auch Mommsen die Schweiz ihre Tore, und so lehrt Mommsen von 1852 bis 1854 auf einem neu geschaffenen Lehrstuhl für Römisches Recht an der Universität Zürich. Dem 1854 erfolgenden Ruf nach Breslau folgt Mommsen aber gern.
Wiederum zwei Jahre später erfolgt der Ruf auf eine Forschungsprofessur an die Preußische Akademie der Wissenschaften in Berlin, dem drei Jahre später ein Lehrstuhl für römische Altertumskunde an der Berliner Friedrich Wilhelms Universität folgt. Bis 1885 hält Mommsen Vorlesungen, die für ihn nicht dieselbe Bedeutung hatten wie die Forschung. Die Lehre war für Mommsens stets nur lästige Pflicht. Aus der Vorbereitung von Lehrveranstaltungen zog Mommsen aber immerhin persönlichen Gewinn.

Mommsens Arbeit bestand vielmehr in Grundlagenarbeit anhand von Quellen, die er zunächst auf seinen Reisen aufspürte. Früher Arbeiten betreffen das römische Münzwesen, die unteritalienischen Dialekte und eine Sammlung der lateinischen Inschriften des Königreichs Neapel. In seiner Züricher Zeit entsteht „Die Schweiz in römischer Zeit“ (1854). Mommsens mehrbändige „Römische Geschichte“, die ab 1854 erscheint. Das Werk ist bis heute ein publizistischer Welterfolg, bleibt aber ein Torso – drei Bände mit einem später nachgelieferten fünften Band. Die römische Kaiserzeit wird darin nicht behandelt, sondern Gegenstand des ebenfalls berühmten Römischen Staatsrechts. Als erster Deutscher erhält Mommsen 1902 den Nobelpreis für Literatur, und zwar für die Römische Geschichte, die als sein Hauptwerk gilt.
Theodor Mommsen war ein übermächtiger Lehrer und Haupt einer akademischen Schule, mit seiner Frau Maria Auguste, einer Verlegertochter, hatte Mommsen insgesamt 16 Kinder, die älteste Tochter Marie heiratete den Mommsen-Schüler Ulrich von Wilamowitz-Moellendorf, einen Philologen, der als der wohl bedeutenste Schüler Mommsens gelten kann..
Die Zahl der Veröffentlichungen Mommsens dürfte mit etwa 1500 Titeln bis heute kaum erreicht worden sein.
Der Name Mommsen ist seither in der Wissenschaft mehrfach wieder aufgetaucht. Zu den Enkeln Theodors zählen die Historiker Wilhelm und Theodor E. Mommsen, der Präsident des Bundesarchivs Wolfgang A. Mommsen sowie die Urenkel Hans Mommsen und Wolfgang J. Mommsen.
Mommsen war ein bedeutender Wissenschaftsorganisator und arbeitete hierbei eng mit dem Ministerialdirektor Friedrich Althoff, dem „heimlichen Kultusministers“ in Preußen, und war daneben auch parteipolitisch sowie parlamentarisch tätig.
So war er Mitgründer der liberalen Deutschen Fortschrittspartei und von 1863 bis 1866 sowie 1881 bis 1884 Abgeordneter des Preußischen Landtags. Von 1881 bis 1884 war Mommsen Reichstagsabgeordneter.
Dort beschäftigte sich Mommsen naturgemäß mit Fragen der wissenschafts- und Bildungspolitik und nahm im Berliner Antisemitismusstreit gegen seinen antisemitischen Historiker-Kollegen Heinrich von Treitschke Partei. Denn als Historiker ist Mommsen berühmt geworden, aber „am juristischen Denken (ist er) zum Forscher geworden.“
Am 1. November 1903, praktisch erblindet, ist Theodor Mommsen in Charlottenburg gestorben. Er erhielt ein Ehrengrab der Stadt Berlin auf dem Dreifaltigkeitsfriedhof an der Bergmannstraße in Berlin-Kreuzberg.

Quelle:
– Stefan Rebenich. Theodor Mommsen. Eine Biographie, München 2002

Veröffentlicht von on Okt 26th, 2020 und gespeichert unter DRUM HERUM, RECHT HISTORISCH. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

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