Recht cineastisch Berlinale Spezial (2): „Herr Bachmann und seine Klasse“ von Mara Speth
Thomas Claer
Er ist eine Mischung aus Späthippie und Sozialarbeiter, rein optisch, aber auch mit dem, was er so macht. Schlurfig angezogen, immer mit Pudelmütze, fläzt sich dieser freundliche ältere Herr hinter seinen Lehrertisch, und meistens macht er Musik mit seiner Klasse, spielt dazu Gitarre und singt selbstkomponierte Lieder. Solche Lehrer hat es früher bei uns in der DDR nie gegeben, später in Bremen habe ich sie ansatzweise erlebt und sehr gemocht. Herr Bachmann unterrichtet in der hessischen Kleinstadt Stadtallendorf Deutsch, Mathe, Englisch und Musik in einer Klasse, die fast nur aus Flüchtlings- und Migrantenkindern von überall her besteht. Natürlich ist es Schwerstarbeit, mit einem solchen Haufen fertigzuwerden. Aber so wie dieser Herr Bachmann es anstellt, wirkt es fast alles ganz mühelos. Er strahlt eine solche Herzenswärme aus, dass er von allen seinen Schülern gemocht wird. Und dabei gelingt es ihm ganz spielerisch, die Kinder immer wieder aufs Neue zu motivieren, ihr Möglichstes aus sich herauszuholen. Einen solchen Lehrer zu haben, ist so ziemlich das Beste, was jungen Menschen passieren kann. Und sie merken ja auch sehr genau, wie gut er es mit ihnen meint, und geben ihm ganz viel zurück.
Wer von sich denkt, dass er den Glauben an das Gute im Menschen verloren hat, sollte sich unbedingt diesen auf der (virtuellen) Berlinale völlig zurecht gefeierten Dokumentarfilm von Maria Speth ansehen, die den Lehrer Dieter Bachmann und seine Schüler jahrelang mit der Kamera begleitet hat. Auch wenn dieser Film 217 Minuten dauert, so hat er doch fast keine Längen, ist immer interessant, kurzweilig und nicht selten auch anrührend. Das schreibt übrigens jemand, der eigentlich gar keine Dokumentarfilme mag…
Herr Bachmann und seine Klasse
Deutschland 2021
Länge: 217 Minuten
Regie: Maria Speth
Drehbuch: Maria Speth, Reinhold Vorschneider
Darsteller als sie selbst: Dieter Bachmann, seine Klasse