Wieder einige aktuelle Titel – von der Arbeitsförderung bis zum Pflegeberuferecht
Matthias Wiemers
Kommen wir zunächst zur Neuauflage des SGB-III-Kommentars von Jürgen Brand aus dem Beck Verlag. Der Band aus der Reihe „Gelbe Erläuterungsbücher“ wurde zum neunten Mal aufgelegt und enthält aktuelle Gesetzesänderungen, die aufgrund von „Corona“ ergangen sind.
Brand, der als pensionierter Präsident des LSG NRW weiter als Rechtsanwalt tätig ist, wurde von vier aktiven bzw. ehemaligen Sozialrichtern unterstützt.
Erschreckend ist der Hinweis des Herausgebers im Vorwort, dass innerhalb drei Jahren seit der Vorauflage nicht weniger als 28 Gesetze einzuarbeiten waren. Trotzdem das Sozialrecht herkömmlich zum Recht der Leistungsverwaltung gerechnet wird, hat die Dichte sozialrechtlicher Regelungen bereits vor geraumer Zeit ein so hohes Maß erreicht, dass nur noch der Gesetzgeber in der Lage ist, die soziale Leistungsverwaltung jeweils neu zu programmieren.
Der Kommentar geht „medias in res“, enthält also keinerlei Einführung, und auch innerhalb der Kommentierung gibt es keine einleitenden Vorbemerkungen vor einzelnen Abschnitten. Das heißt, dieses natürlich für den Praktiker geschriebene Erläuterungswerk setzt erheblich Vorkenntnisse voraus. Andererseits erhält der Praktiker hiermit verlässlich und regelmäßig die Informationen, die er benötig, um Gesetzesänderungen in seiner Praxis realisieren zu können.
Jürgen Brand (Hrsg.), Sozialgesetzbuch Arbeitsförderung – SGB III –. Kommentar, 9. Auflage, Verlag C. H. Beck, München 2021, 1287 S., 125 Euro (ISBN 978-3-406-76559-9)
Kommen wir nun zu zwei Titeln aus der bekannten Reihe des Münchner Ernst Reinhard Verlags. Der Grundkurs „Existenzsicherungsrecht für die Soziale Arbeit“ wurde neu aufgelegt. Dieses ideale Format, um einzelne Vorlesungen bzw. Module des Sozialrechts eigenständig zu repetieren, gliedert sich in diesem Fall in insgesamt 14 Kapitel. Zunächst einmal werden die „Existenzsicherungsleistungen im System der sozialen Sicherung“ verortet. Hier lernt der Nutzer neben der Systematik des Sozialgesetzbuchs auch, dass nicht nur das SGB II Existenzsicherungsleistungen bereithält.
Da der Schwerpunkt des Bandes aber eindeutig beim SGB II liegt, werden im zweiten Kapitel „Träger, Zuständigkeiten und Verfahren nach dem SGB II“ präsentiert. Es folgen „Leistungsberechtigungen und Leistungen“ (3), „Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts und Mehrbedarfe (SGB II)“, „Bedarfe für Unterkunft und Heizung (SGB II)“, „Abweichende Leistungserbringung und weitere Leistungen (SGB II)“. Immer mit Fokus auf dem SGB II folgen „Leistungen für Auszubildende und Leistungen für Bildung und Teilhabe“ (7), „Einkommens- und Vermögenseinsatz“ (8), „Bedarfs- und Haushaltsgemeinschaft“ (9), „Arbeitseingliederung und Sanktionen“ (11). Ergänzend gibt es Kapitel zu „Verpflichtungen anderer, Nachforderung, Rückforderung“ (10), „Existenzsicherung nach dem SGB XII“ (12), „Existenzsicherung nach dem AsylbLG“ (13) und „Entgeltersatzleistungen“ nach den SGBen III und V. Jedes Kapitel schließt mit einem kleines Fall, für den es Musterlösungen im Anhang des Bandes gibt.
Sauer/Wabnitz/Fischer, Grundkurs Existenzsicherungsrecht für die Soziale Arbeit, 2. Auflage, Reinhard Verlag, München 2021, 21, 90 Euro (ISBN 978-3-8252-5739-2)
Leider schon sechs Jahre alt ist der Grundkurs „Bildungsrecht für Pädagogik und Soziale Arbeit“. Dieser Band formiert allein unter dem Namen des hauptsächlichen Autors dieser Reihe, Reinhard J. Wabnitz, der sich allerdings in einzelnen Kapiteln von Jürgen Sauer und Markus Fischer bedient hat.
Auch dieser Band enthält zunächst zwei Grundlagenkapitel, nämlich einmal „Wichtige Grundbegriffe des Rechts“ (1) und „Verfassungsrechtliche Grundlagen“ (2), bevor es zu den eigentlichen Themen des Bandes geht. Und diese sind durchaus spannend, weil sie letztlich verdeutlichen, dass Bildungspolitik ein wichtiger Teil der Sozialpolitik ist – mit anderen Worten: Bildung ist die Grundlage sozialer Teilhabe, und das Sozialrecht unterstützt wiederum Bemühungen der Einzelnen um Bildung. Ein Einzelnen: Kapitel 3 zeigt „Bildungsrechtliche Aspekte des Familienrechts“ auf, bevor das „Bildungsrecht in den Büchern des Sozialgesetzbuchs (SGB)“ aufgefächert wird (4). Im fünften, sechsten und siebten Kapitel wird verdeutlicht, dass die bildungsrechtlichen Schwerpunkte des Sozialrechts im SGB VIII – Kinder- und Jugendhilfe – liegen.
Hier heißt es jeweils „Bildungsrecht nach dem SGB VIII, worin die Stichworte Familienbildung, Hilfe zur Erziehung, Eingliederungshilfe für behinderte Kinder, Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit, Kinder- und Jugendschutz und Kindertagespflege behandelt werden.
Es folgt ein Kapitel zum „Bundesausbildungsförderungsgesetz“ (8), gefolgt von einem Thema „Schulische Bildung“ (9). „Berufliche Bildung und berufliche Weiterbildung nach dem SGB III“ präsentieren die arbeitsförderungsrechtliche Dimension des Bildungsrechts (10). „Bildung für behinderte junge Menschen“ (11) führt ins SGB IX, während das zwölfte Kapitel dem „Prüfungsrecht“ gewidmet ist. Es folgt ein Kapitel zu „Aufsichtspflicht und Haftung, Datenschutz“, der verschiedene rechtsgebiete miteinander vereinigt (13). Der Band, der insgesamt ein gewisses Sammelsurium beinhaltet, schließt mit dem politisch immer aktuellen Thema der „UN-Kinderrechtskonvention“ (14).
Auch in diesem Band endet jedes Kapitel mit einer kleinen Übungsaufgabe. Die Inhalte des Bandes sind sehr praxisrelevant, aber ob die Zusammenstellung zu einem Band wirklich trägt, ist doch die Frage. Mit gleichem Recht wie die bisherigen Kapitel könnten auch Ausführungen zum Hochschulrecht hinzugefügt werden.
Reinhard J. Wabnitz, Grundkurs Bildungsrecht für Pädagogik und Soziale Arbeit, Reinhard Verlag, München 2015, 191 S., 19,99 Euro (ISBN 978-3-8252-4350-0)
Einer der wichtigsten Reformen in einem der arbeitsmarktrelevantesten Berufe war 2017 das seit 2020 geltende Pflegeberufegesetz. Hierzu gibt es bislang mehrere Kommentierungen, von denen die folgende nun bereits zum dritten Mal aufgelegt wurde. Die von dem emeritierten Kieler Ordinarius Gerhard Igl besorgte Kommentierung ist im Heidelberger medhochzwei Verlag erschienen und kommentiert auf gut 750 Seiten sowohl das PflBG wie auch die Pflegeberufe-Ausbildungs- und -Prüfungsverordnung und die Pflegeberufe-Ausbildungsfinanzierungsverordnung, womit alle Teile der ab 2017 ins Werk gesetzten Reform zu höherer Qualifikation und der Abschaffung von Schulgeld aus einer Hand und vollständig kommentiert sind. Dabei hat Igl zwar alle drei Regelungswerke hintereinander kommentiert, dabei aber zugleich die Bezugspunkte der Vorschriften untereinander hergestellt, so dass der Nutzer sofort erkennt, welche Vorschriften der Verordnungen auf Regelungen des Gesetzes antworten und diese konkretisieren.
Auch vermag es der Autor, das jeweils zugrundeliegende europäische Recht jeweils in Bezug zu nehmen und lässt den Nutzer auch hinsichtlich der Motive des Reformgesetzgebers nicht im Ungewissen.
Durchgehend eingearbeitet ist auch die – naturgemäß ganz überwiegend zu den Vorgängerregelungen ergangene – Rechtsprechung der Verwaltungs- und sonstigen Gerichte. Trotzdem dieses Kommentarwerk insgesamt noch als knapp bezeichnet werden kann – weiterführende Literatur wird durchgängig genannt – bietet es doch das neue Recht der Pflegefachberufe aus einer Hand und auf höchstem Niveau ab. Dieser Kommentar ist daher uneingeschränkt zu empfehlen.
Gerhard Igl, Gesetz über die Pflegeberufe (Pflegeberufegesetz – PflBG). Praxiskommentar, 3., neu bearbeitete Auflage, medhochzwei Verlag, Heidelberg 2021, 756 S., 84,99 (ISBN 978-3-86216-817-0)
Zum Schluss sei noch ein ganz besonderes Lehrbuch vorgestellt, obwohl es bereits 2017 erschienen ist. Es heißt schlicht und einfach „Soziale Arbeit – das Recht“. Wer schon einmal „Recht in der Sozialen Arbeit“ oder in ähnlicher Bezeichnung unterrichtet hat, wird bestätigen können, dass sich die Studierenden schwertun damit, mit juristischer Literatur und auch schon mit Gesetzestexten zu arbeiten. Es ist nicht einfach, Kursteilnehmer von Anfang an dazu zu bewegen, Gesetzessammlungen zu beschaffen und darin auch zu lesen. In der Klausursituation wird hierdurch wertvolle Zeit verloren, weil man sich nicht zurechtfindet.
Einen ambitionierten und etwas außergewöhnlichen Ansatz verfolgen die beiden FH-Professoren Knut Hinrichs und Daniela Evrim Öndül aus Hamburg bzw. Bochum.
Sehr schon klingt es, wenn die Autoren in ihrem Vorwort schreiben, sie verfolgten einen Ansatz eines „kritischen Pragmatismus“. Sie wenden sich damit zugleich gegen ein Vorgehen, das „im Lichte eines stark am Grundgesetz orientierten Wertekanons“ arbeitet und auf der anderen Seite gegen einen reinen „rechtskundlich-positivistischen“ Ansatz. Das klingt schonmal gut.
Jedenfalls zeigt meine eigene Erfahrung, dass sich Studierende oft schwertun mit dem Anspruch, ihnen das Gesamtbild darzustellen, das von einer verfassungsrechtlichen Basis ausgeht, wobei dann bei der Darstellung von Menschenwürde und Sozialstaatsprinzip immer darauf hingewiesen werden muss, dass diese Orientierungsmarken eben nur solche sind und in der täglichen Rechtsanwendung normalerweise nichts zu suchen haben.
Wie nun also machen es unsere beiden Autoren?
Sie fangen mit einem Kapitel über Rechtsystematik, Rechtsanwendung, Rechtsdurchsetzung und zeigen sodann erstmal, dass man zwischen den drei großen Rechtsgebieten unterscheiden muss und damit erst einmal festlegen, wo ein praktischer Fall spielt und mit welchen Rechtsgrundlagen er zu lösen ist. Mit zunehmender Konkretisierung wird sodann die Rechtsordnung vor dem Leser entfaltet.
Das Auffinden der Rechtsgrundlage wird zu recht als „halbe Miete“ bezeichnet. Dann geht es aber auch schon in die Rechtsanwendung, indem die juristische Arbeitsweise in aller Kürze dargestellt wird.
Auch die Rechtsdurchsetzung – etwas umgangssprachlich überschrieben mit „Recht haben und Recht kriegen“ – wird behandelt, wo dann auch das Beweisrecht kurz dargestellt wird. Weiter geht es mit Rechtswegen, Zwangsvollstreckung und auch dem Insolvenzverfahren, die kurz erwähnt werden.
Überrascht ist der Leser dann im zweiten Kapitel, das mit „rechtsstaatliche Herrschaft“ überschrieben ist und wo doch tatsächlich die Drei-Elemente-Lehre dargestellt wird. Es folgt eine Darstellung wichtiger Inhalte des Grundgesetzes, wobei zusätzlich das Subsidiaritätsprinzip erklärt wird. Das ist sinnvoll.
Es folgen die Darstellung des Zivilrechts (Kap. 3). Hier wird noch vor der Darstellung des BGB u. a. auch gezeigt, wie die Gerichte die Durchsetzung von Recht garantieren und wie das bekannte „Containern“ von Supermärkten bedingungslos verhindert werden muss.
Es folgt „Das Strafrecht“ (Kap 4), worunter auch das Strafverfahrensrecht und das Jugendstrafrecht ebenfalls erläutert werden.
„Das Verwaltungsrecht und das Sozialrecht“ (5) werden in gut 20 Seiten abgehandelt, was den Leser verwundern mag. Dies ist aber hinnehmbar, wenn man den Zusammenhang mit dem Folgekapitel über „Handlungsfelder der Sozialen Arbeit und ihre Rechtsgrundlagen“ betrachtet. Hier fühlen sich dann nämlich zumindest die nebenberuflich Studierenden sehr schnell in ihrem Arbeitsumfeld zuhause. Der Leser des Lehrbuchs jedenfalls ist bis dahin ausreichend vorbereitet, um die dort dargestellten Teilrechtsgebiete als anschlussfähig an die vorherigen Kapitel zu erkennen.
Am Schluss kommt mit „Professionsrecht“ (7) ein Kapitel über die berufsrechtlichen Anforderungen an Berufstätige in der Sozialen Arbeit, worin auch einige datenschutzrechtliche Fragen untergebracht wurden. Der Band ist insgesamt mit Praxisbeispielen durchzogen, so dass immer wieder Recht mit dem beruflichem Umfeld von Sozialer Arbeit verbunden wird.
Fazit: Da es erfahrungsgemäß ziemlich illusorisch ist, dass sich ein Studierender der Sozialen Arbeit mehr als zwei Rechtsbücher kauft, sollte ihm neben einer aktuellen Gesetzessammlung unbedingt dieses Werk empfohlen werden. Es wird hoffentlich neu aufgelegt, wenngleich klar ist, dass ein solch konzentrierter Ansatz ziemlich unabhängig von ständigen Novellen im positiven Recht bleibt.
Knut Hinrichs/ Daniela Evrim Öndül, Soziale Arbeit – das Recht, Verlag Barbara Budrich, Opladen 2017, 203 S., 17,90 Euro (ISBN 978-3-8252-4351-7)