Nachtrag zur „Schuldrechtsdigitalisierung“

Noch zwei Neuerscheinungen von Martens und Stürner/Wagner

Matthias Wiemers

Eines der beiden Bücher, die jetzt noch zur Schuldrechtsharmonisierung erschienen sind, ist tatsächlich mit „Schuldrechtsdigitalisierung“ überschrieben, und vermutlich gebührt dem Autor, dem Zivilrechtler Sebastian Martens von der Universität Passau, die Urheberschaft an diesem Begriff. Hierin liegt ein sehr schönes Paradoxon. Lässt sich Recht tatsächlich digitalisieren? Eigentlich nicht, möchte man antworten. Das Recht als solches lässt sich genauso wenig digitalisieren wie eine Handwerkerleistung. In beiden Bereichen ging es erstmal um das „Drumherum“, also digitale Kommunikation mit Kunden und Lieferanten und digitale Möglichkeiten von Vertragsschlüssen im BGB. Nunmehr allerdings bringt es die technische Entwicklung mit sich, dass durchaus auch ein Handwerker – etwa durch das Angebot digitaler Fernwartungsverträge – digital arbeiten kann. Die Begriffsbildung ist daher als gelungen zu bezeichnen.
Der knappe Band ist ähnlich aufgebaut wie die bekannte gelbe Reihe bei Nomos, wo ebenfalls gesetzliche Neuregelungen auf wissenschaftlichem Niveau im Kontext dargestellt werden. So ist es auch hier: Der Autor stellt die neuen Vorschriften, die auf drei EU-Richtlinien beruhen, deutlich in den auch historisch unterlegen Zusammenhang der europäischen Rechtsharmonisierung. Ein wertendes Zitat sei hier gebracht: „Mit diesen vier Gesetzen übernimmt der deutsche Gesetzgeber den fragmentarischen Regelungsansatz des Unionsprivatrechts. Diese fragwürdige Gesetzestechnik weicht stark von der Struktur und dem Charakter des ursprünglichen BGB ab, das durch diese Gesetze schwerwiegenden und in ihren Auswirkungen noch nicht absehbaren Änderungen unterzogen wird- Insbesondere durch das Einstellen der Regelungen zu Verträgen über digitale Produkte in den §§ 327 – 327u BGB wird die bisherige Systematik gesprengt (Rdnr. 39).
Ich denke, dass diese Wertung inzwischen von jedem, der sich mit der „Schuldrechtsdigitalisierung“ bereits befasst hat, geteilt werden kann – wird doch die überkommene Struktur des Zweiten Buchs im BGB damit verlassen.
Martens gelingt es, den Stoff in fünf Kapitel darzustellen, wobei das zweite dem europarechtlichen Hintergrund und dem Gesetzgebungsverfahren gewidmet ist. (Die Einleitung als Kapitel 1 zu bezeichnen, ist hier wohl etwas übertrieben.) Im dritten werden die Änderungen des Kaufrechts dargestellt, was den praktisch wichtigsten Teil darstellt. Kern der unter den Titel passenden Materien stellt aber Kapitel 4 dar, der „Verträge über digitale Produkte“ darstellt (ca. 110 Seiten). Das fünfte Kapitel bringt einige weitere Änderungen des Verbraucherrechts.
Mit dem Band gelingt eine erste Orientierung im neuen Rechtsgebiet in jedem Fall. Die Bemühungen der Gesetzgeber auf europäischer und nationaler Ebene, wieder einmal die technische Entwicklung in den Griff zu bekommen, ist selbstverständlich zu unterstützen. Auffällig ist allerdings, dass das Angebot vergleichbarer Einführungswerke relativ hoch ist.
Viel umfangreicher – und das wohl umfangreichste Werk am Markt, ist der Band von Michael Stürner und Eric Wagner (Hrsg.), die als Universitätsprofessor bzw. Rechtsanwalt von fünf weiteren Autoren unterstützt werden.
Diese Band stellt eine Kommentierung sämtlicher von der Schuldrechtsreform betroffener BGB-Vorschriften dar, und es sind nicht wenige. Begonnen wird aber mit einem 1. Teil mit dem Titel „Die Reform des Schuldrechts im Überblick“, bevor ebenso knapp die „Besonderheiten im Kaufrecht“ dargestellt werden. Sodann folgt die Kommentierung, die teilweise mit verschiedenen Versionen von Einzelvorschriften arbeiten muss, da die Änderungen gestuft in Kraft getreten sind bzw. in Kraft treten. Hervorzuheben ist hier noch, dass der Kommentarmit Vorbemerkungen vor §§ 312 ff. und vor § 327 ff. BGB arbeitet. Der Band schließt mit einer Synopse der unterschiedlichen Gesetzesfassungen des BGB im vierten Teil. Es handelt sich hier im wesentlichen um einen Auszug aus der 17. Auflage des BGB-Kommentars Prütting/Wegen/Weinrich von 2022, so dass auch jeder, der diese Auflage bisher nicht erworben hat, darin eine Aktualisierung des Kommentars erblicken kann.

– Sebastian Martens, Schuldrechtsdigitalisierung. Einführung in die Änderungen des Kauf- und Verbraucherrechts, insbesondere in die Regelungen der Verträge über digitale Produkte (§§ 327 ff. BGB), München 2022, 196 S., 35 Euro (ISBN 978-3-406-77618-2)

– Michael Stürner/ Eric Wagner, Die Schuldrechtsreform 2022. Unter besonderer Berücksichtigung der kaufrechtlichen Belange, 535 S, 49 Euro (ISBN 978-3-472-09763-1)

Veröffentlicht von on Jun 6th, 2022 und gespeichert unter BESPRECHUNGEN, LITERATUR. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

Hinterlassen Sie einen Kommentar!