Bajuwarischer Schräg-Bläser

Scheiben Spezial: Vor 40 Jahren erschien die erste Platte von Haindling

Thomas Claer

Seine Debüt-Platte hat er noch ganz allein aufgenommen, einfach mehrere Spuren übereinandergelegt, schließlich beherrscht er wohl an die zwanzig Musikinstrumente. Und er benannte sein Erstlingswerk schlicht nach seinem niederbayrischen Wohnort: „Haindling 1“. Später hat Hans-Jürgen Buchner, Jahrgang 1944, dann auch noch wechselnde Begleitmusiker um sich geschart, womit „Haindling“ auch als Band geboren war. Aber im Grunde genommen war und blieb es doch immer ein Ein-Mann-Projekt: Haindling war Buchner und Buchner war Haindling.
Auf eine ganz erstaunliche, nun vier Jahrzehnte währende Karriere kann Haindling mittlerweile zurückblicken, denn wirklich massentauglich ist eine solche Musik – die abenteuerliche Kreuzung aus Jazz und bayrischer Folklore mit oftmals dadaistischen Mundart-Texten und immerhin gelegentlich poppigen Melodien – eigentlich nie gewesen. Aber Buchner, der Querkopf, der musikalische Autodidakt, der bis heute Wert darauf legt, keine Noten lesen zu können, hat etwas, was nur wenige haben: natürliches Charisma. Und hinzu kommt sein ausgeprägter kauziger Humor. Ein Großteil seiner Songtexte basiert auf skurrilen Alltagsgesprächen und -beobachtungen. So heißt es zum Beispiel in seinem Gassenhauer „Er hod g’raucht“(1993):

Du I sog da oans,
I bin a doadkranker Mo
Ja wieso wos is’n los
I bin a doadkranker Mo
Ja steill da amoi vor wos da Dokta zua mia sogt
I derf ibahabt nix mehr heb’n
Ja konnst da Du des vorsteilln,
Des hoasd I derf ja ned amoi an Kastn Bier heb’n
Ja da bin I do koa Mensch mehr, oda?
Und’s Raucha hob I aufkeahd,
Oba I hob jetzt scho wieada ogfangt,
Weil’s ma einfoch schmeckt
Weil’s ma einfoch schmeckt, vastehsd?
Und woasd was I da sog:
Und sollte ich wirklich einmal sterben,
Konn I zumindest oans sogn –
I hob wenigstens g’raucht.

Lautmalerische und rhythmisierende Texte dieser Art verschmelzen bei Haindling förmlich mit ihren musikalischen Gewändern, am eindrucksvollsten vielleicht im Song „Du Depp“ von 1984, einem wahren Meisterwerk dieser Gattung. Und dazu dann immer wieder diese unwiderstehlichen Bläser-Einschübe, bevorzugt mit dem Saxophon.
Auch wenn Haindling dieses hohe Niveau im Laufe der Jahre nicht durchgängig halten konnte, finden sich doch selbst auf den späteren CDs noch immer wieder großartige Perlen, oftmals auch Instrumental-Miniaturstücke („Hühner-Techno“, „Die Tänzerin“, „Mama“). Dass sich Hans-Jürgen Buchner neben seinen regulären Platten-Veröffentlichungen noch ein zweites musikalisches Standbein mit der Komposition von eher seichter Hintergrundmusik für Filme und Vorabendserien des Bayrischen Rundfunks geschaffen hat, sollte ihm niemand verübeln.
Als stärkste Haindling-Platte gilt seine zweite Veröffentlichung „Stilles Potpourri“ (1984) mit den Hit-Singles „Du Depp“ und „Lang scho‘ nimma gsehn“. Aber dicht danach folgt auch schon „Haindling 1“ (1982) mit Höhepunkten wie „Achtung, Achtung“, „Rote Haar“ oder „Erzherzog Johann“. Man kann es sich gut vorstellen, wie Buchner zu jener Zeit noch als Ein-Mann-Kapelle in Kneipen aufgetreten ist…
Seit 13 Jahren hat Haindling nun allerdings schon kein neues Album mehr veröffentlicht. Kein Wunder, ist Hans-Jürgen Buchner doch mittlerweile auch schon Ende siebzig. Doch ans Aufhören denkt er nach eigenen Angaben keineswegs. Vielmehr arbeite er, so verriet er jüngst in einem Interview, nach wie vor an neuem Material. Möge daraus noch ein Haindling-Alterswerk entstehen!

Buchner (Haindling)
Haindling 1
Polydor (Universal Music) 1982
ASIN: B0000084YV

Veröffentlicht von on Aug 8th, 2022 und gespeichert unter SCHEIBEN VOR GERICHT. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

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