FAZ-Redakteurin Sibylle Anderl mit ihrem Erstlingswerk „Das Universum und ich. Die Philosophie der Astrophysik“
Benedikt Vallendar
Zugegeben, das Buch hat es in sich. Und man darf davon ausgehen, dass auch vielbelesene Juristen nach der Lektüre nicht alles von dem verstanden haben, was uns die Autorin vermitteln möchte. Von „Licht“ ist da die Rede, von „Strahlungen“, „schwarzen Löchern“ und manch anderem, was allenfalls jene verstehen, die mindestens erfolgreich einen Physikleistungskurs absolviert haben. Und dennoch. Auf nahezu erfrischende Art und Weise gelingt es Sibylle Anderl, geboren 1981 in Oldenburg und zur selben Schule gegangen wie die frühere RAF-Terroristin Ulrike Meinhof, dem Leser die Grenzen der Astrophysik im Spannungsfeld zwischen Wissenschaft, Spekulation und Philosophie zu öffnen. Will sagen: Die Erkenntnisgrenzen der eigenen Disziplin zu akzeptieren und nach neuen Wegen zu suchen, diese zu überwinden.
Was nur wenige wissen: Vieles von dem, was die Astrophysik für erwiesen hält, basiert allein auf sekundären Erkenntnissen, wie Temperatur, Beobachtungen und Strahlung. Und warum? „Weil es eben Jahrtausende und länger andauernder Reisen bedürfe, vor Ort das zu überprüfen, was uns in der Fachwelt beschäftigt“, sagt Anderl. Doch wie weit reicht das Universum? Und ist es für den Menschen nicht erschreckend, sich mit der Unendlichkeit eines spekulativen Raums abzufinden, wofür schon Kant plädierte? Vieles, was die Astrophysik beseelt, wirft weitaus mehr Fragen auf, als sie beantwortet. Und allein diesem Umstand dürften schlussendlich auch Philosophie und Theologie ihre Daseinsberechtigung verdanken. Denn wer würde noch ernsthaft an einen Gott oder andere Lebenserklärungsmuster glauben, wenn auch der letzte Winkel des Weltalls ausgeleuchtet werden könnte …?!! Doch genau darin liegt der Reiz dieses Buches. Es verklärt die Astrophysik nicht zur Geheimwissenschaft, sondern versteht sich als Brückenbauer zwischen dem, was Menschen verstehen – und was sie beschäftigt.
Sibylle Anderl: Das Universum und ich: Die Philosophie der Astrophysik, Hanser-Verlag, München 2017, ISBN 978-3-446-25663-7 (2. Auflage)