Der Grüneberg, a.k.a. Palandt, in 82. Auflage
Cornelia Knappe
Bereits zum zweiten Mal ist “der Palandt”, der Traditionskommentar par excellence in der juristischen Literatur, nun unter seinem neuen Namen als “der Grüneberg” erschienen. Wir erinnern uns: Jahrelang hatte dieses Standardwerk unter den BGB-Kommentaren ob seines vormaligen Namens als veritables Ärgernis gegolten, denn Namensgeber Otto Palandt (1877-1951), von 1934 bis 1943 Präsident des Reichsjustizprüfungsamts und ab der 1. Auflage 1938 bis zu seinem Tod Herausgeber des besagten Kommentars, galt (und gilt unverändert) als hochgradig NS-belastet. In seine Zuständigkeit fiel der Erlass der neuen Justizausbildungsordnung, die die NS-Ideologie zum Ausbildungsziel erklärte. Noch dazu wird vermutet, dass der berüchtigte Nazi-Richter Roland Freisler, den Palandt aus seiner Juristenausbildungszeit in Kassel gut kannte, ihn, Palandt, für die Präsidentenstelle empfohlen hatte. Noch bis zur vorvorigen Auflage waren alle Initiativen zur Umbenennung “des Palandt” gescheitert, doch dann war wohl der Druck zu groß geworden, und der Beck-Verlag lenkte ein. Doch wenn schon ein neuer Name für das altbekannte Produkt hermusste, dann sollte es offenbar auch gleich ein wohlklingender und ausschließlich positiv konnotierter sein, der in die Zeit passt und für ein besseres Image sorgt. Kurzum, mit der Umbenennung in Grüneberg ist dieses Unterfangen vollauf geglückt. Neu-Namensgeber und Koordinator der Kommentar-Autoren Christian Grüneberg, geb. 1960 in Wiesbaden und seines Zeichens Richter am Bundesgerichtshof, kann von Glück sagen, dass er einen so rundum positiv assoziierten Namen trägt, denn nun denkt man als Benutzer dieser Kommentierung nicht mehr an finstere Verstrickungen und verstaubte Schandparagraphen, sondern an Ökologie und heile Welt. Die PR-Abteilung von C.H. Beck wird es freuen, wobei Umsatzeinbußen aufgrund der Umbenennung ohnehin nicht zu erwarten waren…
Die 82. Auflage ist unvermeidlicherweise ein paar Euro teurer als bisher, doch fällt die Preissteigerung zu den vorherigen Auflagen noch sehr moderat aus. Inhaltlich wurde das neue Betreuungsrecht vollständig berücksichtigt: Es erfolgte eine komplette Neukommentierung der §§ 1773-1888 BGB (Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts zum 1.1.2023). Erstmals wurde auch das neue Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz (VBVG) mitkommentiert. Weitere aktuelle Schwerpunkte sind die Neuregelung der Informationspflichten und der Widerrufsbelehrung im Online-Handel, das Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG), das Gesetz für faire Verbraucherverträge mit Änderungen im Recht der AGB, das Gesetz zur Änderung des BGB und des EGBGB in Umsetzung der EU-Richtlinie zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union, das Mietspiegelreformgesetz, das Gesetz zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG) vom 3.6.2021 (BGBl. I S. 1444) mit einer (weiteren) Änderung des § 1795 I 3 BGB (Inkrafttreten: 1.1.2023) sowie das Gesetz zur Abschaffung des Güterrechtsregisters (Inkrafttreten 1.1.2023).
Fazit: Der “neue Grüneberg” ist innerlich weitgehend der “alte Palandt” geblieben.
Grüneberg
Bürgerliches Gesetzbuch (Kommentar)
82. Auflage 2023
3.270 Seiten; 125,00 Euro
ISBN: 978-3-406-78885-7