Thomas Schlegel legt seinen „Kompass Recht“ neu auf
Hermann Paschulke
Der Frankfurter Rechtsanwalt Thomas Schlegel, der eine Professur für Medizinrecht an der Hochschule Fresenius in Idstein hält, hat sein in der Reihe „Kompass Recht“ bei Kohlhammer erschienenes kleines Lehrbuch nach fünf Jahren aktualisiert. Die inzwischen nun schon einige Jahre auf dem Markt befindliche Reihe hat sich als recht erfolgreich erwiesen. Andere Vertreter dieser Reihe konnten mit den Stoffmassen ihres Fachbereichs offenbar nicht so souverän umgehen wie Schlegel und verlagerten Teile davon in das Internet oder auf eine beiliegende CD-ROM. Für das Vorgehen Schlegels spricht allerdings schon auf den ersten Blick die Tatsache, dass Studierende kaum noch Bücher lesen. Schon gar nicht schaffen sie sich für einzelne Fächer gleich mehrere Bücher an, und ein Dozent rechtswissenschaftlicher Fächer muss froh sein, wenn er einigermaßen aktuelle Gesetzestexte in den Händen der Studierenden weiß. Es ist ein Trauerspiel und zeigt die Schattenseiten der Akademisierung. Dennoch sollte man die Hoffnung niemals aufgeben und auch sehen, dass Studierende an privaten Hochschulen wie bei Fresenius immerhin etwas für ihr Studium bezahlen und nicht gänzlich auf Kosten der Steuerzahler existieren. Vor diesem Hintergrund ist das hier vorzustellende Werk daraufhin durchzumustern, ob es wohl die Nutzerinnen und Nutzer dazu verleiten könnte, sich weiter mit dem typischerweise ungeliebten Recht auseinanderzusetzen. Und dies kann nur dadurch geschehen, dass der Stoff so aufbereitet wird, dass er durch Verständlichkeit zu Erfolgserlebnissen führt. Dies wünscht sich nämlich jeder Jurist, der vor eigentlich „Fachfremden“ referieren muss.
Schlegel liefert zunächst ein als noch knapp zu bezeichnendes Literaturverzeichnis. Die ebenfalls vorne im Buch befindliche „Übersicht über die Piktogramme“ enthält zwar ein Downloadsymbol, dieses findet sich aber im Buch nicht wieder.
Der Autor startet mit einem recht knappen und auch sicher nicht von jedem erwarteten Kapitel m. d. T. „Struktur und Akteure des deutschen Gesundheitswesens“. Hierin wird die Komplexität des Systems kurz angedeutet und werden einige wichtige Gesetzeswerke kurz erwähnt, bevor die „Akteure“ vorgestellt werden. Zutreffend werden zunächst die Patienten erwähnt, dann aber „Selbstverwaltung und Aufsichtsgremien“. An den Leistungserbringern fehlt es hier, und bei der Erwähnung der Kammern werden zwar noch nicht vorhandene, allenfalls diskutierte erwähnt, nicht aber die derzeit zwei Pflegeberufekammern. Dies mag ein erfrischend knapper Beginn bei der Lektüre sein, die Auswahl der „Akteure“ erscheint allerdings als etwas willkürlich.
Im zweiten Kapitel geht es um „Die medizinische Behandlung“. Hier startet Schlegel mit den zivilrechtlichen Aspekten, und zwar mit dem Behandlungsvertrag, der unter Ziff. 1 abgehandelt wird – mit durchaus nicht zwingenden Unterabschnitten – und dem dann keine Ziffer 2 folgt. Unter II. „Sozialrechtliche Aspekte“ werden das Sachleistungsprinzip und das Kostenerstattungsprinzip behandelt, wobei das bedeutende Wirtschaftlichkeitsprinzip wiederum unter dem Sachleistungsprinzip behandelt wird – auch dies ein systematisch durchaus hinterfragbares Vorgehen. Eine nützliche graphische Übersicht über das Sachleistungsprinzip ist sicherlich nur unter drucktechnischen Gesichtspunkten unter dem Kostenerstattungsprinzip eingeordnet, kann sachlich eindeutig zugeordnet werden.
Es folgt III. die Darstellung der „Haftung für Aufklärungs- und Behandlungsfehler“, wo es dem Autor gelingt, in aller Kürze dieses komplexe Thema darzustellen, was für die meisten Studierenden der einschlägigen Studiengänge sicherlich ausreichend ist. Es folgt mit dem dritten Kapitel der umfangmäßige Schwerpunkt des Bändchens: „Das Recht der Heilberufe“. Hier wird allerdings in unzulässiger Weise das SGV mit zu den relevanten Gesetzen gezählt, aber unter der Zwischenüberschrift „Berufsrecht auf Bundesebene“ ist die Zuordnung schlicht unzutreffend.
Kapitel vier enthält das für die Absolventen ebenfalls sehr wichtige „Krankenhausrecht“, wo u. a. auch Strafrecht und Berufsrecht in Bezug auf die Akteure im Krankenhaus integriert sind. Dieses Kapitel überzeugt. Ein Trend der letzten Jahre sind „Direkt-Selektivverträge mit Krankenkassen“, wodurch eine gesonderte Darstellung dieser Abweichung vom Grundmodell der Versorgung eine eigenständige Darstellung rechtfertig, die ebenfalls überzeugen kann. Sinnvoll war es auch, das „Arzneimittelrecht“ in einem weiteren (6.) Kapitel darzustellen und schließlich, in einem abschließenden Kapitel die Versorgung mit Medizinprodukten im Rahmen einer knappen Darstellung des Hilfsmittelrechts zu vermitteln. Denn hierdurch wird sogleich der Bezug der ja durchaus kompliziert geregelten Medizinprodukte zum Sozialrecht hergestellt.
Insgesamt hätte man sich allerdings eine um etwa 20 Seiten vermehrte Darstellung gewünscht, die es erlaubt hätte, einige kategoriale Unterscheidungen anhand stringenter Gliederungsstufen besser darzustellen. Ob es gelingt, Studierenden mit Hilfe dieses Kompass Recht Erfolgserlebnisse zu vermitteln, muss die akademische Praxis zeigen.
Thomas Schlegel
Medizin- und Gesundheitsrecht
Kohlhammer Verlag, 2. Auflage 2024
160 Seiten; 26,00 Euro
ISBN 978-3-17-034405-1