Nahostkonflikt

Geheime Aufzeichnungen eines Volljuristen

Liebes Tagebuch,

über den Nahostkonflikt habe ich mich bisher noch nie geäußert und werde es auch nur dieses eine Mal tun, nämlich jetzt und hier im Schutze der Anonymität dieser Kolumne. Ehrlich gesagt ist mir der Nahostkonflikt nämlich schon als Jugendlicher auf die Nerven gegangen, weil ich nie verstehen konnte, warum er nicht schon längst beigelegt worden war. Mit einem Minimum an gutem Willen auf beiden Seiten hätte man doch schon vor Jahrzehnten eine dauerhafte gute Lösung zum beiderseitigen Vorteil finden können. Ein so fruchtbares Stückchen Erde in Traumlage direkt am Mittelmeer – nicht umsonst war schon in der Bibel vom gelobten Land die Rede. Darin steckt doch ein riesiges Potenzial. Aber stattdessen massakrieren sie sich dort gegenseitig ohne Ende!

Aus Protest habe ich mir schon vor mehr als dreißig Jahren abgewöhnt, die Nachrichten von dort zu verfolgen. Eigentlich interessiere ich mich sehr für internationale Politik, sehe mir gerne das Auslandsjournal im Fernsehen an und studiere genau die Auslandsseiten in der Tageszeitung. Aber sobald über Israel und Palästina berichtet wird, schalte ich sofort ab oder lese nicht mehr weiter, weil ich mich sonst bloß darüber aufregen würde. Die jüngsten Entwicklungen allerdings, also die Geschehnisse des 7. Oktobers 2023 (das schönste Geburtstagsgeschenk für Wladimir Putin seit der Ermordung von Anna Politkowskaja) und deren Folgen lassen sich leider auch von mir nicht mehr ignorieren. Habe mich sogar veranlasst gefühlt, die Historie des Palästina-Konflikts noch einmal in einem Zeitungs-Spezial genau nachzulesen. Es ist einfach nur haarsträubend!

Gerne würde ich schreiben, dass die dort lebenden Menschen ja nichts dafür können. Das scheint mir aber keineswegs so zu sein. Nach meinem Eindruck besteht ungefähr die Hälfte der israelischen Bevölkerung aus leidenschaftlichen Araber-Hassern und mindestens 90 Prozent der Palästinenser aus glühenden Antisemiten. Letzteres dürfte aber auch auf die Bevölkerung der umliegenden arabischen Länder zutreffen (die gebildeten Schichten jeweils ausdrücklich eingeschlossen). Es mag sein, dass der Staat Israel als (noch!) halbwegs funktionierende Demokratie nach unseren Maßstäben weniger schlimm ist als die Mörderbande Hamas, hinter der vermutlich fast alle Palästinenser stehen. Aber was der (mutmaßliche) Kriegsverbrecher Netanjahu – so darf man ihn spätestens seit dem Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen ihn auch offiziell nennen – zuletzt angerichtet hat – dafür hält sich mein Verständnis doch in sehr engen Grenzen.

Es fragt sich jetzt natürlich, ob es wirklich so eine so gute Idee war, die Sicherheit Israels zur „deutschen Staatsräson“ zu erklären, wie es die Vorgängerin des amtierenden Bundeskanzlers einmal getan hat und damit ohne Not weiter ging, als alle Bundeskanzler vor ihr. Und ebenso fragt sich, ob es auch insofern nicht besser gewesen wäre, bei der Aufnahme von Menschen mit dezidiert antisemitischem kulturellen Hintergrund etwas zurückhaltender zu agieren. (So ähnlich hat es Henry Kissinger noch kurz vor seinem Tod Deutschland vorgehalten, und das gerade auch wegen seiner Vergangenheit.) Manchmal liegt es auch einfach im eigenen Interesse, Psychopathen und Fanatiker möglichst auf Distanz zu halten. Da das alles jetzt aber nicht mehr nachträglich zu ändern ist, wäre es aktuell vielleicht am klügsten, zum einen das Wort von der „Staatsräson“ oder auch „bedingungslosen Unterstützung“ für Israel einfach nicht mehr zu verwenden und stattdessen lieber nur noch von der besonderen historischen Verantwortung Deutschlands zu sprechen, was ja auch schon eine Menge ist – angesichts dessen, wie Israel sich derzeit aufführt. Und zum anderen hier bei uns die Anstrengungen hinsichtlich Jugend- und Sozialarbeit sowie politischer Bildung um ein Vielfaches in die Höhe zu schrauben – um so dem weit verbreiteten Antisemitismus in den Köpfen endlich wirksamer den Kampf anzusagen. Und das in der Hoffnung, damit idealerweise auch die Familien unserer syrischen Ärzte zu erreichen, die natürlich unbedingt weiter hierbleiben sollten, weil wir sie nun mal dringend brauchen.

Dein Johannes

Veröffentlicht von on Dez 16th, 2024 und gespeichert unter JOHANNES, LIEBES TAGEBUCH. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

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