Geheime Aufzeichnungen eines Volljuristen
Liebes Tagebuch,
manche Menschentypen braucht man vor allem in bestimmten Situationen, aber dann so richtig. Jahrelang war man von ihnen genervt, doch plötzlich haben sie ihren ganz großen Auftritt.
Vor einigen Jahren wirkte meine Frau an einer Reportage der koreanischen Zeitung, für die sie manchmal schreibt, über das deutsche Rechtssystem mit. Aus diesem Anlass war sie mit ihren Kollegen aus Seoul auch im Deutschen Bundestag und führte kurze Interviews mit mehreren jeweils von ihren Fraktionen dafür benannten Politikern. Die Fraktion der Grünen hatte Britta Haßelmann geschickt, die damals wohl noch nicht Co-Fraktionsvorsitzende war. Meine Frau war nach diesem Gespräch sehr erbost über Britta Haßelmann, weil diese so unfreundlich, unwirsch, kurz angebunden, ja regelrecht pampig gewesen sei. Ganz komisch fand meine Frau, dass eine Partei wie die Grünen, für die sie immer große Sympathien gehegt hatte, sich von einer so unkonzilianten Person wie Britta Haßelmann vertreten lasse. Hingegen waren ihre Gesprächspartner von der SPD sachlich und neutral und von der CDU sogar besonders nett gewesen.
Seitdem sagte ich immer, wenn in den Fernsehnachrichten Britta Haßelmann ins Bild kam, spöttisch zu meiner Frau: „Guck mal, da ist wieder deine Freundin Britta Haßelmann.“ Doch durch die Ereignisse der letzten Wochen ist nun sonnenklar geworden, was die Grünen an Britta Haßelmann haben. Monatelang hatten die Unionsparteien im Bundestagswahlkampf verbal auf die Grünen eingedroschen („Linke und grüne Spinner!“, „Nicht regierungsfähig!“, „Habeck soll wieder Kinderbücher schreiben!“, „Auf Nimmerwiedersehen!“), obwohl es doch sehr gut möglich war, dass man sie nach der Wahl noch als Koalitionspartner brauchen würde. Ganz so weit ist es dann zwar nicht gekommen, aber schon bald zeigte sich, dass die designierte neue GroKo bei den zur Einrichtung der dringend benötigten Sondervermögen erforderlichen Grundgesetzänderungen zwingend auf die Zustimmung der Grünen angewiesen war. Der angehende neue Bundeskanzler Merz glaubte zunächst fest daran, die Stimmen der Grünen für sein Projekt schon sicher zu haben, denn schließlich würde die Ökopartei doch in Krisenzeiten wie diesen schon aus staatspolitischer Verantwortung ganz sicher keine Scherereien machen. Und so sprach Merz mal eben auf die Mailbox von Britta Haßelmann, ob das denn so klargehe, man könne ja gerne ein paar Klimaschutzaspekte noch mit aufnehmen.
Aber da hatte er seine Rechnung ohne Britta Haßelmann gemacht. „Wir Grüne brauchen von niemandem Belehrungen über staatspolitische Verantwortung – und schon gar nicht von Markus Söder und Friedrich Merz“, erklärte sie sehr resolut auf der anschließenden Pressekonferenz. Und dementsprechend knallhart führte sie gemeinsam mit ihrer Co-Fraktionsvorsitzenden Katharina Dröge die Verhandlungen mit der Union. Der bayrische Ministerpräsident, dem Britta Haßelmann zuvor sein Machogehabe und Mackertum vorgehalten hatte, war daran nicht beteiligt. „Das ist sicherlich für beide Seiten besser so“, verriet er bei „Maischberger“. Über mehrere Tage hin brachten „Haßelmann & Dröge“ mit ihrer unnachgiebigen Haltung die Unterhändler der Union dann schier zur Verzweiflung, zumal enormer Zeitdruck bestand, denn die Grundgesetzänderungen mussten noch vom alten Bundestag mit seiner noch bestehenden Zweidrittelmehrheit beschlossen werden. „Wir haben Ihnen 50 Milliarden Euro nur für den Klimaschutz angeboten. Was wollen Sie denn noch mehr?!, rief ein sichtlich angefasster Friedrich Merz in seiner Rede der Grünen-Fraktion im Bundestag zu. Tags darauf wurde dann die Einigung verkündet: Es wurden 100 Milliarden Euro für den Klimaschutz vereinbart. Vermutlich war das mehr, als die grüne Partei in drei Jahren Ampelkoalition für Umwelt- und Klimaschutzbelange erreicht hatte.
Ein Hoch auf die toughe Verhandlerin Britta Haßelmann! Wohl niemand von ihren netten Kolleginnen und Kollegen hätte Vergleichbares geschafft. Sogar meine Frau spricht seitdem nur noch voller Hochachtung von Britta Haßelmann, die es Merz und Söder aber mal so richtig gezeigt hat…
Dein Johannes