Piovano und Hess kommentieren die neue EU-Produkthaftungsrichtlinie
Matthias Wiemers
Vielleicht haben viele von uns es bereits vernommen: Die EU will ein neus Produkthaftungsrecht einführen. Zunächst einmal mag es verwundern und mag zugleich die rechtspolitischen Akteure in den Mitgliedstaaten erleichtert aufhorchen lassen, dass nun nicht schon wieder eine Verordnung – neudeutsch auch als „act“ bezeichnet – gewählt wurde, sondern es bei der guten alten Richtlinie als Reglungstyp geblieben ist.
Der Band aus der bekannten Reihe „NomosPraxis“ dokumentiert und kommentiert zunächst auf Grundlage des so genannten abgestimmten Entwurfs der EU-Gremien. Ein Einleger im Buch benennt nun noch die redaktionellen Änderungen, die sich aufgrund der Annahme durch den Rat am 10. Oktober 2024 ergeben haben.
Sehr sinnvoll ist zunächst der historische Rückblick zu Beginn des Bandes, der den historischen Kontext der Produkthaftungsrichtlinie 1985 darstellt.
Wir alle wissen heute, dass die neue Richtlinie auch Software erfasst – der wesentliche Unterschied zur 85er-Richtlinie (Und man kann auch vermuten, dass die Entstehung der amerikanischen Internetgiganten auch damit zu tun hat, dass das US-Produkthaftungsrecht, das das Vorbild auch des EU-Rechts darstellte, ebenfalls nicht vor Softwarefehlern schützte).
In dem ersten Kapitel (§ 1) wird auch darauf hingewiesen, dass ein wichtiges Thema der Novelle auch der Förderung der Kreislaufwirtschaft durch spezielle Haftungsregeln galt (S. 20). § 2 zeigt den „Anwendungsrahmen der Produkthaftungsrichtlinie“ auf, bevor das dritte Kapitel ausgerechnet mit den „Definitionen“ (§ 3) den umfangreichsten Teil des Bandes verkörpert.
Sodann werden „Beteiligte im Produkthaftungsfall“ (§ 4), „Haftungssystem und -umfang“ (§ 5) sowie „Neue Beweisregeln“ (§ 6) präsentiert. Das letzte Kapitel zeigt schon im Titel auf, was der Unterschied zwischen einer nunmehr üblichen Verordnung und einer Richtlinie ist. Indem „weitere Verpflichtungen der Mitgliedstaaten und der EU“ (§ 7) beschrieben werden, wird deutlich, dass ja nunmehr noch die Mitgliedstaaten und darunter die Bundesrepublik Deutschland die Richtlinie in ihr nationales Recht umzusetzen haben. Und genau um diese Aufgabe sorgen sich die beiden in jedem Kapitel gemeinschaftlich auftretenden beiden Autoren durchgehend, indem sie immer wieder ein Kästchen mit der Überschrift „Praxishinweis“ oder „Hinweis zur Richtlinien-Umsetzung“ eingebaut haben, in dem sie nicht nur die im Endeffekt Rechtsunterworfenen adressieren, sondern in den meisten Hinweiskästchen erst einmal die Mitgliedstaaten, denen Hinweise zur Umsetzung ins nationale Recht gegeben werden.
Der Band schließt mit dem Abdruck der immer noch als knapp zu bezeichnenden Richtlinie. Die Autoren sind Rechtsanwälte, darunter ein Syndikusrechtsanwalt.
Einmal mehr muss festgestellt werden, dass die einmalige Reihe NomosPraxis in einem noch überschaubaren Format erreichen, dass ein Fachpublikum frühzeitig darüber informiert wird, welches Wirkungspotential einem neuen Gesetzgebungsakt denn letztlich in der Praxis zukommt.
Piovano / Hess
Das neue europäische Produkthaftungsrecht. EU-Produkthaftungsrichtlinie (ProdHaftRL)
Nomos Verlag 2025
155 Seiten; 49,00 Euro
ISBN 978-3-7560-0702-8