Ehemalige Westberliner Abiturienten haben ihre Erinnerungen an den Mauerbau 1961 und die Zeit davor aufgeschrieben
Benedikt Vallendar
Berlin – Es gibt Fälle, da steht die Staatsraison über den allgemeinen Menschenrechten. So geschah es am 13. August 1961, als die SED Westberlin einmauerte, um dahinter ihr „Arbeiter- und Bauernparadies“ zu errichten. In „Immer auf der Hut“ beschreiben ehemalige Schülerinnen und Schüler der Bertha von Suttner Schule in Berlin-Reineckendorf, ehemals West-Berlin, wie sie Ende der Fünfzigerjahre von beiden Stadthälften hin- und herpendelten und dabei manch böse Überraschung erlebten; und das nicht nur beim Grenzübertritt, der stets einem Vabanquespiel glich. „Eine unabhängige Justiz war der DDR bekanntlich unbekannt“, sagt einer der Autoren und ehemaligen Zeitzeugen. „Entsprechend willkürlich konnten DDR-Grenzer mit uns umspringen“.
Wer als Jura-Student des Jahres 2012 wissen möchte, wie sich das Leben für Oberprimaner, 18 bis 20-Jährige, im anderen Teil Deutschlands bis zum Mauerbau 1961 abspielte, wie elementare Menschen- und Bürgerrechte in der DDR buchstäblich mit den Füßen getreten wurden, dem sei dieses Buch wärmsten empfohlen. Was Recht bedeutet und wie sich Unrecht in der DDR tatsächlich zeigte, beschreiben die Autoren anhand zahlreicher Beispiele aus ihren eigenen Biografien.
Nicht alle ehemaligen „Ost-Schüler“ der Bertha von Suttner Schule haben es damals so ohne weiteres von Ost nach West geschafft – manches, auch lebensgefährliche Hindernis, musste überwunden werden, um ein Leben in Freiheit führen zu können. Auch davon berichtet das Buch, und es zeigt, dass 1989 nicht nur eine Mauer, sondern auch ein im Innern verfaultes Rechtssystem buchstäblich im Nichts verschwunden ist.
Schülerinnen und Schüler der Bertha von Suttner Schule Berlin Reineckendorf – „Immer auf der Hut“. Als die Mauer dazwischen kam.
Verlag Schleichers Buchhandlung Berlin Dahlem, Berlin 2012
212 Seiten (mit bgfgt. DVD), 19.90 Euro
ISBN 978-3-9809089-4-8