„Die Jurastudenten sind oft so verbissen“

Justament-Gespräch mit Sarah Stosno über ihren juristischen Blog „Juraculix“

drum-herum-sarah-stosnojpgSarah Stosno ist freiberufliche Übersetzerin aus Berlin. Nachdem sie ihr Erststudium in Anglistik und Japanologie erfolgreich abgeschlossen hatte, begann sie 2010 Jura an der FU Berlin zu studieren. Sie schreibt auf ihrem Blog www.juraculix.de über die Herausforderungen des Jurastudiums und ihren Uni-Alltag.

Sagen Sie mal, Frau Stosno, sie machen da ja eine ganz hübsche Seite. Aber Sie posten dreimal pro Woche, da kommt doch schnell so allerhand zusammen. Wer liest das eigentlich alles?

Na, ich hoffe mal die Leute, die meine Seite besuchen! ;) Aber, so viel ist das nun auch nicht. Zum einen, ist ein Artikel pro Woche meist nur ein Legal-Snail-Mail-Comic und zum anderen sind meine Artikel ja auch meist relativ kurz. Mehr als 2-3 Minuten braucht man selten zum Lesen.

Und wer sollte das denn nach Ihrer Intention alles oder jedenfalls teilweise lesen? Wie stellen Sie sich den idealen Juraculix-Leser vor?

Also einen idealen Leser im engeren Sinne habe ich nicht. Ich schreibe ja über meinen Uni-Alltag und welche Probleme ein Zweitstudium bzw. das Jurastudium so mit sich bringen. Daraus ergibt sich wohl, dass viele meiner Leser selbst Jurastudenten sind.

Wie jeder weiß, ist jeder Text irgendwie autobiographisch. Doch Ihre sind es ganz besonders. Es soll ja wohl auch kein Journalismus sein, sondern eben ein Blog. Aber ist es nicht ein Wagnis, sich so öffentlich auszustellen, macht man sich dadurch nicht angreifbar? Oder vertrauen Sie darauf, dass sich angesichts der Menge schon keiner die Mühe machen wird, zu vieles über Sie in Erfahrung bringen zu wollen?

Ich sehe in einem persönlichen Blog kein Wagnis, wenn man sich bewusst ist, was man öffentlich macht. Wie ich lerne, welche Vorlesungen ich besuche oder dass es mich nervt, wenn andere Studenten während der Vorlesung quatschen, kann ruhig jeder wissen. Ich sage auf meinem Blog nichts, was ich nicht auch sonst öffentlich vertreten würde.

Seit wann gibt es Ihre Seite überhaupt schon? Und wie sind Sie eigentlich auf den Gedanken gekommen, so etwas wie Juraculix zu beginnen?

Ich schreibe den Blog jetzt gemeinsam mit meiner Schwester seit August 2011. Die Idee dazu kam mir, noch bevor ich mit dem Jurastudium begonnen habe. Ich war mir nicht sicher, ob ich wirklich ein Zweitstudium machen wollte und habe im Internet nach Erfahrungen anderer Studenten gesucht. Als ich nichts finden konnte, dachte ich mir, wenn ich wirklich studiere, werde ich meine Erfahrungen in einem Blog aufschreiben, damit andere Leute dann vielleicht davon profitieren können.

Sehen Sie es so, dass Ihre Texte nur für den jeweiligen Tag geschrieben sind oder denken Sie manchmal auch daran, Ihre besten Einfälle aus Ihren Texten zu extrahieren und daraus später einen journalistischen Text, einen Essay oder womöglich sogar ein Buch zu machen? Oder halten Sie diese traditionellen Formen der Textproduktion für nicht mehr zeitgemäß?

Ich denke, einige Texte sind sicherlich sehr für den Augenblick geschrieben, andere Themen, über die ich schreibe, sind eher allgemeingültig und die Artikel bleiben relevant. Daraus ein Buch zu machen, war bisher nicht mein Ziel, klingt aber interessant. Wenn ein Verlag auf mich zukäme, würde ich sicher nicht ablehnen! Ich mag Bücher und denke, dass sie trotz der vielen „modernen“ Möglichkeiten immer noch ein wichtiger Bestandteil der Lesekultur sind.

Sie haben, bevor Sie Ihr Jurastudium begonnen haben, schon ein anderes Fach (zu Ende) studiert. Bitte vergleichen Sie doch einmal kurz die beiden Fächer hinsichtlich des Studienalltags, der Lern- und Arbeitsabläufe, der Prüfungen und der typischen Studenten!

Eigentlich habe ich zwei Fächer studiert, Anglistik und Japanologie. Den Studienalltag kann ich schwer vergleichen, denn damals habe ich ganz anders studiert. Ich war viel mehr Student, war in der Fachschaft der Japanologie aktiv und insgesamt stärker ins Uni-Leben involviert. Jetzt sehe ich das Studium eher als Mittel zum Zweck.

Das Lernen ist komplett verschieden. In Anglistik und Japanologie ging es mehr darum, Gedanken und Konzepte nachzuvollziehen. Bis auf Vokabeln musste ich kaum etwas auswendig lernen. Bei Jura hat man ja all die Definitionen und Schemata, die man sich einprägen muss. Das war am Anfang schon eine ganz schöne Umstellung, es ist viel mehr wie in der Schule. Noch dazu musste ich in meinem Erststudium kaum Klausuren schreiben. Erst am Ende des Studiums hatte ich mündliche Prüfungen und Klausuren. Die meisten Scheine habe ich durch Hausarbeiten erhalten. Das fand ich ehrlich gesagt angenehmer als die vielen Klausuren bei Jura.

Was die Studenten angeht, da liegen Welten zwischen Juristen und Anglisten/Japanologen. Natürlich trifft das nicht auf alle Studenten zu, aber gewisse Tendenzen kann man schon erkennen. Die Jurastudenten sind oft so verbissen und denken schon im 1. Semester darüber nach, wie sie möglichst schnell studieren können und wie sie ein Prädikatsexamen schaffen. Im Gegensatz dazu habe ich Japanologiestudenten erlebt, die im 3. Semester waren und nicht wussten, was eine Studienordnung ist. Was die Anglisten und Japanologen an Ehrgeiz und Zielstrebigkeit zu wenig haben, haben die Juristen zu viel. Ein bisschen mehr Gleichgewicht könnte beiden gut tun.

Was gefällt Ihnen allgemein am Jurastudium? Was gefällt Ihnen daran nicht so?

Mir gefällt, dass man etwas lernt, das man im Alltag braucht. Es ist ein unglaublich praxisnahes Fach. Was ich nicht mag, ist das Punktesystem. Ich werde wohl nie verstehen, warum bei Jura andere Noten vergeben werden als in allen anderen Studienfächern. Vor allem, wenn die Top-Noten eh so gut wie unerreichbar sind. Und bei der Notenvergabe habe ich oft das Gefühl, dass es im mittleren Bereich eher ein Glücksspiel ist.

Wie stellen Sie sich persönlich Ihre Zukunft vor? Wie und wo wollen Sie gerne leben und arbeiten? Hat sich an diesen Ihren Wünschen und Vorstellungen im Verlauf der letzten Jahre vielleicht etwas verändert?

Ich arbeite ja bereits als freiberufliche Übersetzerin für Englisch und Japanisch. Das war immer mein Wunsch, denn das selbstständige Arbeiten liegt mir. Daran wird sich wohl auch nach dem Jurastudium nichts ändern.

Frau Stosno, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Das Gespräch führte Justament-Redakteur Thomas Claer. Sarah Stosno hat ihn im Gegenzug ebenfalls für Ihre Seite Juraculix befragt. Hier das Ergebnis:

http://juraculix.de/content/im-kreuzverh%C3%B6r-dr-thomas-claer

Veröffentlicht von on Jul 23rd, 2012 und gespeichert unter DRUM HERUM, SONSTIGES. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

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