Justament-Autor Oliver Niekiel über drei steuerrechtlich geprägte Stationen seines Referendariats
Um einen praktischen Einblick in verschiedene Tätigkeitsbereiche eines Steuerjuristen zu erhalten, absolvierte ich mein Referendariat unter anderem bei einem Finanzamt, bei einer mittelständisch orientierten Wirtschaftsprüfungs-, Rechtsanwalts- und Steuerberatungsgesellschaft sowie bei einer Big-Four-Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.
Die beiden ersten Wochen beim Finanzamt verbrachte ich in der Veranlagungsstelle. Meine Aufgabe bestand in der Prüfung von Einkommensteuererklärungen im Hinblick auf deren Vollständigkeit und Übereinstimmung mit den rechtlichen Vorgaben. Inwieweit kann der neu angeschaffte PC steuerlich berücksichtigt werden? Wie verhält es sich bei dem nachträglich angeschafften Drucker? Ist der Küstenschutz förderungswürdig im steuerlichen Sinne? Wie wird ein Zivildienstleistender beim Kindergeld berücksichtigt? Befasst mit diesen und anderen Fragen fand ich mich in den Tiefen der Steuergesetze und –richtlinien, der AfA-Tabellen, Kommentare und BMF-Schreiben wieder. Anschließend in der Rechtsbehelfsstelle wurden mir Akten zur selbständigen Bearbeitung übertragen. In formeller Hinsicht hatte ich Einspruchsentscheidungen zu entwerfen, aber auch Aktenvermerke, einfache Schreiben und Klageerwiderungen. Thematisch ging es zunächst um Fragestellungen aus dem Bereich der Einkommensteuer, etwa im Hinblick auf die Qualifikation verschiedener Tätigkeiten als haushaltsnahe Dienstleistungen, um verdeckte Gewinnausschüttungen sowie um die Berücksichtigung einer gezahlten Unterhaltsabfindung als Sonderausgabe. Später wurde ich mit dem Akteneinsichtsersuchen eines Gesellschafters befasst, mit zivilrechtlich gelagerten Problemen im Bereich der Eigenheimzulage und Grunderwerbsteuer sowie mit Fragen des Strafbefreiungserklärungsgesetzes.
Auch in der Rechtsanwaltsstation spielte das Steuerrecht eine große Rolle. Ich verbrachte diese Station in einer Kanzlei mit etwa 20 Berufsträgern und gut 90 weiteren Mitarbeitern. Zugewiesen war ich einer Fachanwältin für Steuerrecht. „Auftraggeber“ waren hauptsächlich die ebenfalls dort tätigen Wirtschaftsprüfer und Steuerberater sowie Unternehmer aus der Region (welche die Kanzlei oftmals als ausgelagerte Rechtsabteilung nutzten). Unter anderem beschäftigte ich mich mit Fragen zur Zulässigkeit einer Außenprüfung in den Büroräumen des Steuerberaters, der Beurteilung einer vermeintlichen Steuerhinterziehung sowie insbesondere mit diversen verfahrensrechtlichen Fragen. Weiterhin landeten auf meinem Schreibtisch Fälle zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Fahrzeuglieferungen ins Ausland, zur überquotalen Übertragung von Sonderbetriebsvermögen im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge sowie – etwas exotisch – zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Schönheitsoperationen. Im Rahmen von Einspruchs- und Klageverfahren formulierte ich Stellungnahmen, erstellte aber auch interne und externe Vermerke. Daneben wurden mir Fragestellungen übertragen, die keinerlei Bezug zum Steuerrecht hatten. Dabei ging es unter anderem um die Beurteilung von Geschäftspraktiken nach dem UWG, um die Durchsetzung eines vollstreckbaren Titels im Ausland sowie um Anträge im Insolvenz- und Vollstreckungsverfahren. Außerdem wirkte ich an der Erstellung von Gesellschaftsverträgen und Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit. An Besprechungen mit Mandanten durfte ich ebenso teilnehmen wie an den seltenen Gerichtsterminen.
Bereits einige Tage vor Beginn meiner Wahlstation in der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft entdeckte ich den ersten Fall in meinem E-Mail-Postfach. Dies bot mir die Möglichkeit, mich bereits vorab mit dem mir bis dahin weitgehend unbekannten Umwandlungssteuerrecht zu befassen (Thema: Beurteilung eines Formwechsels – handelsrechtliche Aufstockung bei abweichender Steuerbilanz). In thematischer Hinsicht hatte ich auch in der Folgezeit nahezu ausschließlich steuerrechtliche Probleme zu lösen. So ging es etwa um die Besteuerung von Kapitaleinkünften aus Spanien, die lohnsteuerrechtlichen Auswirkungen der Übertragung von Pensionszusagen an Dritte, die Nutzungsüberlassung als Einbringung im Sinne des § 24 UmwStG, die Umsetzung der Zins- und Lizenzrichtlinie in Deutschland und Spanien sowie die Anmeldepflicht von Barmitteln für Einreisende aus einem Drittland. Daneben arbeitete ich an einer Powerpoint-Präsentation zur Unternehmenssteuerreform mit, die Grundlage eines vor mehr 150 Zuhörern gehaltenen Vortrags war. In Zusammenarbeit mit einer ausländischen Niederlassung bereitete ich ein englischsprachiges Gutachten für einen geplanten Immobilienerwerb durch eine ausländische Gesellschaft in Deutschland mit vor.
In allen Stationen stand mir während der gesamten Zeit ein eigener Arbeitsplatz samt PC zur Verfügung. Ich konnte auf diverse (steuer-)rechtliche Datenbanken und die jeweils vorhandene Bibliothek zugreifen. Darüber hinaus konnte ich mich jederzeit an die „Kollegen“ wenden. Da ich an allen arbeitsgemeinschaftsfreien Tagen „im Büro“ war, kam ich nicht nur mit zahlreichen Fällen in Berührung, sondern erhielt auch einen guten Einblick in die täglichen Arbeitsabläufe.