Justament-Autorin Julia Roller über ihr Austausch-Semester in Padua
Alle kennen Italien, wenige kennen Padua. Dabei hat diese 210.000 Einwohner fassende, nordöstlich gelegene Stadt einiges an Highlights zu bieten, und nicht zuletzt eine der besten Universitäten des Landes. In der knapp 800 Jahre alten, nämlich seit 1222 agierenden Universitá degli Studi di Padova versuchen sich hier 64.000 Studierende an 32 Fakultäten.
Dabei hat die Universität einige Besonderheiten in ihrer Geschichte vorzuweisen. So wird mit Stolz auf die liberale Denkweise der Universität und ihrer Studenten verwiesen, welche unter anderem auch Wissenschaftlern wie Galileo Galilei und Copernicus ihr Forschen ermöglichte oder dazu führte, dass Girolamo d’Acquapendente Ende des 16. Jahrhunderts den weltweit ersten Anatomiesaal bauen konnte. Achtzig Jahre später promovierte hier mit Elena Piscopia die erste Frau der Welt. Weiterhin erwähnenswert ist der Botanische Garten; 1545 angelegt und damit der älteste seiner Art weltweit. Nicht nur, weil dessen älteste Bewohnerin, eine sogar von Goethe persönlich erwähnte Zwergpalme, dort bereits seit 1585 steht, wurde der Garten 1997 von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt.
Dennoch kommt ein Großteil der Austauschstudenten wohl nicht aus historischen Gründen nach Padova. Mit etwa 1000 Erasmus-Studierenden pro Jahr ist die Stadt unter den meistbesuchten Partneruniversitäten, ihr Erasmus-Netzwerk wurde 2011 als das Beste Europas ausgezeichnet. So lässt es sich in der juristischen Fakultät, bis heute im Palazzo Bó, dem Hauptgebäude der Universität, untergebracht, vorzüglich ein Jura-Auslandssemester studieren. Sie ist mit das älteste Department und bietet zahlreiche, meist auf italienisch abgehaltene Kurse an, aus denen die Erasmus-Studierenden frei wählen können. Da jedoch sowohl das deutsche als auch das italienische Recht auf dem römischen Recht basiert, ist weniger der Inhalt der Vorlesungen neuartig, als vielmehr das Wesen derselben. Bei Erscheinen des Professors erheben sich die Studenten, es herrscht Frontalunterricht und Prüfungen werden mündlich abgehalten. Etwas erstaunt ist man vielleicht, dass manche Vorlesungen oder auch Prüfungen spontan um Stunden oder Tage verschoben werden, doch daran gewöhnt man sich, genauso wie daran,dass der Stoff oft an das Auffassungsvermögen der Studierenden angepasst wird. Obwohl ausländische Studenten oft schonender behandelt werden, muss man gründlich für die Klausuren lernen, in denen meist Bücherwissen und keine Falllösung verlangt werden. Die Professoren kennen fast alle Studenten mit Namen und es herrscht eine persönlichere und angenehme Atmosphäre. Zudem sind alle Lehrenden und die Studenten stolz darauf, an einer angesehenen und altehrwürdigen Universität zu studieren.
Dennoch ist die Motivation für Studenten, in einem anderen Land zu studieren, oftmals nicht nur das juristische Neuland, sondern auch der Einblick in ein anderes Studentenleben.
Schon die Architektur der alten Innenstadt, in welcher sich beinahe das gesamte Leben der jungen Bevölkerung abspielt, trägt dazu bei, dass man überall und ständig auf Studenten trifft und diese die Cafés, Bars und Läden bevölkern. Das Herz Padovas sind drei nebeneinander liegende Piazzen, die durch den schönen Palazzo Ragione getrennt werden und täglich typisch italienische, pittoreske Märkte zu bieten haben. Hier gibt es nicht nur großartige Eisdielen (es sei „Grom“ auf der Piazza dei Signori ans Herz gelegt) und besten Caffé (bei „Goppion“ auf der Piazza dell’Erbe): bei einem Aperitivo läßt sich die italienische Gesellschaft dabei beobachten, wie sie sich in ihrer unvergleichlichen Stilsicherheit durch die Straßen bewegt. Nachteil dieser norditalienischen Schickeria sind allerdings höhere (Essens-)Preise als anderswo, denen man aber mit einem Besuch in einer der Mensen ausweichen kann. Hier genießt man für vier Euro ein restaurantähnliches Mahl.
Aber natürlich besteht ein Auslandssemester auch aus der Teilnahme an lokalen Aktionen und Traditionen. Wohl schon landesweit ist Padua für seinen Spritz bekannt, ein Mixgetränk aus Weißwein, Soda und Aperol oder Campari, der insbesondere Mittwochabends von allen Studenten auf den Piazzen zu sich genommen wird, während die Clubszene mit gerade einmal drei Lokalitäten und Chartmusik des letzten Jahrzehnts nicht sonderlich spannend ist. Dafür organisiert allerdings die liberale und eher linksgeprägte Studentenszene regelmäßig Lesungen, Parties und Abendveranstaltungen.
Aber da das Wetter den größten Teil des Jahres so beständig schön ist, bietet es sich eben auch viel mehr an, sich draußen aufzuhalten, mit dem Zug das Umland zu erkunden oder einen durch weise Vorausplanung günstigen Wochenendtrip nach Florenz zu unternehmen.