Justament-Debatte über „verbrecherische Vermieter“ und Deutschland als „Mieter-Schlaraffenland“
Die meisten von uns wohnen zur Miete – und sind daher auch von der Explosion der Kaltmieten in den letzten Jahren betroffen, sofern sie nicht gerade am A… der Welt wohnen. So stiegen die realen Mieten (bereinigt um die Inflationsrate) in den vergangenen sechs Jahren in Berlin um 24 Prozent, in Hamburg um 16 Prozent, in München um 10 Prozent und in Frankfurt a. M. um acht Prozent. Dafür sanken sie aber in der Prignitz / Nordwest-Brandenburg um 50 Prozent. (Quelle: Empirica / FAZ vom 6.2.13) Noch halbwegs glimpflich läuft es für diejenigen ab, die schon vor längerer Zeit einen günstigen Mietvertrag ergattern konnten, denn die Anhebung der Kaltmiete auf die „ortsübliche Vergleichsmiete“ ist gem. § 558 BGB nur um höchstens 20 Prozent innerhalb von drei Jahren zulässig. Und die „ortsübliche Vergleichsmiete“ richtet sich in der Regel nach dem regionalen Mietspiegel, der die Anstiege im Mietniveau nur mit einigen Jahren Verzögerung wiedergibt.
Anders sieht es da schon bei Neu- bzw. Wiedervermietungen von Wohnungen aus, bei denen es im Prinzip keine obere Begrenzung gibt. (§ 138 BGB ist hier eher eine theoretische Obergrenze.) Das heißt: Wer umziehen will oder muss, muss in den sauren Apfel beißen und kräftig draufzahlen. Entsprechend groß ist die allgemeine Verärgerung. „Einfach nur verbrecherisch“ fand z.B. meine frühere Kollegin, was sich die Vermieter in Berlin in letzter Zeit bei den Angebotsmieten so rausnehmen. Sollte da die Politik nicht gegensteuern? SPD und Grüne sehen mittlerweile in ihren Wahlprogrammen eine Begrenzung der Miethöhe bei Neuvermietungen auf ein Niveau von maximal 10 Prozent über der örtlichen Vergleichsmiete vor.
„Moment mal“, sagen da die anderen. „Wollt ihr das zarte Pflänzchen des Aufschwungs in der Bauwirtschaft gleich wieder zertreten?“ Neubauten in zentralen Lagen würden sich heute erst ab einem Mietniveau von 10 Euro pro qm kalt rechnen. Die jüngsten Mietpreis-Anstiege seien temporäre Nachholeffekte. In Wahrheit sei Deutschland (im krassen Unterschied zu anderen Ländern!) noch heute ein regelrechtes Schlaraffenland für Mieter, die oftmals monatlich mehr für Alkohol und Zigaretten als fürs Wohnen ausgäben. Und wer sparen wolle, der könne doch statt im teuren angesagten Szeneviertel schließlich noch immer preiswert am Stadtrand wohnen.
Und wie seht Ihr das, liebe Leserinnen und Leser? Brauchen wir eine Mietobergrenze bei Neuvermietungen? Oder ist das nur gefährlicher Populismus? Eure Meinung ist gefragt!
Die Redaktion
Es ist schon ein zweischneidiges Schwert. Die gegenwärtige Aufwertung der Stadtzentren geht ja auch mit ihrer Verschönerung einher: schicke Cafes und Szene-Bars statt Spielotheken und Eckkneipen. Andererseits wird die Verdrängung von Niedrigverdienern (zu denen eben auch Künstler und Studenten gehören) diese Gegenden auf Dauer ziemlich öde machen. Eine Mietobergrenze bei Neuvermietungen wäre aber wohl keine gute Idee, weil das die Problematik nur verlagern würde: Dann müsste man irgendwann unter der Hand astronomische „Ablösesummen“ zahlen, um an einen günstigen Mietvertrag im Trendbezirk zu kommen.
Ich finde, die momentan sehr günstigen Zinsen, sollten junge Leute dazu animieren, in Eigentum zu investieren… statt Miete in Berlin Mitte zu verpulverm, sollte man sich mit billigem Geld ein schönes Häuschen im Grünen vor den Toren der Hauptstadt zulegen..
Ich sehe das genau so: Schön in Eigentum investieren. Und dann zu gesalzenen Preisen vermieten.
Mal im Ernst: Niemand muss sich im kulturellen Schmelztiegel Deutschlands ausnehmen lassen! Überall gibt es Möglichkeiten, es so richtig dionysisch krachen zu lassen. Wer braucht schon Wohnraum? Studenten, Künstler, Sozialarbeiter, Lehrer? Wer es in unserer Gesellschaft wagt, nicht auf direktem Wege zur Erhöhung des Bruttosozialprodukts beizutragen, der soll gefälligst wie der alte Dionysos in einem Obstkarren auf dem Markt schlafen! Wer sich für ein alternatives Lebenskonzept entschieden hat, der hat in Großstädten wie Berlin doch alle Möglichkeiten dazu! Sofasurfen, Freunde-Schnorren und Carsharing sind auf dem Vormarsch, tausende Obdachlose geben bereitwillige Gesprächspartner ab und geizen nicht mit Survivaltipps. Wie kann man der Regierung näher sein, als wenn man mit erhobenem Zeigefinger vor ihren Toren übernachtet? Sollen diese Versager doch sehen, wie sie zurechtkommen und durch Baumkuscheln und Flaschensammeln zu einer grüneren Umwelt beitragen. Wir langweiligen Spießer leben weiter in überteurerten Szenebezirken, genießen unsere Exklusivität und zählen die Tage bis zur Steuerrückzahlung.
Leider ist das mit dem Investieren in Immobilien leichter gesagt als getan. Sich als junger Mensch solch einen Schuldenberg aufzubürden, da sollte man zuvor schon ganz schön Eigenkapital auf der hohen Kante angehäuft haben. Und ohne unbefristeten Job gibt es eh keinen Kredit von der Bank. Und von Häusern am Stadtrand würde ich die Finger lassen, denn man muss die Immobilie ja notfalls schnell wieder los werden können, dann lieber zum gleichen Preis eine kleine Wohnung im Zentrum. Und überhaupt wird eine Immobilie zum Klotz am Bein, wenn man berufsbedingt in andere Städte ziehen muss. So bleibt den meisten am Ende doch nur die teure Mietwohnung. Eine gesetzliche Mietobergrenze könnte vielleicht den Anstieg etwas bremsen.