Der Schattenpräsident von Berkshire Hathaway

Tren Griffin gewährt einen Einblick in die Welt von Charlie Munger

Patrick Mensel

Charlie Munger, Jahrgang 1924, ist seit Jahrzehnten Geschäftspartner und geschätzter Freund Warren Buffetts. Während Buffett den großen Auftritt liebt und gerne den Publikumsliebling gibt, bleibt Munger lieber im Hintergrund. So verwundert es nicht, dass jeder Warren Buffett, das Investor-Aushängeschild aus Nebraska kennt, Munger aber höchstens Insidern bekannt ist.
Erstmals präsentiert der Finanzbuchverlag nun Mungers Investmentstrategien auf Deutsch. Das war überfällig. Wie fasst der visionäre Vizepräsident von Berkshire Hathaway, einem der zwanzig größten amerikanischen Unternehmen, seine Strategie des Value-Investing zusammen? Ziemlich unmathematisch: Wer Formeln, Zahlen und Rechnungen erwartet, lege das Werk am besten gleich wieder aus der Hand. Munger geht es um die Grundprinzipien, das Fundamentalverständnis, kurz: die Essenz desjenigen Investmentzweigs, der sich nie flächendeckend durchgesetzt hat – und der Grund dafür liegt beileibe nicht im mangelnden Erfolg. Dieser stellt sich nicht sofort ein. Vielmehr gleicht diese Investmentstrategie dem kühl abwägenden, abwartenden und im richtigen Moment zuschlagenden Raubtier. Es bedarf hoher analytischer Fähigkeiten, Geduld und vor allem eigenständigen Denkens, das sich nie – wirklich nie – Moden unterwirft und der Herde folgt, denn im Fluss der Masse lassen sich keine großen Gewinne realisieren, so eines der Leitprinzipien Mungers: „Invert, always invert“, alles vom Gegenteil her denken.
Auf diesem Hintergrund verwundert es auch nicht, dass diesen Grundgedanken, die zunächst sehr viel mit menschlichem Verhalten und weniger mit Mathematik zu tun haben, ein breiter Raum eingeräumt wird. So werden nach einer kurzen Einführung in das System des Value-Investing nach Graham und dessen Grundsätzen in den ersten beiden Kapiteln die allgemeine ‚Weltklugheit‘ und die ‚Psychologie der menschlichen Fehlurteile‘ in den Kapiteln drei und vier beleuchtet. Daraus folgende ‚Anlegertugenden‘ sind Thema des fünften Kapitels. Diese drei Kapitel umfassen zusammen fast 80 Seiten und verweisen – bei ca. 220 Seiten Gesamtlänge – auf den Stellenwert, dem Munger dem korrekten Verhalten und der richtigen Geisteshaltung beim Investieren einräumt. Nach Munger ist es möglich – beständige Arbeit an sich selbst vorausgesetzt – Reaktionen und Verhaltensweisen abzulegen, die schlechte Investmententscheidungen nach sich ziehen, um auf diese Weise gegenüber anderen Anlegern im Vorteil zu sein.
Erst danach folgt die technische Seite, wenn es im sechsten Kapitel um die acht Variablen im Value-Investing-System nach Graham geht und im siebten Kapitel um die Anforderungen an Unternehmen, in die investiert werden könnte.
Auch bei den finanztechnischen Aspekten bleibt der Grundtenor des Buches erhalten: Kompliziertes einfach zu erklären, deutliche, einprägsame Bilder und Vergleiche einzusetzen. Diese Einfachheit charakterisiert den gesamten Value-Investing-Ansatz nach Graham, der sich auf vier fundamentale Grundsätze reduzieren lässt, die in der Einführung genannt und dann im gesamten weiteren Buch aufgefächert werden. Sie sind eingängig und nachvollziehbar, so wie die gesamten Ausführungen. Das Schwierige aber – und darin liegt die Kunst – besteht vor allem in der Einhaltung der dargelegten Grundprinzipien.
Der geneigte Leser sollte auch dem Anhang seine Aufmerksamkeit widmen, denn dort finden sich wertvolle Ausführungen zu Berkshire, der von Munger und Buffett seit Jahrzehnten erfolgreich geleiteten Firma mit Sitz im nebraskischen Omaha. Die Berkshire-Mathematik, Absicherungsmöglichkeiten von Investments, organisatorische Grundprinzipien der Firma bieten einen wertvollen Einblick hinter die Kulissen. Die Ausführungen schließen mit einer Gegenüberstellung von Value-Investing und Faktor-Investing. Es ist klar, welcher Ansatz von beiden das Rennen macht …
Wer noch nichts zum Value-Investing gelesen hat, findet in diesem Buch einen herrlichen Einstieg in die an sich einfache, aber eben schwer umsetzbare Materie. Wer finanztechnisch schon beschlagen ist, kann seine Verhaltensweisen und Einstellungen einer strengen Prüfung unterziehen. Das Werk eignet sich für beide Leserkreise auf das hervorragendste.

Charlie Munger: Ich habe dem nichts mehr hinzuzufügen
Tren Griffin, Hendrik Leber
FinanzBuch Verlag, 2016
256 Seiten
ISBN-10: 3898799581
ISBN-13: 978-3898799584

Veröffentlicht von on Okt 30th, 2017 und gespeichert unter BESPRECHUNGEN, LITERATUR. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

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