Eine Fibel für wahre Verbraucherkreditrechtler

Das Standardwerk Bülow/Artz zum Verbraucherkreditrecht in 9. Auflage

Christian Nordholtz

In kurzem Abstand zu der Vorauflage aus dem Jahr 2014 haben der Trierer Universitätsprofessor Dr. Bülow und der Bielefelder Universitätsprofessor Dr. Artz, die vorliegende 9. Auflage ihres Werkes zum Verbraucherkreditrecht im Sommer 2016 veröffentlicht. Normen, Rechtsprechung und Literatur sind auf dem Stand von März/April 2016. Es ist ein lang eingeführtes Standardwerk, welches Praktiker und Wissenschaftler für Ihre Ausarbeitungen zum Verbraucherkreditrecht stets hinzuziehen. Das Verbraucherkreditrecht ist durch Gesetzesänderungen und Rechtsprechung unaufhörlich in Bewegung. Einen unbedingten Zeitpunkt für die Veröffentlichung gibt es daher nicht. Das hier zu besprechende Werk gehört gleichwohl noch einige Zeit nach dessen Veröffentlichung zu den Aktuellsten. Es ist nicht nur deshalb für die Praxis von besonderer Bedeutung. Vielmehr war es eines der ersten Werke zum Verbraucherkreditrecht nach Umsetzung der Wohnimmobilien-Kreditvertragsrichtlinie 2014/17/EU (WohnimmobilienRL) und damit in den vergangenen Monaten meinungsgebend. Hauptwettbewerber dieses Werkes dürften insbesondere die Kommentierungen des verstorbenen Tübinger Universitätsprofessors Dr. Jan Schürnbrand im Münchener Kommentar (Band 3a, §§ 491 – 515 n.F. BGB, 7. Auflage 2017) und die Ausarbeitung der Richterin am BVerfG, Dr. Sibylle Kessal-Wulf, im Staudinger Kommentar (Buch 2 §§ 491-512, Neubearbeitung 2012) sein.

Gegliedert ist das Werk wie ein Gesetzeskommentar. Bülow/Artz kommentieren sämtliche Paragraphen, die für das Verbraucherkreditrecht relevant sind, d.h. §§ 13, 14, 355 bis 361, 491 bis 515 und 655a bis 655e BGB sowie die internationalen Bezüge (insb. nach Art. 6 Rom-I-VO), das UN-Kaufrecht, das Verbraucherkreditmahnverfahren nach §§ 688 ff. ZPO sowie Art. 17 EuGVVO. Zahlreiche dieser Bestimmungen haben durch jüngste Gesetzesänderungen (wie insbesondere durch die WohnimmobilienRL) größere Bedeutung für Bereiche auch außerhalb der reinen Finanzierung erhalten. Als Beispiel können die Vorschriften zur Kreditwürdigkeitsprüfung gem. §§ 505a ff. BGB genannt werden. Das Werk von Bülow/Artz zeichnet sich durch zahlreiche Querverweise aus. Der Fußnotenapparat ist umfassend und die maßgebliche Literatur wird vollständig ausgewertet. Auch der Autorenmeinung widersprechende Auffassungen werden benannt und ausführlich wiedergegeben. Hilfreich ist, dass Bülow/Artz in den Fußnoten oft auf Entscheidungs-Kurzanmerkungen hinweisen, insbesondere aus den Zeitschriften Entscheidungen im Wirtschaftsrecht (EWiR), Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht (WuB) und Kommentierte BGH-Rechtsprechung Lindenmaier-Möhring (LMK).

Der Autor dieser Rezension hat in jüngster Zeit zu verschiedenen Fragestellungen im Verbraucherkreditrecht mit diesem Werk gearbeitet. Er recherchierte beispielsweise zu der Frage der Verbrauchereigenschaft einer GbR bei Widerrufserklärungen von Darlehensverträgen (§ 491 (§13) Rn. 32 bis 37), der notariellen Rechtswahrungsbestätigung nach § 495 Abs. 2 Nr. 2 BGB und dem daraus folgenden Wegfall des Widerrufrechts (§ 495 Rn. 179 bis 180) sowie den Belehrungsvoraussetzungen für eine Wertersatzpflicht des Verbrauchers bei Rückgabe eines finanzierten Kfz-Kaufes im Fall eines widerrufenen verbundenen Verbraucherdarlehens (§ 495 (§§ 355 Abs. 3, 357a, 357) Rn. 226). Zugegeben: Dies sind sehr spezielle Fragen in Randbereichen. Hervorzuheben ist, dass selbst diese Randthemen behandelt werden. Man findet im Bülow/Artz zahlreiche eigene, tiefgreifende Argumentationslinien. Die Recherche im Bülow/Artz lohnt sich stets, um neue Ansätze und Gedankengänge zu finden. Besonders ausführlich behandelt der Bülow/Artz die Rückabwicklungsdetails von widerrufenen Verträgen, insbesondere von Verbundverträgen. Nur wenige Werke sind derart ausführlich und detailliert in der Darstellung der mitunter komplexen und kleinteiligen Regelungen dieser Verweisungsketten im Verbraucherkreditrecht.

Zur Einarbeitung und Prüfungsvorbereitung für (fortgeschrittene) Studierende, insbesondere mit dem Schwerpunkt im Zivilrecht bzw. in der Vertragsgestaltung, dürfte das Werk Verbraucherprivatrecht von demselben Autorenduo (5. Auflage 2016, C.F. Müller Verlag, ISBN 978-3-8114-5437-8) besser geeignet sein. Der hier vorliegende Kommentar richtet sich an Verbraucherverbände, Rechtsabteilungen von Banken, Fachanwälte für Bank- und Kapitalmarktrecht, Richter und Wissenschaftler, die nicht nur eine Einführung wünschen, sondern denen sich in ihrer täglichen Praxis Detailfragen zum Verbraucherkreditrecht stellen.

Gerade in einem hochpolitischen Rechtsgebiet wie dem Verbraucherkreditrecht ist man versucht die Positionierung der Autoren eines Kommentars zu ermitteln, um es in dem eigenen Koordinatensystem leichter verorten zu können. Daher die Frage: Ist das Bülow/Artz-Werk nun tendenziell verbraucher- oder bankenfreundlich? Insbesondere von Seiten der Bankjuristen werden die Vorauflagen dieses Werkes zumeist als „tendenziell verbraucherfreundlich“ (so eine anonyme Dritteinschätzung) gewertet. Eine umfassende Auswertung der Neuauflage dieses Werkes hat der Autor dieser Rezension nicht vornehmen können, so dass sich diese Aussage für das gesamte Werk weder bestätigen noch widerlegen lässt. In Einzelfällen nimmt das Werk verbraucherfreundliche Positionen ein. Ein Beispiel: Die strittige Frage, ob das aufgrund fehlender oder fehlerhafter Widerrufsinformation unbefristete, ewige Widerrufsrecht eines Verbrauchers der Verwirkung nach § 242 BGB unterliegen kann, verneint Bülow „im Allgemeinen“ (§ 495 (§355) Rn. 26a). Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung kann das Widerrufsrecht aber bei besonderen Umständen sehr wohl verwirkt werden bzw. seine Ausübung im Einzelfall nach § 242 BGB als rechtsmissbräuchlich zu bewerten sein, wenn auch in Grenzen (z.B. Urteil v. 12.7.2016, Az. BGH, XI ZR 501/15, Rz. 39, BB 2016, 2319, m.Anm. Edelmann oder jüngst BGH, Urteil v. 10.10.2017, Az. XI ZR 549/16).

Fazit: Der Bülow/Artz ist fundiert, wissenschaftlich-dogmatisch, ideenreich und zudem ausgesprochen praxisrelevant. Für Verbraucherkreditrechtler ist und bleibt dieses Standardwerk eine wesentliche Orientierungshilfe.

Bülow/Artz
Verbraucherkreditrecht
9. Auflage 2016, C.H.Beck Verlag
932 Seiten, Hardcover (In Leinen), Preis 139,00
ISBN 978-3-406-68270-4

Veröffentlicht von on Dez. 21st, 2017 und gespeichert unter BESPRECHUNGEN, LITERATUR. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

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