Ein Rechtsgebiet zwischen Erde und All

Marcus Schladebach hat sein „Luftrecht“ neu aufgelegt

Matthias Wiemers

Luftrecht ist eine Rechtsmaterie des 20. Jahrhunderts. In einer Zeit, in der zunehmend auch der Weltraum privater Nutzung einschließlich touristischer Zielsetzungen anvisiert wird, ist die rechtliche Erschließung des Raumes darunter in ein Stadium getreten, in dem sich Lehrbücher allmählich ein gewisses Lesepublikum ausrechnen können. Marcus Schladebach, seit dem vergangenen Jahr Ordinarius für „Öffentliches Recht, Medienrecht und Didaktik der Rechtswissenschaft“ an der Universität Potsdam, hatte 2007 das nunmehr aktualisierte Lehrbuch „Luftrecht“ in der bekannten Reihe bei Mohr Siebeck erstmals aufgelegt. In der Zwischenzeit haben die Lehrangebote etwa zum Luftverkehrsmanagement eher zugenommen – auch wenn, das sei gleich zu Beginn bemerkt – der Autor hier noch weiteres Potential sieht (s. § 14 „Luftrechtsstudium“, S. 228 f.)
Schladebach erblickt im Luftrecht eine klassische Querschnittsmaterie. Dem entsprechend widmet er die einzelnen Kapitel jeweils öffentlich-rechtlichen, privatrechtlichen und strafrechtlichen Teilen des Luftrechts und dann auch wieder der internationalen, europäischen und nationalen Ebene, die wie in einer Matrix miteinander verknüpft sind.
Der erste Teil (§§ 1 bis 3) ist allerdings den Grundlagen des Luftrechts gewidmet, also „Begriff und Systematik“, „Geschichte“ sowie „räumlicher Geltungsbereich: Der Luftraum“.
Der fünfte Teil wiederum beleuchtet die „Perspektiven des Luftrechts“ mit den Teilen „Luftrechtspolitik“, „Luftrechtsstudium“ und „Kontrollfragen“ (§§ 13 – 15).
Blicken wir in den Band hinein, so lernen wir zu Beginn zunächst mit Alex Meyer (1879-1978) den Begründer des Luftrechts in Deutschland kennen und erfahren, dass der Autor eine etwas flexiblere Definition des Luftrechts vorschlägt. Danach ist „Luftrecht die Gesamtheit der Rechtsnormen, die für die Nutzung von Luftfahrzeugen relevant sind.“ (§ 1, S. 7, Rdnr. 12) Natürlich stammt das Luftrecht ursprünglich aus dem Polizeirecht in Form von Polizeiverordnungen; allerdings stammen diese bereits aus dem Ende des 18. Jahrhunderts und waren auf Ballonflug bezogen (§ 2, Rdnr. 3 f.). Das andere Ende der luftrechtlichen Entwicklung ist eine ganz aktuelle: Das Recht ziviler unbemannter Fluggeräte, die gemeinhin unter dem Begriff der „Drohnen“ bekannt sind (§ 6, Rdnr. 46 ff.).
Natürlich hat auch der 11. September 2001 seine Spuren in dem Werk hinterlassen, wobei das in Deutschland prominenteste Produkt der von diesem Ereignis angestoßenen Rechtsentwicklung das Luftsicherheitsgesetz von 2005 gewesen ist, das bereits ein gutes Jahr später vom BVerfG in Teilen für verfassungswidrig erklärt worden ist (§ 6, Abschnitt V., Rdnr. 69 ff. – mit deutlicher Kritik am Gesetzgeber: „rechtspolitisches Komplettversagen“, Rdnr. 106).
Sind die vorstehend genannten Materien vielleicht etwas spektakulärer, so werden aber auch das von Schladebach zutr. als Verbraucherschutzrecht qualifizierte europäische Fluggastrecht (§ 8) oder etwa auch das Beihilferecht dargestellt- relevant, weil mit Flughäfen und Fluggesellschaften bekanntlich gern Wirtschaftspolitik gemacht wird (s. § 5, Abschnitt VI.).
Ein Fazit, das der Autor mitten im Buch zieht, ist, dass von der Nutzungsfreiheit des Luftraums inzwischen wenig übriggeblieben sei – weswegen man über eine Umkehrung des Regel-Ausnahmeverhältnisses nachdenken solle (§ 6, Rdnr. 19). Auch kann man dem Text zwischen den Zeilen entnehmen, dass Schladebach wohl ein Anhänger des Dienstleistungsstaats ist (kritische Anmerkung in § 6, Rdnr. 43).
Das Buch ist nicht nur übersichtlich und gut lesbar, sondern überzeugt auch durch die zahlreichen gut ausgewählten praktischen Beispiele, die im Text immer wieder eingestreut sind. Der für ein solches Spezialgebiet sehr günstige Preis von 24 Euro könnte auch diejenigen zu diesem Werk greifen lassen, die das Rechtsgebiet nicht zwingend jetzt schon beruflich beherrschen oder einen Abschluss darin machen müssen. Denn es zeigt einfach mustergültig an einem plastischen Beispiel die Verzahnung unseres Rechts im internationalen und europäischen Kontext auf.
Hatte sich Schladebach 2013 über die „Lufthoheit. Kontinuität und Wandel“ habilitiert, so muss man in der Tat feststellen, dass er mit der Erstauflage seines Lehrbuchs eine seitdem anhaltende Welle der verstärkten Auseinandersetzung mit dem Luftrecht scheinbar in Gang gesetzt hat. Die Rechtsdisziplin ist nun fest etabliert.

Marcus Schladebach, Luftrecht, 2. Aufl., Mohr Siebeck, Tübingen 2018, 235 S., 24 Euro (ISBN 978-3-16-155867-2)

Veröffentlicht von on Nov 26th, 2018 und gespeichert unter BESPRECHUNGEN, LITERATUR. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

Hinterlassen Sie einen Kommentar!