Justament-Debatte: Darf Helmut Schmidt überall rauchen?
Unser Bundeskanzler a.D. Helmut Schmidt, inzwischen 91, – wer kennt ihn nicht? Wenn auch die jüngeren und mittleren Semester unter uns seine Kanzlerschaft (1974 bis 1982) nicht mehr miterlebt haben, so kommt doch kaum jemand, jedenfalls kein Fernsehzuschauer, an ihm vorbei. Bevorzugt bei Sandra Maischberger erklärt uns der elder statesman par excellence in unregelmäßigen Abständen die Weltpolitik und das Leben schlechthin. Nur bei den ganz Jungen gibt es manchmal gewisse Verwechslungen: Als ich neulich einem Abiturienten, der Helmut Schmidt nicht kannte, erklärte, es handle sich um einen sehr alten grauhaarigen Herrn mit stets korrekter Frisur, der oft im Fernsehen zu sehen sei, antwortete er: „Ach, na klar, Helmut Schmidt, das ist doch der, der immer donnerstags ab 23 Uhr im Ersten Witze erzählt.“
Helmut Schmidt also, dem wir alle immer gerne zuhören, hat die heute fast anachronistische Angewohnheit, nahezu ständig, wenn er etwas erzählt, zu rauchen. Eine Zigarette nach der anderen. Und man lässt ihn rauchen, weil er sonst gar nichts mehr erzählen würde, ja nicht einmal kommen würde. Sein Arzt, so seine Begründung, habe ihm gesagt, es sei für ihn zu spät, um noch mit dem Rauchen aufzuhören. Sein Körper könne sich in diesem Alter nicht mehr umstellen. Also raucht er im Fernsehstudio, im ICE, im Theater, vor kurzem sogar im SPD-Präsidium, wo er seine Kritik am Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr vortrug, eigentlich raucht er überall, wo man nicht rauchen darf. Manchmal wird extra verkündet (so zuletzt von SPD-Chef Siegmar Gabriel), dass das Rauchverbot für Helmut Schmidt ausnahmsweise aufgehoben sei. Aber wenn es ihm nicht ausdrücklich erlaubt wird, dann raucht er trotzdem, obwohl es verboten ist. Vor anderthalb Jahren hat ihn jemand angezeigt, weil er sich im Theater eine angezündet hat. Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren gleich wegen Geringfügigkeit eingestellt.
Kann es denn sein, dass die Gesundheitsschutz- und Brandschutzbestimmungen für alle und jeden gelten – außer für Helmut Schmidt? Offenbar gilt hier das lateinische Rehtssprichwort: „Quod licet Iovi, non licet bovi“, auf Deutsch: „Was dem Jupiter erlaubt ist, ist dem Rindvieh nicht erlaubt.“ Dieser Spruch, weiß Wikipedia, wird benutzt, um Ungleichheit in der gesellschaftlichen Stellung und damit verbundene Privilegien zu akzentuieren. Doch wie verträgt sich das mit dem allgemeinen Gleichheitsgebot unseres Grundgesetzes?
Liebe Leserinnen und Leser, hier ist Eure Meinung gefragt. Sollte man Helmut Schmidt weiter überall rauchen lassen oder gehört dieser rechtlose Zustand abgeschafft? Wir bitten um zahlreiche Postings!
Die Redaktion
PS: Noch ein Schmidt-Witz: Die schon fast 70 Jahre lang mit Helmut Schmidt verheiratete Loki Schmidt beschwert sich bei ihrem Mann: „Helmut, immer hast du anderen Frauen nachgeschaut!“ Antwort: „Das s-timmt, Loki. Aber durch den ganzen Qualm konnte ich nie viel erkennen.“
Rechtsfreie Räume sind eigentlich immer ein kritikwürdiger Zustand, finde ich. Aber man muss unterscheiden, ob durch sie ein Schaden für die Allgemeinheit entsteht oder womöglich sogar ein Nutzen. Genau dieser seltene Fall, dass permanenter Rechtsbruch zu einem Gewinn für alle wird, scheint mir hier aber gegeben zu sein: Wenn Schmidt nur noch sauertöpfisch zu Hause säße, weil man ihn nicht mehr rauchen lässt, und stattdessen nur noch seine Altkanzlerkollegen Kohl oder Schröder bei Maischberger anrückten und uns mit ihren Lebensweisheiten versorgten – nicht auszudenken! Dann soll er lieber weiter rauchen!
Ich finde die Beschränkungen des Rauchens im öffentlichen Leben sehr angenehm. Ob im Zug, am Bahnhof, in öffentlichen Gebäuden oder in Gaststätten – man wird nicht mehr überall bequalmt und hat dann diesen Geruch in seinen Kleidern drin. Dies ist für mich das Entscheidende. Ob nun Helmut Schmidt bei seinen TV-Auftritten raucht oder nicht – diese Frage berührt mich eher wenig.
Man könnte ja darüber nachdenken, ob Interviews mit Helmut Schmidt künftig nur noch unter freiem Himmel abgehalten werden sollen.
Damit wäre beiden gedient. Die Journalisten hätten unseren Altkanzler in Ihrer Sendung und Schmidt selbst könnte uns weiterhin die Politik und das Leben schlechthin erklären.
Mal ernsthaft. In der Beurteilung der Frage kann ich mich nur Florian anschließen. Das Rauchverbot hat viel zu lange auf sich warten lassen. Von mir aus sollte es auch ohne die 147 Ausnahmen gelten. Ob dieser unverbesserliche Altkanzler raucht oder nicht, ist für mich an unwichtig.
So weit ist es also schon gekommen, dass wir Raucher uns dafür entschuldigen müssen, unser Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit auszuüben. Dekadent ist das! Überall lauert die Gesundheitspolizei! Früher gab es sowas nicht, da rauchte in der Talkshow sogar der Moderator. Und im Repetitorium bei Alpmann Schmidt hat der alte Alpmann vor seinem Kurs eine nach der anderen geraucht. Und im Bus wurde auch geraucht. Der Schmidt ist doch ein Vorbild gegen diesen Gesinnungsterror. Manchmal braucht es einfach zivilen Ungehorsam.
(Ehemaliger) Bundeskanzler hin, Bundeskanzler her, wenn man sich schon auf ein Rauchverbot geeinigt hat, dann doch bitte für alle. In öffentlichen Gebäuden oder auf bestimmten Plätzen ist das Rauchverbot ganz sinnvoll. Man ist ja dann nicht alleine unterwegs und müsste auf andere ebenfalls Rücksicht nehmen. Was Helmut Schmidt allerdings im TV-Studio macht oder privat ist mir egal. Wenn der Sender das Rauchen akzeptiert, dann bitte.
Zu Schmidts Gepaffe habe ich ein gespaltenes Verhältnis. Das Schöne daran ist, dass es die Überlegezeit, die er sich in Talkshows erfreulicherweise einräumt, auf diese Weise auch optisch überbrückt. Es hat etwas Beruhigendes, beinahe Meditatives, ihn schmauchen zu sehen.
Auf der anderen Seite tritt er so in beinahe unerträglicher Weise als der „Graf von Rotz“ auf, für den er immer -und bisweilen zu Recht- kritisiert worden ist. Es stellt sich die Frage, ob er die Toleranz, die er einfordert, selber an den Tag gelegt hat, als er noch Referent für Ausbildungsvorschriften im Reichsluftfahrtministerium gewesen ist.
Die durchweg und gänzlich widerspruchslos positive öffentliche Wahrnehmung der Figur Helmut Schmidt im Jahr 2010 ist jedenfalls bemerkenswert…
Es stört mich, dass bei dem Dauerrauchen des Altkanzlers und dessen Dulden die Message mitschwingt „Dreistigkeit siegt“. Einerseits gibt es Wichtigeres, über das man sich aufregen kann, wenn nur das andererseits nicht wäre…
Soweit Bundeskanzler a. D. Helmut Schmidt gegen das `Nichtraucherschutzgesetz` verstößt, liegt für mich grundsätzlich ein Tatbestand von übergesetzlichem Notstand vor!
Heute um 22.45 Uhr ist Helmut Schmidt bei Beckmann und talkt über die Deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts.