Zwei aktuelle Darstellungen des Migrationsrechts setzen unterschiedliche Schwerpunkte
Matthias Wiemers
Zunächst einmal ist schon vor einigen Monaten die nun schon dritte Auflage des Werks „Einwanderungsrecht“ von Frederik von Harbou, Ernst Abbe Hochschule Jena, und Rechtsanwältin Esther Weizsäcker, Berlin, erschienen, die als Herausgeber von zwölf Autorinnen und Autoren aus unterschiedlichen Teilen der Migrationspraxis unterstützt werden. Der Untertitel hier lautet „Das Recht der Arbeits- und Bildungsmigration“, womit das Asylrecht auf den ersten Blick ausgeblendet scheint, was aber tatsächlich nicht der Fall ist. Nur der Fokus liegt eben auf dem Bereich der Bildungs- und Arbeitsmigration. Bei dem zweiten hier vorzustellenden Werk wird der Praxisbezug noch mehr betont. Es trägt den Titel „Beschäftigung ausländischer Mitarbeiter“ und den Untertitel „Arbeitsmigrationsrecht in der Praxis“ und spart den Asylbereich gänzlich aus. Dieses Werk wurde von vier Anwältinnen und Anwälten aus Hamburg, Berlin, Köln und Darmstadt verfasst.
Migration, so möchte man feststellen, ist eine Grundkonstante der Menschheitsgeschichte, die nicht wirklich verhindert werden kann, sondern die man nur zu steuern versuchen kann. Dies ist keine spezifisch deutsche Erkenntnis, die aus den Erfahrungen des NS-Unrechts genährte Regelungen des GG, die auch für das EU-Migrationsrecht anleitend gewesen sind, eben nicht für eine Sondersituation verantwortlich macht, sondern den Drang des Menschen, sich dorthin zu begeben, wo Nahrungsquellen zu erschließen und politische wie natürliche Bedrohungen wie das Klima geringer wirken mögen, als Tatsache annimmt. Gleichwohl: Mangelnde Einigkeit auf nationaler und supranationaler Ebene führen zu Vorschriften, die nicht immer in sich stimmig sind und die den Keim der politischen Spaltung weiter in sich tragen. Vor diesem Hintergrund denjenigen Hilfe zu bieten, die sich Migration zunutze zu machen suchen, ist ein sinnvolles, wenngleich nicht einfaches Unterfangen.
Von Harbou und Weizsäcker diskutieren in einer Einleitung zunächst die Debatte um ein Einwanderungsgesetz in Deutschland, worunter sie das Fachkräfteeinwanderungsgesetz von 2019 und das Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung als „allenfalls Meilensteine, nicht einen Schlussstein der Debatte“ qualifizieren. Die Autoren schildern die seit Jahren laufende Debatte um ein Einwanderungsgesetz in Deutschland und rechtfertigen den Titel ihres Werks damit, dass die Beschränkung einerseits nicht zwingend ist und andererseits auch nicht als statisch aufzufassen sei (S. 5). Sie ergänzen die Themenstellung denn auch um einige Aspekte des Nachzugs zu Erwerbs- du Bildungsmigranten wie auch Probleme des sog. Spurwechsels vom Asyl- zum Aufenthaltsrecht.
Marius Tollenaere stellt im zweiten Kapitel die „Migration zum Zweck der Erwerbstätigkeit“ dar (§ 2) und beginnt mit einer knappen Darstellung der bisherigen Rechtsentwicklung, bevor er beschreibt, wie nach geltendem Recht eine legale Beschäftigung von Migranten in Deutschland möglich ist. Katja Ponert und Esther Weizsäcker ergänzen dies um eine Gesamtdarstellung der „Migration zum Zweck des Studiums und der Berufsausübung“ (§ 3). Kathleen Neudorf widmet sic speziell dem Thema der „Anerkennung ausländischer Bildungs- und Berufsabschlüsse“ (§ 4). Wie bereits angedeutet, spart dieses Werk das Thema Flucht nicht gänzlich aus, weswegen Frederik von Harbou und Christian Scheibenhof dem eine Darstellung von „Arbeitsmarkt- und Bildungszugang Geflüchteter sowie Regularisierungswege“ (§ 5) folgen lassen, wobei das letzte Wort im Titel offenbar eine Neuschöpfung darstellt. Ein in jüngerer Zeit sehr oft diskutiertes Problem ist die weitgehende Angleichung von EU-Bürgern an die Rechte deutscher Staatsbürger bei gleichzeitig hohem Wohlstandsgefälle zwischen den einzelnen EU-Mitgliedstaaten. Daher werden hier „Freizügigkeitsrechte von Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen“ (§ 6) gesondert dargestellt, und zwar von Sven Hasse. „Aufenthaltsrechte aus dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei“ (§ 7) mag als Randphänomen erscheinen, beinhaltet aber tatsächlich eine große Anzahl potentielle Betroffener. Hiermit beschäftigt sich Ünal Zeran. Besonders betroffen sind Unionsbürger aber auch Drittstaatler stehen im Fokus des nächsten Kapitels über den „Zugang zu Sozialleistungen und Sicherung des Lebensunterhalts“ (§ 8) von Stamatia Devetzi und Anne Walter.
Die Verfestigung des Aufenthalts und Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit“ (§ 9) ist das Thema von Holger Hoffmann, dem Hannah Tewocht und Anne Walter mit dem „Familiennachzug zu Drittstaatsangehörigen“ (§ 10) folgen. Was in der unternehmerischen Praxis von besonderem Interesse ist, sind die „Arbeitgeberpflichten bei der Beschäftigung von Drittstaatsangehörigen“ (§ 11), die Christopher von Harbou und Marius Tollenaere erläutern, bevor Marius Tollenaere mit „Zuständigkeiten, Verfahren Rechtsschutz“ (§ 12) einen vermeintlichen Abschluss markiert. Doch leider kommt heute kein verwaltungsrechtliches Lehrwerk heute mehr ohne eine explizite Auseinandersetzung mit dem Potential der Verwaltungsmodernisierung aus. Hier wird diese Rolle von Katharina Bonnenfant übernommen, die sich zu Beginn ihres Beitrags über die „Digitalisierung des Visumverfahrens“ (§ 13) beeilt festzustellen, ihr Beitrag gebe ausschließlich die persönlichen Ansichten der Autorin und nicht ihres Dienstherrn wieder. Die Autorin ist OZG-Beauftragte im AA…
Alles in allem liegt hier eine gut lesbare Darstellung im Wege einer Momentaufnahme vor. Haben doch zumindest die Vertreter der Unionsparteien im Vorfeld der letzten Bundestagwahl angekündigt, hier einige Regelungen wieder zurückzuentwickeln, die die Vorgängerregierungen getroffen hatten. Hierzu soll etwa auch die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts mit Stand von 2024 gehören, das der Band noch als Aktualitätsnachweis auf dem Klappentext ausflaggt. Wir dürfen gespannt sein, was da noch kommen mag.
Petra Timmermann leitet den zweiten Band mit einer Einführung (I.) ein und zeigt hierin zunächst einmal alle maßgeblichen Rechtsquellen auf, die bei der Arbeitsmigration zur Anwendung kommen (können).
Julia Uznanski, Gunther Mävers und Sebastian Klaus zeigen sodann den gesamten Weg „Von der Rekrutierung bis zur Einstellung von ausländischen Beschäftigten“ (II.) auf – und fangen dort mit einer Darstellung der zu prüfenden AGG-Konformität an. Weiter geht es über verschiedene Regelungswerke aus dem Aufenthaltsrecht wie dem Arbeitsrecht.
Timmermann stellt „Rechtsgrundlagen und Voraussetzungen der verschiedenen Aufenthaltstitel“ dar (III.). Mävers fokussiert anschließend „Mitwirkungs-, Prüfungs- und Aufbewahrungspflichten“ (IV.) vor seitens des Ausländers., Klaus, Uznanski und Mävers wenden sich sodann der Perspektive des Arbeitgebers bei der Beschäftigung von Ausländern zu (V.), Mävers und Klaus zeigen die „Beendigung der Beschäftigung von Ausländern“ (VI.) auf. Es folgt eine Darstellung der möglichen Szenarien einer illegalen Ausländerbeschäftigung und ihrer folgen und Risiken durch Uznanski, Mävers und Klaus.
Klaus sodann die Möglichkeiten der „Beschäftigung von ausländischen Mitarbeitern im Rahmen von Entsendungen“ dar (VIII) und gibt schließlich in einem als „Annex“ bezeichneten Schlusskapitel eine „Übersicht über Möglichkeiten der Erwerbstätigkeit und Validierung von bestehenden Aufenthaltstiteln“. Dieser Annex verwundert zunächst etwas, allerdings wird darin deutliche gemacht, dass es in der Verwaltungspraxis eine Vielzahl von verschiedenen Aufenthaltstiteln und auch äußerlichen Erscheinungsformen gibt, so dass die Darstellung der Orientierung darüber dient, welche Bedeutung den einzelnen in der Praxis vorhandenen Dokumenten zukommt. Wesentlicher Inhalt des Annex ist eine tabellarische Übersicht über die einschlägigen Erscheinungsformen legitimierender Aufenthaltspapiere.
Alles in allem liegt hier ein offenbar bereits praxisbewährtes Hilfsmittel vor, das zunehmende Bedeutung erlangen wird – jedenfalls dann, wenn die Gesetzgebung nicht endlich einmal in einen mehrjährigen Ruhezustand kommt.
Frederik von Harbou / Esther Weizsäcker
Einwanderungsrecht. Das recht der Arbeits- und Bildungsmigration
Verlag C.H. Beck, 3. Auflage 2025
511 Seiten; 99,00 Euro
ISBN: 978-3-406-82660-3
Petra Timmermann / Julia Uznanski / Gunther Mävers / Sebastian Klaus
Beschäftigung ausländischer Mitarbeiter. Arbeitsmigrationsrecht in der Praxis
Nomos Verlag, 2. Auflage 2025
474 Seiten; 59,00 Euro
ISBN: 978-3-7560-1098-1