Der Flug des Ikarus

Matthias Prinz schildert sein bewegtes und bewegendes Juristenleben

Matthias Wiemers

Ich erinnere mich dunkel an zwei Memoirenbücher des früher unstreitig bekanntesten deutschen Anwalts Rolf Bossi (einmal seine Memoiren zum 50. Geburtstag Mitte der 70er Jahre und später noch „Ich fordere Recht“). Da waren auch sehr interessante Fälle geschildert, aber das Schicksal des bekannten Hamburger Medienanwalts Matthias Prinz geht wirklich unter die Haut. Er hat mit seinen Memoiren ein Buch geschrieben, das man eigentlich gar nicht mehr weglegen will – wenn man denn nicht auch mal etwas anderes machen müsste.
Matthias Prinz wird als Sohn des Journalisten Günter Prinz in Berlin geboren, und der Vater macht Karriere bei Axel Springer, wo er im Konzern zuletzt kurze Zeit Vorstandsvorsitzender war. Das ist sozusagen der Hintergrund des Autobiographen, der zwar sein Buch untertitelt mit „eine Lebens- und Rechtsgeschichte“, aber zu Beginn sogleich seinen plötzlichen Herztod im Jahre 2014 schildert. In der Tat war dieses Ereignis nicht nur für den Autor existenziell, sondern es ist auch noch deutlich ungewöhnlicher (will man in diesem Kontext das Wort spektakulär vermeiden) als das gesamte, sodann von Prinz geschilderte Leben.
Der plötzliche Herzstillstand geschah beim Joggen in Hamburg, bei einem Menschen, der bis dahin nicht weniger als 14 Marathon- und etliche Triathlonwettbewerbe absolviert hatte. In diesen ersten Seiten des Buchs finden wir alles zusammengefasst, was der Autor bis dahin in einem Leben erreicht hatte. Und wir finden auch gleich den sehr zutreffenden Hinweis, dass nicht behinderte Menschen überhaupt keine Vorstellung davon haben, „wo überall Rampen fehlen und für Menschen im Rollstuhl ein Zugang nicht möglich ist“ (S. 13 f.)
Insgesamt ist die Autobiographie in vier Teile gegliedert, die nicht weiter überschrieben sind. Der mit dem plötzlichen Herztod eingeleitete Teil schildert eine von sportlicher Betätigung gekennzeichnete Jugend- und Ausbildungszeit: Taekwondo, Segeln, Laufen und so weiter – bis hin zur Gründung der eigenen Kanzlei in Hamburg Mitte der 1980er Jahre. Studium und Referendariat legt Prinz in Hamburg zurück, unterbrochen von einem Studium an der Harvard Law School.
Doktorvater wird der Hamburger Rechtsvergleicher Hein Kötz, der später die Bucerius Law School als erster Präsident mitgründen sollte und bei dem Prinz promoviert (Merkwürdiger Zufall: als ich aus Recherchegründen bei wikipedia nach dem akademischen Lehrer Prinz´, Hein Kötz, suchte, tat sich dies zufällig an dessen 90. Geburtstag am 14. November.). Auch der berühmter Anwalt Matthias Prinz hat mit mehr oder weniger Wald-und Wiesen-Mandaten angefangen und hat vor allem auch Pflichtverteidigungen übernommen. Er findet aber bereits einen Weg, sich von der Masse abzuheben, indem er sich arbeitsrechtlich auf Chefredakteure und Fußballtrainer spezialisiert, die offenbar einiges gemeinsam haben. Auch Studienplatzvergabefälle hat die Kanzlei viele bearbeitet. Hier im ersten Teil werden noch wenige interessante Fälle geschildert, die der Autor zu recht für mitteilenswert halten durfte. Der zweite Teil des Bandes ist mit etwa 120 Seiten der umfangreichste und schildert, wie Prinz zu einem Prominentenanwalt wurde, wobei das Ganze noch etwas unterteilt wird in Prominente, Showgrößen und Wirtschaftsmandate. Das berühmteste Mandat insoweit dürfte Caroline von Monaco bzw. von Hannover sein, mit der Prinz bis vor den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof gezogen ist – und nicht nur dort das Persönlichkeitsrecht hat weiterentwickeln können.
Dann kommt im dritten Teil auf etwa 40 Seiten noch die Schilderung einiger interessanter Entwicklungen, die teilweise auf dem Fundament als Medienanwalt aufsetzen, aber nicht nur. So erfährt der Leser etwa, wie er mit dem fast Gleichaltrigen Butz Peters als Mitarbeiter zusammenkam und mit diesem ein Lehrbuch zum Medienrecht schrieb (Der Rezensent hat sein Exemplar leider vor Jahren an eine bekannte Juristin verkauft) – und dafür an de Berliner FU eine Honorarprofessur erhielt. Wie er seine Lehrveranstaltungen vorbereitet, wird an einer Stelle ebenfalls geschildert.
Mit dem knappen vierten Teil schließt der Autor an den von ihm eingangs gesetzten Rahmen des Lebens im Rollstuhl an und schildert, wie er seither lebt und was er zur Heilung bisher unternommen hat.
Bemerkenswert ist, dass Prinz, dem seitens einer REHA-Klinik nicht viel Gutes widerfuhr, den Einrichtungsträger nicht verklagt hat. Wie das eben so ist mit Juristen in eigenen rechtlichen Angelegenheiten…
Wünschen wir Matthias Prinz, der ein echter Kämpfer auch in eigener Sache sein kann, alles Gute und vor allem eine Besserung seines Zustands! Er hat im wahrsten Sinne des Wortes Rechtsgeschichte geschrieben. Und er kann, was den Umgang mit einem seit 2014 nicht mehr so freundlichen Schicksal angeht, ein Vorbild und Ermunterung für viele sein – nicht zuletzt auch für die Behinderten, sie sich an vielen Stellen unserer Republik bis heute der Gedankenlosigkeit von Architekten, Planern und Bauherren ausgesetzt sehen.
Auch wenn das Buch bereits als „Spiegel-Bestseller“ angepriesen wird, so sei es doch für den juristischen Nachwuchs besonders als Lektüre empfohlen!

Matthias Prinz
Bis in die letzte Instanz. Eine Lebens- und Rechtsgeschichte
Osburg Verlag, 2025
300 Seiten; 26,00 Euro
ISBN: 978-3-95510-379-8

Veröffentlicht von on Nov. 24th, 2025 und gespeichert unter BESPRECHUNGEN, LITERATUR. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

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