Thorsten Schaumberg hat sein Lehrbuch neu aufgelegt
Matthias Wiemers
Je mehr ich mich mit dem Sozialrecht und seiner Literatur beschäftige, desto deutlicher wird, wie vielfältig das Angebot an guter Studienliteratur allein schon durch die inzwischen große Vielfalt der mit recht unterschiedlichen Studiengängen verbundenen (Fach-)Hochschulen im gesamten Bundesgebiet verbunden ist. Thorsten Schaumberg lehrt Sozialrecht an der Hochschule Nordhausen und hat nun schon in dritter Auflage ein Lehrbuch vorgelegt, das umfangmäßig noch überschaubar ist, aber gleichzeitig nicht so stark komprimiert ist wie etwa das dasjenige von Kokemoor – zufällig ebenfalls aus dem Nomos Verlag.
Wirft man einen ersten Blick in das Buch und findet sodann das Vorwort zur zweiten Auflage, so wird sogleich die hier eingangs beschriebene Lage bestätigt und der Anspruch erhoben, den Studierenden – und zwar nicht nur den an Fachhochschulen – einen Überblick über die komplexe Materie zu gewinnen.
War der Rezensent schon von dem Werk von Kokemoor einigermaßen begeistert gewesen, weil schon dieses den herkömmlichen Lehrbüchern aus dem Universitätsunterricht überlegen zu sein schien, so muss dies umso mehr für das Werk von Schaumberg gelten.
Denn er versteht es, in sinnvoller weil nicht übertriebener Weise den Kontext der Gesamtrechtsordnung herzustellen, indem er „Grundlagen des Sozialrechts“ (§ 1) derart legt, dass er zunächst den Begriff des Sozialrechts klärt, die Aufgaben des Sozialrechts darstellt und damit sogleich „soziale Gerechtigkeit“ und „soziale Sicherheit“ als zentrale Ziele definiert und sodann anhand der einzelnen Bücher des SGB auch gleich die geschichtliche Entwicklung des Sozialrechts mit erläutert. Selbst ein paar Zahlen zu den ökonomischen Aspekten des Sozialrechts bringt der Autor. Hier kann man getrost feststellten: das reicht. Mehr müssen die Studierenden – bei aller Unterschiedlichkeit der einzelnen Studiengänge – in der Regel nicht wissen.
„Nationale Rechtsquellen des Sozialrechts“ (§ 2)skizziert in aller gebotenen Kürze den Aufbau der Rechtsordnung, erläutert die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Sozialrechts und ordnet auch die Bücher des SGB in die Rechtsordnung ein.
In den „Systemstrukturen des Sozialrechts“ (§ 3) zeigt Schaumberg – wie auch schon Kokemoor – das klassische und das neuere System des Sozialrechts, wie es auf Hans F. Zacher zurückgeht. Wie schon ersterer, nimmt auch Schaumberg eindeutig zu Gunsten der neuen Systematik Stellung (Rdnr. 87) und wendet sie im Übrigen auch im Fortgang des Lehrbuchs an.
Nach einem Kapitel über „internationale Bezüge des Sozialrechts“ (§ 4), dessen Bedeutung immer weiter zunimmt, präsentiert der Autor eine „Kurze Methodik der juristischen Fallbearbeitung“ (§5). Dies ist sinnvoll, weil man sich namentlich im Kontext der zahlreichen Spezialstudiengänge an den Fachhochschulen keinesfalls sicher sein kann, dass die Studierenden die Methodenfragen auf jeden Fall in einem anderen Fach erfahren, so dass sie es nur noch auf das Sozialrecht übertragen müssen. Dies kann keinesfalls angenommen werden und gehört deshalb auch in ein solches Lehrbuch. Bildeten die vorstehenden Kapitel den Ersten Teil („Grundsätzliches zum Sozialrecht“), so präsentiert Teil 2 „Gemeinsame Vorschriften für das Sozialgesetzbuch“. Hier hat Schaumberg zunächst „Aufgaben des SGB und soziale Rechte“ (§ 6) gewissermaßen vor die Klammer gezogen und zeigt dann „Informationspflichten der Leistungsträger“ (§ 7) auf. Dies ist didaktisch eine durchaus sinnvolle Vorgehensweise, weil insbesondere mit der Vorschrift des § 13 SGB I gewissermaßen eine Abkehr von der überkommenen Verwaltungstradition verbunden ist, eher auf Anträge von Bürgern zu warten als auf die möglichen Leistungen aktiv hinzuweisen.
Es folgen „Grundzüge des Sozialleistungsrechts“ (§ 8), also Vorschriften aus dem SGB I und dem SGB IV.
Teil 3 ist mit „Sozialversicherungs- und Arbeitsförderungsrecht als Soziale Vorsorgesysteme“. „Gemeinsame Vorschriften für das Sozialversicherungsrecht“ (§ 9) zeigt die Bedeutung des SGB IV, während sodann in Einzelkapiteln die einzelnen Zweige der Sozialversicherung folgen: GKV (§ 10), Soziale Pflegeversicherung (§ 11), gesetzliche Unfallversicherung (§ 12), gesetzliche Rentenversicherung (§ 13) und Arbeitsförderungsrecht (§ 14).
Der Teil 4 des Bandes erklärt „Soziale Entschädigungssysteme“, beschränkt sich aber auf ein Kapitel zur „Systematik“ (§ 15), weil anderenfalls der Einführungscharakter des Lehrbuchs verlassen würde (so i. E. Schaumberg, Rdnr. 345 m. Fn. 1).
„Soziale Hilfe und Förderung“ bildet den Teil 5, der mit einer „Einleitung“ (§ 16) beginnt und dann über eine „Einführung in das Grundsicherungsrecht“ (§ 17) die „Grundsicherung für Arbeitssuchende“ (§ 18), „Sozialhilfe“ (§ 19), „Kinder- und Jugendhilfe“ (§ 20), „Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen“ (§ 21).
Teil 6, der das „Sozialverfahrensrecht“ enthält, besteht aus den Kapiteln über „Das Sozialverwaltungsverfahren“ (§ 22) und „Das sozialgerichtliche Verfahren“ (§ 23).
Die meisten der einzelnen Kapitel schließen mit sinnvollen Wiederholungs- und Vertiefungsfragen, zu denen knappe Lösungen ganz am Ende des Bandes präsentiert werden. Auf die Lösung von Fällen verzichtet Schaumberg, liefert aber durchgängig Hinweise, Beispiele und nützliche Übersichten. Alles in allem hat sich dieses Lehrbuch in meiner persönlichen Tabelle auf den Spitzenplatz geschoben.
Thorsten Schaumberg
Sozialrecht. Einführung (Lehrbuch)
Nomos Verlag, 3. Auflage 2020
304 Seiten (Taschenbuch); 24,90 Euro
ISBN-10: 3848761831