Neues aus dem Umweltrecht

Lieferketten, Abfall und Klimaschutz

Matthias Wiemers

Vor kurzem wurde an dieser Stelle behauptet, im Umweltrecht seien im Augenblick wenig neue Lehrbücher erschienen – was nach wie vor stimmt. Gleichwohl erschienen allmählich zum Teil seit langem angekündigte Werke.

Beim ersten Titel wurde man vor einiger Zeit noch vom Verlag vertröstet, und jeder hat hier auch Verständnis für Verzögerungen. Denn einmal leben wir in ungewöhnlichen Zeiten, und zum anderen sind hier Ausführungen ohne abgeschlossene Gesetzgebung auf EU-Ebene etwas unbefriedigend. Es geht um das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, das man wohl gewiss auch eher im Außenwirtschaftsrecht verorten mag. Andererseits ist unstreitig, dass das Gesetz nicht nur dem Menschenrechtsschutz in Drittländern, die sich in der eigenen Lieferkette befinden, sondern auch der Durchsetzung einiger umweltbezogener Pflichten zu dienen bestimmt ist. Hier liegt nun aus dem REGUVIS-Verlag eine mit rund 240 Seiten recht knappe Handreichung vor, die – auch kraft ihres Untertitels – der Umsetzung und Auswirkungen des LkSG in der Praxis gewidmet ist.
Der Band startet mit der Vorstellung der beiden Autoren – zwei Anwälten der Kanzlei Graf von Westphalen, einem Abkürzungsverzeichnis und einem recht ausführlichen Literaturverzeichnis, anhand dessen sich auch der Praktiker tiefer informieren kann,

Der Band zeichnet sich dadurch aus, dass zwar zu Beginn die üblichen Themen zur Einführung in ein neues Gesetz nacheinander abgehandelt werden: (1) Gegenstand und Ziel des Gesetzes, (2) Inhalt des Gesetzes, (3) Anwendungsbereich des Gesetzes, (4) Begriffsbestimmungen und (5) Umfang der Sorgfaltspflichten. Halten sich die Autoren schon hier nicht stur an das Gesetz und geben zudem zahlreiche nützliche Übersichten, so setzt mit Kapitel 6 „Umsetzung der Sorgfaltspflichten“ eine systematische Darstellung darüber ein, wie Betroffene in ihrem Unternehmen jeweils vorgehen sollen, um die Komplexität des Themas angemessen reduzieren zu können. Dies geht freilich gegenwärtig und künftig nicht ohne den vernünftigen Einsatz von IT. Die Autoren haben dem allerdings ein eigenes Kapitel gewidmet, das sie erst einmal allgemein mit dem Abschnitt „Informationsorganisation“ einleiten und erst dann auf „Anforderungen an IT-gestützte Management- und Analysetools eingehen, Kapitel 8 enthält dann noch einmal ein „Fazit: In 6 Schritten zur Umsetzung des LkSG im Unternehmen“. Hiermit wird der Beweis geführt, dass man das neue Gesetz im unternehmenseigenen Management durchaus bewältigen kann.
Ergänzt wird der Band um ein Kapitel (9) über die von dem Gesetz eingeführte besondere Prozessstandschaft (vulgo: „Verbandsklage“), eins über „Kontrolle und Durchsetzung§ (10) und eins über „Zwangs- und Bußgelder“ (11). Kapitel 12 behandelt in einem Ausblick den geplanten EU-Rechtsankt zur Sorgfaltspflichten in der Lieferkette. Schließlich gibt es insgesamt zehn Anhänge und ein Sachverzeichnis. In den Anhängen werden Checklisten, Vertragsklauseln und Zeitpläne zur Umsetzung des Gesetzes gegeben.
Mein Fazit hier: Das Warten hat sich gelohnt, der Band ist uneingeschränkt zu empfehlen.

Harings/ Jürgens, Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Umsetzung und Auswirkungen des LkSG in der Praxis, Reguvis Fachmedien 2022, 238 S., 49,80, ISBN 978-3-8462-1344-5

Das Klimaschutzrecht ist ein ganz junges Rechtsgebiet. Der Durchbruch neuer Rechtsgebiete geht immer damit einher, dass der Beck-Verlag etablierte Buchreihen mit einem solchen Rechtsgebiet ergänzt. Konnte zuletzt hier schon das neue „Handbuch Klimaschutzrecht“, herausgegeben von Michael Rodi, beschrieben werden, so hat nun auch die Reihe „Gelbe Erläuterungsbücher mit dem Kommentar „Klimaschutzrecht“, herausgegeben von Frank Fellenberg und Annette Guckelberger, seinen speziellen Titel erhalten. Die beiden Herausgeber werden unterstützt von insgesamt 18 weiteren Autoren, die aus zwei Richtern, zwei Vertretern von Behörden und ansonsten aus Rechtsanwälten und Universitätsprofessoren bestehen.
Kommentiert werden das Klimaschutzgesetz (KSG) in seiner seit August 2021 bestehenden Form, das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG) und das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG), allesamt gesetzt, die nur Spezialisten bekannt zu sein pflegen. Damit sich der Anwender überhaupt erst einmal zurechtfindet, haben die beiden Herausgeber im Rahmen einer etwa 50seitigen Einleitung einen Gesamtüberblick gegeben. Dies war schon deshalb notwendig, weil die nationalen Rechtsmaterien ja auch noch durch EU-Recht sowie das Recht der Bundesländer ergänzt wird.
Zutreffend wird hier konstatiert, das KSG sei von zentraler Bedeutung, da es die bundesrechtlichen Rahmenvorgaben für den Klimaschutz setze (Einl. Rdnr. 2). Und in der Tat ist es natürlich der Bund, der sich gegenüber der Völkergemeinschaft zur Einhaltung der nationalen Minderungsziele von Treibhausgasemissionen verpflichtet hat.
Es überrascht auch nicht, dass der Kommentar insbesondere mit der Verzahnung mit dem Handbuch von Rodi profitiert, auf das durchgehend verwiesen wird. Dennoch sind die Kommentierungen aber so ausgeführt, dass das Klimaschutzrecht aus sich heraus verständlich gemacht wird, was Gesetze gegenwärtig längst nicht mehr selbst leisten. Die Autoren versehen die Einzelkommentierungen praktisch durchgehend mit einem Abschlussabschnitt „Bewertung“ oder „Würdigung“, wo die persönliche Einschätzung der jeweiligen Autoren zu der kommentierten Vorschrift wiedergegeben und auch Verbesserungsvorschläge an den Gesetzgeber formuliert werden. Dies liest man in dieser Ausführlichkeit in Kommentierungen selten (Bei Kommentaren, die von Ministerialbeamten stammen, die das betreffende Gesetz entworfen haben, dürfte dies auch kaum zu erwarten sein.)
Alles in allem dürfte der Verlag hiermit das Spitzenprodukt auf den Markt gebracht haben.

Fellenberg/Guckelberger, Klimaschutzrecht: KSG, TEHG, BEHG (kommentar), Verlag C.H. Beck, 1. Auflage 2022, 801 Seiten, 189 Euro, ISBN 978-3-406-76400-4

Schließlich ist hier noch ein neues Lehrbuch zum Abfallrecht vorzustellen. Das Abfallrecht hat ja in Deutschland seit etwa 50 Jahren einen weiten Weg zurückgelegt: vom Abfallbeseitigungsrecht, wo der Gedanke der Gefahrenabwehr eindeutig im Vordergrund stand, über die allmähliche Ergänzung um den Gedanken der Kreislaufwirtschaft bis zu zunehmenden Ansätzen der Ressourcenbewirtschaftung. Das seit 2019 geltende Verpackungsgesetz wurde nun im letzten Jahr noch einmal wesentlich verschärft, aber auf aktuelle Kommentierungen warten wir alle noch. Da das Verpackungsgesetz noch wesentlich bürokratischer angelegt ist, als die frühere Verpackungsverordnung, muss es schon als große Leistung erscheinen, wenn einzelner Autor in der Lage sein sollte, „Grundzüge des Abfallrechts“ auf 324 Seiten so zusammenzufassen, dass auch ein Laie in der Praxis dies versteht. Holger Thärichen, der vom Verband kommunaler Unternehmen (vku) in Berlin kommt, holt denn auch den Leser zunächst einmal ab und spannt den Bogen „Von der Seuchenprävention zur Ressourceneffizienz – ein kurzer Überblick über die Entwicklung des Abfallrechts“. Dann erklärt er den Abfallbegriff (2. „Was ist Abfall?“), klärt „Die Verantwortung für Abfälle“ (3.) und stellt sodann „Die kommunale Entsorgungsverantwortung“ dar (4.). Der Band schließt mit einem Kapitel über „Die Überlassungspflicht“ (5.)
Man kann hier sagen, dass mit Ausnahme des Problemkomplexes Getränkeverpackungen alles erfasst wurde – einschließlich etwa den Elektroaltgeräten, den Bioabfällen, den Abfällen aus Wohnungsauflösungen und von Renovierungsarbeiten. Auch das sehr aktuelle Thema des „Containerns“ wird behandelt. Letztlich wird aber auch das Thema Verpackungsabfälle nur gestreift, ist das Verpackungsgesetz an vielen Stellen eingearbeitet, aber steht nicht im Fokus des Bandes. Thärichen schreibt eben aus der Perspektive der Kommunalwirtschaft. Für diesen Bereich gibt es nichts, das eingängiger geschrieben wäre.
Ein entsprechendes Werk speziell für Verpackungsabfälle, das dann die Perspektiven von Inverkehrbringern, (dualen) System, dem Handel und Verwertern einnehmen müsste, würde man sich wünschen.

Holger Thärichen, Grundzüge des Abfallrechts, Erich Schmidt Verlag 2022, 324 Seiten, 42 Euro, ISBN 978-3-503-20014-6

Wer es nun ganz genau wissen will mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, der kann auf den nach hiesiger Erkenntnis ersten vollständigen Kommentar zu diesem innovativen Gesetzeswerk von Martin Rothermel, Anwalt in einer anderen überörtlichen Sozietät als Harings und Jürgens, zugreifen, der in der Schriftenreihe der Zeitschrift „Compliance-Berater“ erschienen ist, die wiederum in der dfv Mediengruppe in Frankfurt erscheint.
Das gut 500 Seiten starke Werk setzt allerdings erst auf Seite 95 mit seiner vollständigen Kommentierung des LkSG ein (Teil C.), nachdem zuvor in einem Teil A. „Ziele, Historische Entwicklung und vergleichbare Initiativen in der EU und anderen Ländern“ ausführlich dargestellt werden (A.) und sodann etwas Material „Aus dem Gesetzentwurf und dessen Begründung“ wiedergegeben wird (B.).
Mit der amtlichen Begründung – und zwar des Entwurfsstadiums und den Änderungen im Gesetzgebungsverfahren – arbeitet der Verfasser allerdings auch in den nachfolgenden Kommentierungen. Hier hätte man wohl etwas straffen können.
Die Kommentierung arbeitet sodann mit zahlreichen und zum Teil sehr umfangreichen Fußnoten, die es nachvollziehbar machen, wie der Autor zu seinen Schlussfolgerungen gelangt ist. Sieht man davon ab, dass Rothermel die Änderungen im Gesetzgebungsverfahren auch in den einzelnen Vorschriften direkt im Text des jeweiligen Paragraphen abgebildet hat, was die Lesbarkeit doch stark beeinträchtigt, so hat er doch die Grundlage dafür geschaffen, dass derjenige, der sich mit einer bloßen Handreichung oder Umsetzungshilfe, wie sie jetzt allmählich am Markt erscheinen, nicht zufriedengeben will, sondern der Entstehung der geltenden Vorschriften gewissermaßen auf den Grund gehen will, dieses ohne weiteres ins Werk setzten kann. Durch die Darstellung in Abschnitt A. wird man zudem noch näher an die Planungen auf EU-Ebene herangeführt.

Martin Rothermel, LkSG – Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, R&W-Verlag, 1. Aufl. 2022, 540 Seiten, 109,00 €, ISBN 978-3-8005-1804-3

Veröffentlicht von on Jul 25th, 2022 und gespeichert unter BESPRECHUNGEN, LITERATUR. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

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